Folgen der Zinswende: Tech-Rallye trotz Zinserhöhung? Bewertungen auf "kritischem Niveau"

Nach der kürzlich eingeläuteten Zinswende hatten Beobachter mit Rückschlägen bei großen Tech-Aktien gerechnet. Stattdessen hat der Nasdaq in den letzten zehn Tagen rund zwölf Prozent gewonnen.

Jahrelang hatte die Tech-Branche vom Niedrigzinsumfeld profitiert. Während Anleihen kaum noch Rendite abwarfen, investierten Anleger immer mehr Geld in den hochbewerteten Sektor. Diese Anlage-Alternativlosigkeit scheint sich langsam aufzulösen, die Renditen von US-Staatsanleihen steigen wieder stärker.

Dass die Tech-Kurse trotz steigender Zinsen weiter klettern, ist für DZ-Bank-Analyst Sven Streibel ein beunruhigendes Zeichen. "Das nun wieder ausgeweitete Bewertungsniveau von US-Tech ist wegen stark angestiegener Anleiherenditen (Opportunitätskosten) instabil und hat ein historisch kritisches Niveau erreicht."

Denn: Auch wenn das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Nasdaq-Konzerne deutlich unter dem Niveau vom Jahresanfang liegt, steht die Bewertung im Verhältnis zu den "risikofreien" US-Bonds auf einem Mehrjahreshoch, rechnet der Analyst vor. Eine ähnliche Konstellation habe es zuletzt im Jahr 2018 gegeben. Für die Aktienmärkte folgte damals eine heftige Korrektur. "Die damals erreichte Aktienbewertung in Relation zu zehnjährigen US-Staatsanleiherenditen sehen wir daher als kritische Schwelle an", schreibt Streibel.

Die jüngsten Kursanstiege seien alleine vom Anleger-Sentiment getrieben, ohne nennenswerte Veränderungen beim Gewinnwachstum. Eine Entwicklung, die den Analysten "nachdenklich" stimme. Aktienbewertungen könnten "bis an die Grenze" strapaziert werden.

Die Analysten würden den Sektor weiter "sehr gut beobachten", denn die hohen Kurse müssten auch im Kontext des "Gesamtmarktrisikos" bewertet werden. Nach wie vor könne "die ungebrochene Ertragsstärke der Technologiefirmen gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten ein Stabilisator im Portfolio" sein.

Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion