Als ehemaliger Admin eines (schon über ein Jahrzehnt lang nicht mehr bestehenden) Diskussionsforums bin ich anderer Meinung als du. In jedem Diskussionsforum hat es ein paar Teilnehmer mit auffallend hoher Postfrequenz und einer Unfähigkeit oder -willigkeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Einwänden. Solche Teilnehmer beleben ein Forum ungemein, was die Anzahl der Beiträge betrifft, weil kaum jemand die Selbstdisziplin aufbringt, sie einfach nicht zu beachten, aber sie ziehen das Niveau auch ziemlich nach unten, weil sie tieferes Schürfen im Thema alleine schon dadurch massiv erschweren, indem sie die meisten Teilnehmer damit beschäftigt halten, immer wieder von vorne mit den Basics anzufangen. Gleichzeitig macht ein halbes Dutzend solcher Trolle, die gleichzeitig zugange sind, ein lebhaft frequentiertes Forum wie dieses nahezu unleserlich, weil sie dann mehr Beiträge produzieren als alle ernsthaften Teilnehmer zusammengenommen und einen großen Teil von den letzteren dauerhaft damit beschäftigt halten, auf sie einzugehen.
Was deine Besorgnis der möglichen Folgen betrifft, wenn man so jemanden nicht ernst nimmt, gebe ich zu bedenken, daß nicht nur Anders Breivik, sondern auch eine ganze Reihe von späteren Amokläufern in den Foren, in denen sie online zugange waren, durchaus Anerkennung und Wertschätzung für ihre jeweilige Sicht der Dinge gefunden hatten, ohne daß dies ein böses Ende verhindert hat. Breivik ging ja sogar so weit, ein ungefähr tausendseitiges Manifest online zu stellen in der Annahme, dies werde die schweigende Mehrheit mobilisieren, von der er irrtümlich glaubte, sie teile sein Weltbild. Vielleicht wäre er dieser Fehleinschätzung nicht erlegen, wenn er nicht die Zustimmung in seinem politischen Onlineforum für ein Spiegelbild der Zustimmung in der richtigen Welt gehalten hätte.
Um mal aus dem Nähkästchen eines Forumsmoderators zu plaudern: Ich hatte selbst jahrelang die Telefonnummer einer ganz bestimmten Polizeiwache auf meinem Schreibtisch, weil ich mir nicht sicher war, ob einer der labileren Forumsteilnehmer in meinem damaligen Forum eines Tages etwas nicht Wiedergutzumachendes tun könnte, und hoffte, diesen Moment, in dem er endgültig überschnappt, dann noch rechtzeitig mitbekommen und das nächstgelegene Polizeirevier alarmieren zu können. Zum Glück wurde es nie nötig, das tatsächlich zu tun. Das Interessante ist, daß genau dieser Teilnehmer immer rasender zu werden schien, wenn man bei verbalen Ausrastern begütigend auf ihn einsprach, aber schlagartig wieder "normal" wurde, wenn man ihn stattdessen im Kasernenhofton zusammenstauchte.
Das Thema wäre mal einer wissenschaftlichen Untersuchung wert, und das nicht nur, weil es interessant wäre, in Onlineforen "tickende Zeitbomben" von nur nervtötenden Zeitgenossen unterscheiden zu können, sondern auch, weil es nützlich wäre, wenn Moderatoren besser mit dieser Sache umgehen lernen könnten. Aber hier haben wir ja kein politisches Thema, und Forumsbeiträge mit destruktiven Absichten jedweder Art könnten allenfalls insofern Schaden anrichten, als manche Teilnehmer vielleicht manche Mitleser zu einer unklugen Anlageentscheidung verleiten könnten. Insofern ist es aus meiner Sicht dann auch nicht nötig, sich gegenüber den Autoren als Sozialarbeiter zu betätigen. Theoretisch könnte man Trolle, die zur Sache selbst nicht viel beizusteuern haben, also einfach ignorieren; die Sachbeiträge würden dann von alleine Beachtung finden. In der Praxis ist ein Troll wie dieses Jucken an der Stelle am Rücken, an die man mit der Hand nicht hinkommt, es fällt fast jedem verflixt schwer, ihn zu ignorieren.