„Wie lange kann man sich in Europa noch erlauben zu schlafen?“
INTERVIEW: Wir sprachen mit Manfred Limbrunner, Director Sales und Marketing bei der Proton Motor Fuel Cell GmbH, über die Potenziale der Brennstoffzelle.
Herr Limbrunner, sehen Sie Bewegung in Sachen Brennstoffzelle?
Lange war es um die Brennstoffzelle ruhig, kaum ein Politiker hat sie thematisch mehr angesprochen. Besonders in diesem spezifischen Corona-Jahr mit der Verabschiedung der „Nationalen Wasserstoff-Strategie“ und dem historischen „Green Deal“ Europas zur nachhaltigen Klimaneutralität sehen wir aber deutlich, dass sich hier etwas tut. Auch große Player wie Bosch springen auf den Zug auf. Wenn wir hier nicht in die Gänge kommen, dann wird der Markt künftig aus Asien diktiert. An der Brennstoffzelle hängt eine viel größere Lieferkette als an Batteriezellen, deren Produktion ja schon nach Asien abgewandert ist. Sollte diese Lieferkette bei Brennstoffzellen in fünf bis sechs Jahren verschwunden sein, dann kaufen wir nur noch zu. Alle großen OEM in China – ob Great Wall, BAIC oder SAIC – entwickeln in Richtung Brennstoffzelle. In den nächsten fünf Jahren werden sie mit Fahrzeugen auf dem Markt sein. Von Hyon ist zu hören, dass die Lkw-Fertigung bereits in Holthausen implementiert worden ist. Auch bei der sonstigen Antriebstechnologie und der Leistungselektronik passiert in den asiatischen Ländern im Moment sehr viel. Insgesamt entwickelt sich ein großer Zuliefermarkt gerade in China. Wie lange kann man sich daher noch erlauben, hier zu schlafen?
Was macht Ihnen Hoffnungen, dass Wasserstoff und Brennstoffzelle nun endlich ihren Durchbruch erleben?
Was positiv ist, dass in Europa der Markt für stationäre Brennstoffzellenanwendungen expandiert – gerade durch das Herausfallen von Energieerzeugungsanlagen aus dem EEG. Das pusht gleichzeitig den Markt für größere Leistungen – und energieautarke Lösungen per Speichersysteme. Verlustfreie regenerative Energiespeicherung in großen Mengen ist eben nur mit Wasserstoff möglich. Anschließend kann er ins Erdgasnetz eingespeist werden, rückverstromt, verbrannt werden, oder er lässt sich mit hohem Wiederverkaufswert in automotive Anwendungen hineinbringen. So schließt sich gerade der Kreis.
Sehen Sie auch einen Markt für Brennstoffzellenanwendungen im automobilen Bereich?
Ich bin jetzt in den letzten zehn Jahren regelmäßig in China gewesen – wir haben sehr früh mit großen chinesischen Staatskonzernen gesprochen. Wir hätten auch schon längst Systeme nach China verkaufen können auch in größeren Stückzahlen, aber wir wollen nicht nur einfach liefern, sondern wenn wir in einen Markt außerhalb von Europa eintreten, dann tun wir das nur mit einem starken Partner, also einem Lizenznehmer oder strategischen Partner. An diesem Punkt unterscheiden wir uns auch von Ballard oder von der neuen Cummins-Tochter Hydrogenics, die in den chinesischen Markt hineingegangen sind. In China gibt es eine sehr hohe Förderung für Brennstoffzellensysteme. Die höchste Stufe erhält man, wenn man Systeme mit 30 kW Leistung in einem Bus verbaut. Wir haben daher von Anfang an über 30-kW-Systeme für 12-m-Busse gesprochen. Das Dieselgate ab 2017 hat uns natürlich auch weitergeholfen, ab da hat auch der deutsche und europäische Markt Fahrt aufgenommen.
