Hochfrequenz-Handel
Super-Computer beschwören "Flash Crashs" herauf
An den Finanzmärkten wickeln Computer in Millisekunden Hunderte Transaktionen ab. Preiskapriolen lassen sich kaum noch kontrollieren.
Der rund achtprozentige Preisrutsch bei Erdgas binnen weniger Minuten hat einem New Yorker Hedgefonds-Manager vorvergangene Woche zu einer Trainingseinheit verholfen. "In dem Moment, als ich das gehört habe, bin ich im wahrsten Sinne des Wortes zu meinem Computer gerannt und habe angefangen zu kaufen", erinnert er sich.
Es sei klar gewesen, dass ein automatisiertes Handelsprogramm verrückt gespielt habe. Sicher haben auch andere Händler einen Spurt eingelegt. Die Preise für Erdgas zogen deshalb auch rasch wieder an. Seit dem berühmt-berüchtigten "Flash Crash" an der Wall Street, als im Mai 2010 die Kurse am Aktienmarkt innerhalb weniger Minuten abstürzten und sich kurz darauf wieder erholten, sind nicht nachvollziehbare Kursausschläge immer öfter an der Tagesordnung.
Als treibende Kraft dahinter gilt das High Frequency Trading (HFT). Bei diesem Hochfrequenz-Handel setzen Computerprogramme auf Basis komplizierter Algorithmen in Millisekunden Hunderte von Kauf- oder Verkaufsorders ab. Dabei können sich selbst minimale Kursveränderungen zu erklecklichen Gewinnen summieren. Schätzungen zufolge geht rund die Hälfte des Umsatzvolumens am US-Aktienmarkt auf das Konto von HFT.
Am Rohstoffmarkt beobachtet Analyst Paul Rowady vom Research-Haus Tabb einen vermehrten Einsatz von ursprünglich für den Devisenmarkt entwickelten Handelsprogrammen. "Der Markt kann hochschießen und gleich wieder zurückfallen. Händler wundern sich dann, was eigentlich passiert ist", sagt er.
Der Unternehmensberatung Aite zufolge beläuft sich der Hochfrequenz-Anteil am Gesamtumsatz bei Energie-Futures auf 15 Prozent. Die Börsenbetreiber sind sich dieses Problems durchaus bewusst: Jeffrey Sprecher, Chef der IntercontinentalExchange, betont, dass die Branche bereits daran arbeite, "ungewollte" Kursausschläge zu verhindern. Allerdings sollen dabei die Vorteile von HFT – hohe Umsätze und hohe Einnahmen – nicht gefährdet werden. "Die Börsen sind in der Pflicht, dieses Problem zu lösen", betont Sprecher: "Die Kunden werden den Glauben an uns verlieren, wenn wir es nicht tun."
Hochfrequenz-Händler weisen die Schuld an sogenannten Flash Crashs zurück. Sie sehen sich als Dämpfer für die Volatilität, weil sie dazu beitrügen, dass der Markt große Orders schneller verdauen könne. Allerdings ermittelten die Behörden in den vergangenen Jahren mehrfach gegen HFT-Firmen wie Optiver oder Infinium, weil deren Computerprogramme zu Preisverzerrungen geführt hatten.
Am Rohstoffmarkt stehen die Zeichen auf eine Zunahme des Hochfrequenz-Handels. Mit dem Ölpreis-Crash vom 5. Mai sei vor allem der Energiemarkt ins Visier der Branche geraten, betont Louis Liu, Gründer des Hochfrequenz-Handelshauses Matrix Trading Technologies. Tabb-Analyst Rowady erwartet eine Verdoppelung der HFT-Umsätze in den kommenden zwei bis drei Jahren und warnt vor den wachsenden Gefahren: "Wenn man mit hoch komplizierten automatisierten Systemen in einem hochkomplexen Markt agiert, besteht das Risiko, dass sich nicht sämtliche Entwicklungen vorausberechnen lassen. Manchmal erkennt man ein Problem nur, wenn man darüber stolpert."
Da auch vonseiten der Börsenaufsicht derzeit keine größeren Regeländerungen zu erwarten sind, müssen sich die traditionellen Rohstoff-Händler offenbar auf die veränderten Verhältnisse einstellen. Schließlich bewegten sich auch die Hochfrequenz-Händler im Rahmen des Gesetzes, betont Tim Quast von der Unternehmensberatung ModernIR: "Sie sind nur besser und schneller als die anderen."
Reuters/cat
http://www.welt.de/finanzen/article13444539/...ash-Crashs-herauf.html