Kuppeln des Moskauer Kremls
Donnerstag, 21.04.2022 17:35 von | Aufrufe: 1049

GESAMT-ROUNDUP 2: Russland meldet Kontrolle über Mariupol/Ringtausch für Waffen

Kuppeln des Moskauer Kremls ©iStock

(neu: Flüchtlingszahlen, Hilfe aus den USA, Details zu Waffenlieferungen)

MOSKAU/KIEW/BERLIN (dpa-AFX) - Nach fast zwei Monate dauernden Kämpfen hat Russland den Fall der strategisch wichtigen ukrainischen Hafenstadt Mariupol verkündet. Viele ukrainische Kämpfer und Zivilisten sind noch in einem Stahlwerk der Stadt eingeschlossen. Dieses soll nun nicht mehr erstürmt, sondern hermetisch abgeriegelt werden, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin. Mit der Entwicklung in Mariupol wächst der Druck auf Deutschland, schwere Waffen zur Verteidigung der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung bereitet für die Lieferung weiterer Waffen einen Ringtausch mit Slowenien vor. Die USA kündigten neue Millionenhilfen an.

Kremlchef Putin zeigte sich am Donnerstag im Staatsfernsehen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Der Befehl, das Stahlwerk Azovstal zu stürmen, werde zurückgenommen, so Putin. "Blockiert diese Industriezone so, dass nicht einmal eine Fliege rauskommt." Die ukrainischen Kämpfer sollten die Waffen niederlegen, dann würden sie mit dem Leben davonkommen.

Die südostukrainische Hafenstadt war schon kurz nach Beginn des von Putin am 24. Februar befohlenen Angriffskrieges gegen die Ukraine von russischen Truppen eingekreist worden. Mariupol hatte vor dem Krieg mehr als 400 000 Einwohner, nun sind es noch etwa 100 000. Mehrere Versuche einer geordneten Evakuierung von Zivilisten schlugen fehl.

Die ukrainische Regierung forderte von Russland für das Stahlwerk nahe der Stadt einen humanitären Korridor. "Dort befinden sich gerade etwa 1000 Zivilisten und 500 verwundete Soldaten. Sie müssen alle heute aus Azovstal herausgeholt werden!", schrieb Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram. Sie rief "die Welt" dazu auf, alle Anstrengungen auf das Werk zu konzentrieren. "Das ist jetzt der Schlüsselpunkt und der Schlüsselmoment für die humanitären Bemühungen."

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock forderte von Putin, die Evakuierung der Stadt zu ermöglichen. "Die Lage ist nicht nur hochdramatisch, sie ist kaum zu ertragen", sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrer estnischen Amtskollegin Eva-Maria Liimets in der Hauptstadt Tallinn.

Weitere Eroberungen durch Russland

Russische Truppen stoßen in der Ukraine derweil weiter vor, die befürchtete Großoffensive im Osten könnte jedoch erst noch bevorstehen. Entlang der gesamten Front in den Gebieten Donezk, Luhansk und Charkiw griffen die Russen zwar seit Dienstag an, sagte der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, in einem Radio-Interview. Es handele sich aber wahrscheinlich erst um "Probeangriffe". Der Großteil von Luhansk ist allerdings nach ukrainischen Angaben bereits unter russischer Kontrolle.

Die russischen Streitkräfte nahmen nach eigenen Angaben auch die Kleinstadt Kreminna im Osten der Ukraine ein, die zuvor von der ukrainischen Armee in eine Befestigungsanlage verwandelt worden war.


ARIVA.DE Börsen-Geflüster

Im Kiewer Vorort Borodjanka wurden nach ukrainischen Angaben zwei Gräber mit insgesamt neun Leichen entdeckt. Es handele sich um Zivilisten, Männer wie Frauen, teilte Andrij Njebytow von der Polizei der Hauptstadtregion auf Facebook (Facebook Aktie) mit. Einige von ihnen wiesen Folterspuren auf.

Forderung nach mehr Waffen aus Deutschland

Die Ukraine fordert von der Bundesregierung Waffen wie Luftabwehrsysteme, Kampf- und Schützenpanzer sowie schwere Artillerie, um der erwarteten russischen Offensive in der Ostukraine standhalten zu können. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird Zögerlichkeit vorgeworfen.

Nun bereitet Berlin einen ersten Ringtausch für die Lieferung schwerer Waffen vor. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll dabei der Nato-Partner Slowenien eine größere Stückzahl seiner alten Kampfpanzer an die Ukraine abgeben und aus Deutschland dafür den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs erhalten. Slowenien hat unter der Bezeichnung M-84 noch eine jugoslawische Variante des auch von der Ukraine genutzten Kampfpanzers T-72 in den Beständen. "Die Situation in der Ukraine spitzt sich dramatisch zu. Und wir dürfen nicht zulassen, dass Putin, dass Russland diesen Angriffskrieg gewinnt", sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).

Die Idee hinter einem Ringtausch: Mit den in die Jahre gekommenen Waffen können die ukrainischen Streitkräfte ohne spezielle Ausbildung umgehen. Sie können also schneller eingesetzt werden.

Ob und wann die deutsche Industrie schwere Waffen liefern wird, bleibt dagegen unklar. Auf einer Liste mit 210 Angeboten im Wert von 307 Millionen Euro von Ende März steht nur ein Angebot, das in diese Kategorie eingeordnet werden könnte: 12 Mörser, Kaliber 120 Millimeter. Die von der Ukraine geforderten Kampfpanzer, schwere Artillerie oder Luftabwehrsysteme sucht man darauf vergeblich.

Scholz bekommt bei dem Thema schon seit Tagen Druck aus der eigenen Koalition und aus der Ukraine. Auch bei osteuropäischen Bündnispartnern schwindet die Geduld. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki kündigte an, mit Scholz reden zu wollen. Die "zweideutige Haltung Deutschlands" sei nicht hilfreich.

USA geben mehr Geld und sperren Häfen

Die US-Regierung will der Ukraine weitere Waffen und Munition im Wert von bis zu 800 Millionen Dollar (Dollarkurs) (rund 736 Millionen Euro) liefern, darunter auch Artillerie und Drohnen. Das sagte US-Präsident Joe Biden. Die USA haben der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs mit der neuen Zusage Waffen im Wert von mehr als 3,3 Milliarden US-Dollar zugesagt oder geliefert. Die US-Regierung verkündete auch, ihre Häfen für russische Schiffe zu sperren.

Auch Spanien und Dänemark sagten der Ukraine bei einem Besuch ihrer Regierungsspitzen in Kiew weitere umfassende Hilfen zu.

In der Ukraine sind nach neuen Zahlen der UN-Organisation für Migration (IOM) mehr als 7,7 Millionen Menschen auf der Flucht. Das entspricht 17 Prozent der Bevölkerung vor Beginn des Krieges, wie die IOM mitteilte. Die ukrainische Regierung fordert Fluchtwege für die Menschen./bal/DP/nas

Werbung

Mehr Nachrichten kostenlos abonnieren

E-Mail-Adresse
Benachrichtigungen von ARIVA.DE
(Mit der Bestellung akzeptierst du die Datenschutzhinweise)

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.