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Marktkommentar: Robert M. Almeida (MFS): Was der Kapitalzyklus 2024 bewirken könnte

Mittwoch, 13.12.2023 12:45 von Asset Standard - Aufrufe: 139

Foto: www.assetstandard.de

Was bringt das neue Jahr? Der Kapitalzyklus sorgt für Fortschritt, aber auch für Übertreibungen und Ineffizienzen.

05.12.2023 -

Im Überblick

  • Der Kapitalzyklus sorgt für Fortschritt, aber auch für Übertreibungen und Ineffizienzen.
  • Die derzeitigen Risiken vieler Technologieunternehmen kann man umgehen. Aber die Investoren haben anderes im Kopf.
  • Nicht alle Branchen sind so spannend wie Technologie und KI. Unternehmen aus Branchen mit Angebotsengpässen, hohen Markteintrittsschranken und wenig Wettbewerb können geduldigen Investoren aber hohen Mehrertrag bieten. Sie stellen ordentliche Gewinne in Aussicht, während glamourösere Unternehmen vielleicht enttäuschen.

Im Leben, und ganz sicher in der Wirtschaft und im Finanzsektor, können Emotionen rationale Entscheidungen erschweren. Das Verhalten der Anderen kann einen Herdentrieb auslösen, oft mit überraschenden Ergebnissen. Unternehmer und Investoren fühlen sich stets zu ertragsstarken Investments hingezogen und von ertragsschwachen abgestoßen. Die höhere Attraktivität der voraussichtlich ertragreicheren Anlagemöglichkeiten ist der Motor des Kapitalzyklus. Oft führt sie aber auch zu Übertreibungen, in der Wirtschaft wie an den Märkten.

Zwei Paradebeispiele sind der britische Eisenbahnboom in den 1840ern und der Internet-boom in den 1990ern. Die Finanzierung der neuen Technologien erforderte enorm viel Kapital. Investmentbanken, gewissermaßen der Schmierstoff des Kapitalzyklus, brachten kapitalhungrige Kreditnehmer und ertragshungrige Sparer zusammen. Die Entwicklung nahm ihren Lauf.

Denn mit den Investitionen ist der Kapitalzyklus selten zu Ende. Investitionen führen zu weiteren Investitionen, weil immer mehr Kreditnehmer und Investoren die neuen Technologien entdecken und den Markt überschwemmen. Investmentbanker, angelockt durch kurzfristige Provisionen, vergessen die langfristigen Ertragsperspektiven ihrer Kunden und stellen auch Nachzüglern reichlich Liquidität zur Verfügung. Wenn aber Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht geraten, reagieren die Preise. Durch den Bau zu vieler Eisenbahnlinien und zu hohe Investitionen in Netzwerktechnik und Glasfaserkabel war das Angebot schließlich größer als die Nachfrage. Kurse und Erträge brachen ein. Da Wertpapierkurse letztlich von der Kapitalrendite abhängen, fielen Aktien und Anleihen rasch. Die Rezession begann.

Rezessionen korrigieren Übertreibungen an den Märkten. Unternehmen konsolidieren sich und das Angebot an Gütern und Dienstleistungen geht zurück. Aber auch hier kann der Kapitalzyklus übertreiben, sodass das Angebot am Ende nicht reicht und die Erträge kräftig steigen. Irgendwann finden Angebot und Nachfrage zum Gleichgewicht zurück. Dann entsprechen die Kapitalerträge wieder dem wirtschaftlichen Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung.

Der Kapitalzyklus kann also für Fortschritt sorgen, aber auch für Übertreibungen und Ineffizienzen in der Wirtschaft und an den Märkten. Lassen Sie uns untersuchen, warum das gerade jetzt so wichtig ist.

Was bringt 2024?

Nach dem Inflations- und Zinsschock von 2022 achteten Investoren 2023 vor allem auf Verbraucher-preise und Geldpolitik. Es könnte aber sein, dass sie sich mit den falschen Themen befasst haben.

Menschen neigen dazu, die jüngste Vergangenheit zu extrapolieren, vor allem bei so außergewöhn-lichen Entwicklungen wie 2022. Ich will die Bedeutung von Inflation und Zinsen nicht kleinreden. Doch wenn man sich davon zu sehr ablenken lässt, übersieht man vielleicht die Risiken und Chancen des laufenden Kapitalzyklus.

Lassen Sie uns daher, bevor wir in die Zukunft sehen, einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Nicht zuletzt wegen der seit Jahren künstlich niedrigen Zinsen hatten Technologieunternehmen, vor allem Softwarefirmen, Zugriff auf riesige Mengen an Kapital.

Für Laien wie mich ist ein Programmcode einfach nur Software: eine Liste von Befehlen, mit der man Geld verdienen kann. Und Künstliche Intelligenz ist eine Software, die vielleicht einen Quantensprung ermöglicht. Schon seit Jahren wird daran gearbeitet, doch erst Ende 2022 explodierte das Interesse und KI wurde Teil des Mainstreams. Seitdem wollen uns die meisten Technologiefirmen glauben machen, dass man vor allem an ihrer KI viel verdienen kann. Aber ist das angesichts des Kapitalzyklus wirklich wahrscheinlich?

Weil die hohen Ertragsversprechen der neuen Softwarefirmen für enorme Investitionen sorgten, kamen unzählige neue Programme an den Markt. Wohin das Geld fließt, sieht man an den Börsen sehr gut. Hier sind die Aktienkurse die Währung. Die enormen Kursgewinne einiger bekannter, hoch kapitalisierter Technologieaktien zeigen, dass hier das Kapital hinströmt. Die Geschichte der Kapitalzyklen lehrt uns aber, dass es diesmal kaum anders kommen wird als nach früheren Übertreibungen.

Ich will das enorme wirtschaftliche und finanzielle Potenzial der KI keineswegs herunterspielen. Ich wehre mich aber gegen die Vorstellung, dass man mit den etablierten Firmen enorme Kapitalerträge erwirtschaften kann und dass sie gegen neue Wettbewerber und Ideen immun sind. Doch genau das signalisieren die hohen Aktienkurse. Dabei könnten Investoren die derzeitigen Risiken vieler Technologieunternehmen durchaus umgehen. Aber sie haben anderes im Kopf.

Wo sind die Chancen?

Chancen sehen wir in Branchen mit Angebotsengpässen, denen nur wenig Wettbewerb droht. Dann spricht wenig gegen attraktive, überdurchschnittliche Erträge, ermöglicht durch hohe Markteintrittsschranken und einer entsprechend geringen Konkurrenz durch neue Anbieter.

Interessant können beispielsweise Zulieferer großer Industrieunternehmen sein. Voraussetzung ist, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen unverzichtbar, nur schwer kopierbar und nicht allzu teuer sind. Solche Firmen finden sich – nicht nur heute, sondern auch in früheren Kapitalzyklen – etwa unter Zulieferern für Life Sciences, die Wohnimmobilienbranche und den Automobilsektor.

  • Weil die Entwicklung neuer Medikamente teuer und langwierig ist, schätzen Kunden aus dem Life-Science-Sektor Qualität und eine sehr präzise Produktion. Ein Wechsel zu einem anderen Zulieferer ist dann unwahrscheinlich. Entsprechend dauerhaft und stabil sind die Erträge, entsprechend hoch sind die Margen.
  • Der Wohnimmobiliensektor ist zwar konjunktursensitiv, doch ist ein Haus oft der wertvollste Besitz einer Familie. Man muss ihn erhalten und regelmäßig in das Objekt investieren. Deshalb erwirtschaften viele Hersteller von Isolierungsmaterial, Farbe, Türen, Einbauschränken und Dächern überdurchschnittliche Erträge über den gesamten Konjunkturzyklus. Hinzu kommen ihre starken Marken und die engen Beziehungen zu Baufirmen und Baumärkten.
  • Der Automarkt ist schon vor Jahrzehnten gereift und ebenfalls sehr konjunktursensitiv. Elektrofahrzeuge könnten die Gewinne der klassischen Hersteller bedrohen, erfordern aber auch hohe Investitionen in Fabriken. Automobilzulieferer, eine der attraktivsten Investitionsgüterbranchen, sind hingegen weniger wettbewerbsintensiv. Wer Autoelektrik, Glasfaserstecker und Sensoren herstellt, seit Jahren Innovationen an den Markt bringt und langjährige Beziehungen zu den Automobilherstellern unterhält, kann sich über hohe Markteintrittsschranken und Erträge freuen.
  • Eine weitere Chance sind Industriegase. Auch hier hält sich der Wettbewerb in Grenzen. Die Branche konsolidiert sich, die Preisdisziplin ist hoch, die Kunden sind vielfältig. Üblich sind langfristige Verträge mit Unternehmen des Vertrauens. Hinzu kommen strukturelle Entwicklungen wie die wachsende Nachfrage des Gesundheitssektors, die Energiewende und die Dekarbonisierung.
  • Mehr als ein Jahrhundert seit dem Ende des Eisenbahnbooms und der anschließenden Konsolidierung besteht der Bahnsektor heute aus Unternehmen mit überdurchschnittlichen Erträgen. Weil die Bahn beim Rohstofftransport vermutlich unschlagbar ist, hatten Eisenbahn-unternehmen viel Preismacht und können Preissteigerungen über der Inflationsrate durch-setzen. Ihre Endmärkte sind gut diversifiziert, sodass Absatzeinbrüche infolge überraschender Einzelentwicklungen unwahrscheinlich sind.

Und das ist längst nicht alles. Nicht alle Branchen sind so spannend wie Technologie oder KI, können aber geduldigen Investoren hohen Mehrertrag bieten. Sie stellen hohe Gewinne in Aussicht, während glamourösere Unternehmen vielleicht enttäuschen.

Fazit

Niemand hat eine Glaskugel. Fest steht aber, dass die Wertpapierkurse auf Dauer von den Kapital-erträgen abhängen. Die Geschichte lehrt uns, dass ertragsstarke Branchen Kapital, aber auch Wettbewerber anlocken, sodass die Erträge irgendwann wieder fallen. Der Kapitalzyklus geht immer weiter, und er sorgt immer wieder für neue Übertreibungen, aber auch für Chancen. Die Ineffizienzen des laufenden Zyklus wurden vielleicht dadurch verstärkt, dass Investoren fast nichts anders als Zinsen im Kopf hatten.

Unterdessen ist der Marktanteil passiver Anlagestrategien in den letzten 15 Jahren stark gestiegen, vor allem, weil viele aktive Manager kaum Mehrwert schufen. Ich glaube, dass der Erfolg passiver Strategien die Ausschläge des Kapitalzyklus verstärkt. Passive Portfolios orientieren sich an der Vergangenheit. Sie investieren da, wo schon viel investiert wurde – und nicht da, wo in Zukunft viel investiert werden wird. Geduldige, fundamental orientierte Investoren handeln anders: Sie ignorieren die Vergangenheit nicht, aber investieren in die Zukunft. Sie investieren da, wo Erträge entstehen werden, und nicht da, wo sie schon entstanden sind.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse an Strategie aktuell und wünsche Ihnen ein gutes Neues Jahr!


Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf eines Wertpapiers oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.

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