Schwellenländer
Chinas Aktienrally ist auf Kredite gebaut
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Chinas rätselhafte Börse
Chinas rätselhafte Börse
20. Februar 2009 Wer in der Krise Geld verdienen wollte, der musste das, was ihm noch geblieben ist, nach China tragen. Ausgerechnet China, dessen Export dramatisch schrumpft und dessen Wachstum so schwach ist wie seit Dekaden nicht mehr, hat derzeit den erfolgreichsten Aktienmarkt der Welt.
Denn seit Jahresbeginn sind die Kurse an den beiden Börsen in Schanghai und Shenzhen um rund ein Viertel gestiegen. Es ist eine Wiedergeburt - denn noch im vergangenen Jahr zählte China zu den schlechtesten Märkten der Welt. Während die gesamtwirtschaftliche Leistung auch in China rapide abnimmt, hat die gesamte Marktkapitalisierung Chinas seit November um knapp 40 Prozent zugelegt.
Chinas Börsen sind sehr volatil
„Der Anstieg überrascht mich nicht. Aufgrund ihrer Sparrate sitzen die Chinesen auf einem Berg von Bargeld, und das sucht nach Anlagemöglichkeiten“, sagt Richard Jones, der gerade für den Fondsmanager DWS in Singapur einen Asien-Fonds auflegt. Allerdings sei der Markt schon immer extrem volatil gewesen - und damit riskant. Unter den 24 Asien-Werten des neuen Fonds sind zwar auch einige aus China. „Die aber kaufe ich nur in Hongkong. Dort herrschen ganz andere Regeln und Voraussetzungen. Es ist einfach sicherer, dort zu investieren“, sagt Jones. Auf seiner Einkaufsliste stehen etwa Klassiker wie das Konglomerat Cheung Kong, geführt von Hongkongs reichstem Geschäftsmann Li Ka-shing, der Technikhersteller Vtech oder das Handelshaus Jardine Matheson. Sie alle halten Jones und seine Leute für krass unterbewertet. „Mit solchen Werten spielen wir die China-Chance, ohne direkt in den Markt dort gehen zu müssen“, sagt Jones.
Den Chinesen selber aber bleibt nichts anderes, als vor Ort zu investieren. Und seit Januar tun sie es wieder. Dabei blicken sie vor allem auf die Versuche ihrer Regierung, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zu stabilisieren. Die indes sind schwer einzuschätzen: Chinas Regierung und einige Analysten erwarten, dass Asiens zweitgrößte Volkswirtschaft auch in diesem Jahr noch 8 Prozent wachsen werde. Der Internationale Währungsfonds hingegen rechnet nur noch mit 6,7 Prozent, skeptische Analysten gehen gar von einer Fünf vor dem Komma aus. Dreh- und Angelpunkt der Prognosen ist die Wirkung des großen Konjunkturpaketes von insgesamt 4 Billionen Yuan (rund 460 Milliarden Euro) der chinesischen Regierung. Fast jeder Wirtschaftszweig werde - so ist es zumindest versprochen - davon profitieren. Auch die kurzfristig steigende Nachfrage nach Rohstoffen weist in dieselbe Richtung. Kurz gesagt: Chinas Aktionäre spielen einmal mehr die Karte Peking. „China verfügt über viel Munition, die Wirtschaft zu stärken“, heißt es denn auch bei BNP Paribas. Auch hat Peking in der Vergangenheit des öfteren direkt in den Markt eingegriffen, um die Kurse zu stützen - und werde dies erneut tun, glauben Chinas Aktionäre.
Unternehmen spekulieren an der Börse um ihre Rendite zu steigern
Ein zweiter Indikator, der freilich nur auf den ersten Blick Mut macht, ist die Kreditsumme. Sie stieg von 772 Milliarden Yuan im Dezember sprunghaft auf 1,6 Billionen Yuan im Januar. Der Löwenanteil davon fließt, so hofft Peking mit den Erleichterungen der Kreditvergabe, in den Aufbau von Unternehmen. Angesichts der in China verbreiteten Mentalität des Wettens an der Börse dürfte allerdings ein gehöriger Teil des Geldes auch in Spekulationen auf dem Immobilien- und dem Aktienmarkt gegangen sein. Chinesische Analysten berichten, Unternehmen, denen der Gewinn schmelze, nutzten ihre Kreditgelder, um mit Spekulationen am Aktienmarkt ihre Rendite zu steigern. Stimmt dies, ist das Platzen einer weiteren Blase vorgezeichnet.
Die Chinesen selber aber stehen nicht allein dar. Nach Berechnungen der Citibank haben ausländische Investoren seit Jahresbeginn netto für fast 450 Millionen Dollar Aktien in China gekauft. Allein in der vergangenen Woche, als die Rally weiter voranschritt, seien 100 Millionen Dollar über die Chinesische Mauer geflossen. Interessant ist dabei einmal mehr die unterschiedliche Entwicklung der Märkte in Festland-China im Vergleich zur Börse Hongkong. Zwar werden in der chinesischen Sonderverwaltungsregion eine ganze Reihe von chinesischen Schwergewichten gehandelt, doch bleibt der Hang-Seng-Index einmal mehr weit hinter der Entwicklung des innerchinesischen Marktes. Während China 24 Prozent stieg, verlor Hongkong gut 10 Prozent an Wert.
Analysten schätzen, der Markt in China sei nun für dieselben Aktien (A-Aktien) rund 60 Prozent teurer als derjenige in Hongkong (H-Aktien). Die durchschnittliche Differenz der vergangenen Jahre aber liegt bei 31 Prozent. Auf Dauer wird es also zu einer Anpassung kommen - die könnte zunächst zwar eine Rally für Hongkong bedeuten, auf lange Sicht aber nur zu Lasten der innerchinesischen Aktien laufen. „Wir ziehen die H-Aktien den A-Aktien vor. A-Aktien, die bis zu 30 Prozent teurer sind als ihre korrespondierenden Aktien in Hongkong, sind wohl noch sicher. Aber Investoren sollten sehr vorsichtig sein, wenn A-Aktien mehr als 70 Prozent über dem Preis derselben H-Aktien gehandelt werden“, warnt Vincent Chan von Credit Suisse.
Text: che., F.A.Z.
Bildmaterial: FAZ.NET, REUTERS
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