Krise in der Ukraine: Schachmatt für den Aufschwung?
Nach der Entscheidung von Staatschef Viktor Juschtschenko, das Parlament aufzulösen, steckt die Ukraine in der Krise. Dabei war das Land gerade erst von ausländischen Investoren entdeckt worden. Warum Anleger die Ruhe bewahren sollten.
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Juschtschenko hatte das Parlament Anfang April per Erlass für aufgelöst erklärt, nachdem elf Abgeordnete aus seinem Lager zu seinem langjährigen Widersacher, Regierungschef Viktor Janukowitsch, übergelaufen waren. Die Parlamentsmehrheit hatte den Auflösungserlass darauf umgehend als verfassungswidrig bezeichnet und das Verfassungsgericht angerufen.
Auf Vermittlung des früheren polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski scheint sich aber jetzt eine Lösung des Machtkampfes abzuzeichnen: Juschtschenko erklärte sich bereit, seine umstrittene Entscheidung zunächst auszusetzen. Damit könne das Parlament weiterarbeiten, heißt es.
Ob damit allerdings die innenpolitischen Turbulenzen wirklich überwunden sind, ist fraglich. Die Gräben zwischen dem liberalen Lager um Präsident Juschtschenko und der "blauen" Parlamentsmehrheit um Premier Janukowitsch scheinen unüberbrückbar, die politischen Ziele sind nicht miteinander vereinbar.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei auch Julia Timoschenko. Russische Medien geißelten Timoschenko bereits als die eigentliche Drahtzieherin der Krise, die "eine zügellose Energie und eine pathologische Machtgier" aufweise. Angeblich soll sie mit Juschtschenkos Partei "Unsere Ukraine" ein Abkommen über die Verteilung der Regierungsposten ausgehend von den Parlamentsergebnissen nach einer Neuwahl geschlossen haben.
>> Kinderkrankheiten einer jungen Demokratie
Letztlich könnten Neuwahlen tatsächlich der einzige Ausweg aus der aktuellen politischen Pattsituation sein, die nicht nur die Reputation der politischen Klasse in der Ukraine unterminiert, sondern auch den wirtschaftlichen Aufschwung infrage stellt. Noch wiegeln Experten ab: So weit sei es noch lange nicht. Die Konjunktur des Schwellenlandes sei überaus robust, heißt es z. B. bei der österreichischen Raiffeisenbank. Auch am Devisenmarkt, wo die Landeswährung Hriwna eher zur Stärke neigt, wird nicht mit neuen bzw. größeren Verwerfungen gerechnet. Und die Ratingagentur Fitch beschwichtigte, die Krise sei überwindbar. Allerdings dürfe keine Zeit verloren werden.
Politische Beobachter verweisen in ihren Analysen immer wieder auf "Kinderkrankheiten" einer jungen Demokratie, die eigentlich nicht überraschend kämen, ohne dass man sie auf die leichte Schulter nehmen sollte. Viele (keineswegs aber alle) Fondsmanager zeigen sich weiterhin optimistisch und halten die Ukraine trotz der fehlenden Konvergenzstory (eine EU-Aufnahme ist in den nächsten fünf Jahren wohl eher unrealistisch) für mindestens ebenso attraktiv wie z. B. Bulgarien oder Rumänien.
Tatsächlich hat sich das Land seit der "orangenen Revolution" in vielerlei Hinsicht zum Positiven gewandelt. Der 50-Millionen-Einwohner-Staat, einst der Hightech-Standort der ehemaligen Sowjetunion, verfügt inzwischen über ein relativ liberales Steuersystem, eine wachsende, konsumfreudige Mittelschicht (nicht zu vergleichen mit indischen Verhältnissen, aber durchaus bemerkenswert) und gehört darüber hinaus zu den rohstoffreichsten Ländern Europas. Riesig sind die Vorkommen an Uran, Kohle, Blei sowie Edelsteinen. Dazu kommt eine stetig wachsende Stahl-, Porzellan-, Chemie- und Steingutindustrie. Und ganz "nebenbei" hat sich die Ukraine in den letzten zwei Jahren auch noch zum weltweit fünftgrößten Exporteur von Weizen gemausert.
In den nächsten Jahren rechnen Volkswirte mit einem überdurchschnittlichen Wachstum der ukrainischen Wirtschaft. Die Schätzungen bewegen sich um die fünf bis sieben Prozent pro Jahr. Die WTO-Mitgliedschaft der Ukraine scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die damit verbundene Rechtssicherheit bzw. der Wegfall der Importzölle für Stahl und andere Produkte würde weiteren Auftrieb für die konjunkturelle Entwicklung bedeuten. Vor allem die Hauptstadt Kiew hat die wirtschaftliche Dynamik bereits voll erfasst. Ablesen lässt sich das u.a. an den Immobilienpreisen. Der Quadratmeter einer Wohnung in durchschnittlicher Lage kostet 1500 US-Dollar.
>> Weitere Privatisierungen geplant
Und auch die Börse wurde für ausländische Anleger zuletzt interessanter: Mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) von rund elf weist der Aktienmarkt ein attraktives Bewertungsniveau auf. Aber: Pro Tag werden allerdings nur fünf bis zehn Millionen Euro an der Börse gehandelt. Etwa die gleiche Summe fließt über den OTC-Handel an der Börse vorbei. Auch die Marktkapitalisierung vieler Titel ist noch viel zu niedrig, als dass sie ernsthaft zur Auswahl stehen könnten. Lediglich bei 100 Unternehmen lohnt sich ein zweiter Blick auf die Fundamentaldaten.
Als Blue Chip mit relativ guten Perspektiven wird der Öl- und Gaskonzern Ukrnafta (WKN
920564) auch in Deutschland gehandelt. Ebenfalls auf den Kauflisten von Investoren steht der Festnetzbetreiber UkrTelecom (WKN
A0B89V), für den sich zuletzt auch das russische Telekom-Unternehmen Comstar United Telesystems interessierte. Bis 2009 will die Regierung der Ukraine weitere rund 550 (!) Unternehmen privatisieren und an die Börse bringen.
Fazit: Volkswirtschaftlich gesehen läuft es in der Ukraine rund und die Konjunktur hat sich in den immer mal wieder auftretenden politischen Krisen als äußerst widerstandsfähig erwiesen. Dennoch darf das Risiko eines nachhaltigen Einbruchs nicht unterschätzt werden. Dazu droht Ärger mit dem großen Nachbarn: Kraftprotz Russland sieht mit Argwohn, wie sich die Ukraine immer weiter an den Westen bindet. 2003 wurde die Mitgliedschaft in die Nato zum Ziel der Kiewer Außenpolitik deklariert. Vor allem für Janukowitsch und seine Anhänger, die von oligarchischen Clans der mit Russland sympathisierenden Ostukraine unterstützt werden, ist das unannehmbar. Auch das gilt es für Anleger, die sich für den ukrainischen Aktienmarkt interessieren, zu bedenken.
Wer dennoch einen kleinen Teil seines Vermögens investieren will, sollte in der jetzigen Situation, statt auf Einzeltitel zu setzen, lieber einen Fonds wählen. Die Auswahl ist allerdings begrenzt. Infrage kommt der "Berenberg-Emerging-Ukraine-Universal-Fonds" (WKN
A0LER3), der nah am Index investiert. Die 14 Titel, die im Landesindex PFTS zu finden sind, finden sich alle auch im Fonds wieder.
Quelle:
www.yeald.de/Yeald/a/65081/...542E22ECDEFB1EDBAAA63593A3F313E4