schnell oder langsam wieder aufwärts gehen wird, hat wenig mit Mentalitäten zu tun. Insofern läßt sich daraus auch nicht ableiten, ob nun der Japan-Effekt eintreten wird, oder nicht. Bekanntlich bin ich kein großer Freund der Charttechnik und ebenso kein großer Freund des Argumentationsschemas: "so wars schon immer, also wirds auch immer so bleiben."
Jeden Morgen kommt der liebe Bauer in den Stall und füttert seine Ziege und seine Ziege freut sich schon jeden Morgen darauf. Eines Morgens freut sie sich auch schon wieder, aber der Bauer kommt, um ihr die Kehle durchzuschneiden - sie hat den Gesamtzusammenhang nicht erkannt.
"Zinssenkungen sind gut, weil sie zu steigenden Aktienkursen führen und die Finanzierung von Investitionen verbilligen. Deshalb kurbeln sie die Volkswirtschaft an." - Also am besten senken wir die Zinsen nur noch: auf 2%, 0%, -8% ...
Zinssenkungen enthalten tatsächlich erstmal das Potenzial für steigende Kurse und günstige Finanzierungen: Wenn es für das Ausleihen von Kohle künftig weniger Zinsen gibt, sind die "alten" Papiere mit den hohen Kupons und die Margen der bestehenden Unternehmen erstmal attraktiv. Wer investiert ist, bleibt. Wer noch nicht investiert ist, schaut, dass er möglichst noch reinkommt, bevor die Kursanstiege die niedrigere Verzinsung umgesetzt haben. Und dann ? - Raus mit der Scheisse ! Der Mist rentiert nicht mehr, er bringt nämlich KEINE RENDITE mehr ! Schnell noch einen Blöden finden, der zu den hohen Kursen einsteigt. Dieser Folgeeffekt kann nur ausbleiben, wenn durch die Zinssenkung reale NETTOinvestitionen forciert werden, die bei noch intakter Ertragssituation der Unternehmen einen verbesserten Fremdkapitalhebel versprechen und somit den Effekt externer "Spielverderber" (z.B. die bösen Ölscheichs, die die Energiepreise treiben) kompensieren. Somit muss aber für einen Erfolg einer solchen Zinssenkungspolitik eine vernünftige Voraussetzung gegeben sein: Es muss genügend Liquidität VORHANDEN sein. Die Zinssenkung hat lediglich die Aufgabe, die "Lust" an Investitionen und langfristigem PRODUKTIVEN Engagement zu steigern und somit einem "Kapitalstreik" entgegen zu wirken.
In USA ist derzeit das Gegenteil der Fall: Es muss Liquidität von außen zufliessen, weil es daran MANGELT. Die Lquidität wird nicht gebraucht, um Nettoinvestitionen anzukurbeln, sondern um LÖCHER ZU STOPFEN. Die Party hat schon lange stattgefunden, die vielen Investitionen auch, und jetzt geht es ans RECHNUNG BEGLEICHEN. Soweit es sich dabei um Inlandsschulden amerikanischer Konsumenten und Unternehmen handelt, hat eine Zinssenkung lediglich Umverteilungscharakter: Denen, die sich übernommen haben, wird Erleichterung verschafft, auf Kosten derer, die so blöd waren, ihnen Kredit zu geben, oder auch nur so blöd sind, brav ihre Steuern zu bezahlen. Soweit es sich um Forderungen oder investiertes Kapital aus dem Ausland handelt, gelten die Zins- und Renditeerwartungen des Auslandes - hier bewirkt eine Zinssenkung höchstens die Abwanderung bzw. nicht mehr weitere Zuwanderung von Kapital. Nun könnte höchstens noch die Hoffnung greifen, dass das Ausland mit Zinssenkungen nachzieht, weil die Export-orientierten Staaten die US-Misere zu spüren bekommen - schön: dann ist im internationalen Finanzwesen wieder die Balance hergestellt, die VOR der Zinssenkung bestanden hat.
Ich erwarte also für die Zukunft folgende Varianten:
Variante 1.) Es scheppert, und zwar so gewaltig, dass die gesamte Wertillusion platzt, die hier so fein säuberlich über Jahrzehnte angehäuft wurde. Dann hat sich eben jeder damit abzufinden, dass er für seine jeweiligen Kapitalanlagen zu viel bezahlt hat, diese höchstens ein Viertel von dem wert sind, was der Betreffende dafür hingeblättert hat, und dass deshalb gegebenenfalls die Altersversorgung futsch ist. - Also Ärmel hochgekrempelt und von Vorne angefangen ! - Das wäre der heftige aber dafür ehrliche und schnelle Weg aus dem (dann natürlich sehr tiefen) Tal der Tränen. (Den DJI würden wir bei dieser Variante irgendwo in der Gegend zwischen 3000 und 4000 Punkten wiederfinden.)
Variante 2.) Zinsen runter, Renditen im A...., bei diesen Renditeerwartungen keine Lust mehr, irgendwo Kohle hineinzustecken, es sei denn, in irgendeiner Nische einer hochverzinslichen Bananenrepublik. Das wäre dann der globale Jahrzehnte-lange Japan-Effekt, der eben so lange anhalten müsste, bis über diesen Zeitraum des Renditeverzichts die Überbewertung wieder hereingespielt ist.
Die zweite Variante bahnt sich nun offensichtlich an UND sie verhindert dennoch nicht, dass es vorher kracht - nur eben nicht heftig genug, um die GESAMTE Wertillusion aufzulösen. (Meine Prognose: DJI runter bis auf einen Stand zwischen 9000 und 10000 - wobei das nun schnell gehen kann, oder auch schon drei Jahre Bärenmarkt voraussetzt - und dann mindestens 20 Jahre zermürbende Langeweile ...)
Good Trades
Bronco