Allerdings liegen die Kosten für durch Elektrolyse hergestellten Wasserstoff derzeit noch bei mindestens 11 Euro/kg …
Im Moment beträgt der Preis
9,50 Euro/kg an der Tankstelle – ein natürlich viel zu hoher Wert. Zudem ist der Wasserstoff aus Erdgas hergestellt. Norwegen ist sehr stark engagiert im Wasserstoffbereich. Was wir von da hören: Es ist möglich, in einem solchen Land mit hohem Anteil regenerativer Stromerzeugung in drei bis vier Jahren per Elektrolyse erzeugten grünen Wasserstoff für einen Preis von 4 bis 5 Euro/kg an der Tankstelle bereitzustellen. Das hängt natürlich auch von der Abnahmemenge ab. Die Prognosen unseres bayerischen Wasserstoffbündnisses „h2.bayern“, wo wir Mitglied sind, decken sich mit denen auf deutscher und europäischer Ebene. Bis 2030 sollen sich die Kosten bei
2 bis 3 Euro/kg einpendeln. Und auch in Deutschland kann man durch die aus der EEG-Anlage herausfallenden Windkraftanlagen künftig günstigen Strom für die Wasserstofferzeugung nutzen. Wenn ich diesen Strom für 3 ct/kWh einkaufe, dann ist es sicherlich in absehbarer Zeit möglich, einen Preis von 4 Euro/kg zu erzielen. Aber dafür benötige ich Abnehmer – die fehlen trotz z.B. vorhandener Wasserstofftankstellen in Deutschland im Moment.
Woran liegt das?
Der Fokus ist falsch ausgerichtet: Die großen Pkw-Brennstoffzellenflotten sind bis 2025, eher 2030 nicht da. Ein Business Case für die Wasserstofftankstellen stellt sich also auch nicht dar. Der Fokus von Proton Motor liegt daher auf die kommunalen und industriellen Fahrzeuganwendungen. Bei einem Bus mit einem Bedarf von ca. 30 kg Wasserstoff am Tag oder einem Sattelzug von ca. 40 kg am Tag und einem Fuhrpark von zehn Fahrzeugen und mehr, die täglich dieselbe Tankstelle nutzen, ist der Business Case da. So entstehen Cluster, die sich großflächig über das gesamte Land ausbreiten. Für uns heißt es daher: Back to base, zurück zu den industriellen Anwendungen. Pkw sind also nicht unser Marktfokus.
Warum ist der Bus für Sie so interessant?
Wenn man die TCO-Kosten eines Busses betrachtet, ist der Wasserstoffpreis das Entscheidende. Die Brennstoffzelle hat derzeit aufgrund geringerer Stückzahlen Nachteile bei einem spezifischen Leistungspreis – in Euro pro kg ist sie im Moment teurer als vollelektrische Anwendungen, sprich die Batterie. Aber wenn Sie das Verhältnis von Preis zu kWh, die Sie in den Bus hineinbringen können, dann hat die Brennstoffzelle dank großer Wasserstofftanks jetzt schon Vorteile. Beispiel: Bei zehn Bussen mit 30 kg Wasserstoff an Bord, dann reden wir von rund 400 Euro/kWh bereits bei Stückzahl 1 – Batterien sind in diesem Verhältnis teurer. Bei der Peakleistung hat die Batterie derzeit noch Vorteile, aber wenn wir auf Stückzahlen der Brennstoffzellen von 1.000 und mehr hochskalieren würden, dann könnte man die Kosten und Preise um rund 80 % senken. Irgendwann schneiden sich die Kostenkurve von Brennstoffzelle und Batterie. Aber für uns ist die Batterie nicht ein wirklicher Konkurrent, keine Frage des Entweder-Oder, für uns ist es ja sowieso eine Kombination.
Herr Limbrunner, vielen Dank für das Gespräch!
(Interview ist aus dem gleichen Artikel wie im Post zuvor, ganz am Ende nachzulesen - wäre in einem Post nur viel zu lang geworden)
www.busplaner.de/de/fachmagazin/...fzukunft-teil-1-48745.html