Rückzug der Politik stärkt Italiens Mafia

Beiträge: 2
Zugriffe: 185 / Heute: 1
Rückzug der Politik stärkt Italiens Mafia schnee
schnee:

Rückzug der Politik stärkt Italiens Mafia

 
22.05.02 20:33
#1
Rückzug der Politik stärkt Italiens Mafia
Von Thomas Fromm, Mailand

Zehn Jahre nach dem Mord an dem Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone werfen Kritiker der italienischen Regierung vor, sie habe den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität weitgehend aufgegeben. Inzwischen geht es der Cosa Nostra prächtig.

"Unsere Aufmerksamkeit gegenüber der Mafia ist gefährlich niedrig geworden", moniert der Fraktionsführer der Linksdemokraten im italienischen Parlament, Luciano Violante. Zwar habe man in den vergangenen Jahren nur wenig von der Mafia gehört - doch dies sei kein Zeichen dafür, dass die Clans besiegt seien. "Die Mafia muss man sich zyklisch vorstellen. Zur Zeit ist es still um sie, weil es ihr gut geht, sie ihr Geld verdient und keine großen Repressalien zu befürchten hat", argumentiert der Mailänder Publizist Giorgio Bocca. "Die Tatsache, dass die Mafia ruhig ist, sollte uns beunruhigen".

Längst sei sie von ihrer Attentatsstrategie abgerückt: Aktionen wie am 23. Mai 1992, bei der die Mafia ihren Erzfeind Giovanni Falcone, dessen Frau und seine Leibwächter mit einer 700-Kilogramm-Bombe auf der Autobahn bei Palermo in die Luft sprengte, seien heute kaum noch zu erwarten.



Einfluss auf die Wirtschaft


Dass Italiens Politiker pünktlich zum zehnten Jahrestag der Ermordung des populärsten Anti-Mafia-Richters über die Organisierte Kriminalität streiten, hat gute Gründe: Die Mafia, deren Umsatz rund 15 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen soll, hat in den vergangenen Jahren an Einfluss in der Wirtschaft gewonnen und soll dem Staat jährlich Steuereinnahmeverluste in Milliardenhöhe bescheren. Verdeckte Börsentransaktionen, Investitionen in Immobiliengeschäften in lukrativen Zentren wie Mailand und Rom und Unternehmensbeteiligungen dienen dazu, im Drogen- und Prostitutionsgeschäft erwirtschaftete Gelder zu waschen.


"Wir stehen mit unserer Justizpolitik ganz in der Tradition Falcones", behauptete Ministerpräsident Silvio Berlusconi selbstbewusst im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für Falcone. Doch nur wenige nahmen das Selbstlob des Regierungschefs wirklich ernst. "Schade, dass man in Italien erst dann beginnt, gut über Richter zu sprechen, wenn sie schon tot sind und einem nicht mehr gefährlich werden können", kritisierte der frühere Chefermittler aus Palermo, Giancarlo Caselli.


Seine Anspielung kommt nicht von ungefähr: Seit dem Wahlsieg Berlusconis im Mai vergangenen Jahres führt der Regierungschef, der sich selbst unter anderem wegen Korruption vor Gericht verantworten muss, einen unerbittlichen Kampf gegen die italienische Judikative. Einschlägige Gesetzesreformen wie die Aussetzung eines Rechtshilfeabkommens mit der Schweiz, die Abmilderung des Deliktes der Bilanzfälschung sowie der Widerstand Italiens gegen den EU-Haftbefehl haben nach Meinung der Opposition vor allem die Organisierte Kriminalität begünstigt.



Organisiertes Verbrechen


Beim geplanten Ausbau der Infrastrukturen in Süditalien, bei dem bis zum Jahre 2004 dieser Landesteil in eine einzige Baustelle verwandelt werden soll, könnten vor allem der Mafia nahe stehende Bauunternehmer mit Aufträgen bedacht werden. Schon als sich die Stadt Palermo vor anderthalb Jahren für die internationale Anti-Mafia-Konferenz der Vereinten Nationen rüstete, verdiente die Mafia reichlich an der Initiative zu ihrer Bekämpfung.


Die Bauaufträge im Wert von rund 40 Mio. Euro seien an "alte Bekannte der Cosa Nostra" gegangen, hieß es später. Wundern durfte dies niemanden: Selbst das Gebäude der örtlichen Anti-Mafia-Kommission wurde von Baufirmen der Paten errichtet.


Zehn Jahre nach dem Mord an Falcone, auf den 50 Tage später der Mord an seinem Richterkollegen Paolo Borsellino folgte, droht Italien bei der Mafia-Bekämpfung auf der Stelle zu treten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Falcone-Mörder Giovanni Brusca, genant "der Schlächter", schon seit Jahren hinter Schloss und Riegel ist.


Der Killer, der unter anderem den Sohn eines Mafia-Aussteigers ermordet und den Leichnam in einem Säurebad aufgelöst hatte, bot der Justiz schließlich selbst die Zusammenarbeit an, in der Hoffnung auf Hafterleichterungen. Solche Zugeständnisse im Tausch gegen tatsächliche oder vermeintliche Insiderberichte aus Cosa-Nostra-Kreisen halten die Hinterbliebenen von Mafia-Opfern schlicht für "unmoralisch".


Viel weitergebracht haben die Informationen der "Pentiti", der Mafia-Überläufer, die Behörden in der Vergangenheit ohnehin nicht. Kurz vor seinem Tod vertraute sich Falcone einem befreundeten Ermittler an: "Ich bin immer wieder entsetzt darüber, wie perfekt die Mafia im Gegensatz zu unserem italienischen Staat organisiert ist", sagte er. Er sollte Recht behalten.

Rückzug der Politik stärkt Italiens Mafia Schnorrer

Das Problem ist: die Mafia hat heute in Süditalien

 
#2
mehr Unterstützung in der Bevölkerung als vor 10 Jahren oder früher. Grund: Arbeitslosigkeit und Verelendung.

Die Mafia hat erkannt, daß sie keinen bewaffneten Kampf für ihre Interessen gewinnnen kann. Sie haben sich einfach als "Arbeitgeber" (= Korruptionsaufträge) zurückgezogen.

Die Stimmung ist inzwischen so mies, die Leute "rufen" förmlich wieder nach alten Verhältnissen.


Börsenforum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--