hat sich einen Web-Auftritt geschaffen, der sagenhaft ist: was ich bei Robert Kurz so schätze (und ich lese seit mehr als 10 Jahren dieses Heft und auch seine, jeweils unmittelbar bevorstehenden Kollapsszenarien): er HAT SICH IMMER GEIRRT ... ein absoluter Kontraindikator. Das Schlimmste sollte also ausgestanden sein ....
Hier der Link und ein Auszug aus der neuesten, doch umfangreichen Web-Präsentaion, natürlich nur für Interessierte:
www.nadir.org/nadir/archiv/...scheStroemungen/krise/node5.html
... Daß auch der Westen in der Krise ist, war schon vor dem Zusammenbruch des Staatssozialismus nicht gänzlich aus der Welt. Seit Anfang der achtziger Jahre ist das Stichwort von der Krise der Arbeitsgesellschaft auch im Westen aufgetaucht. Ich kann mich genau erinnern, wie besorgniserregend es war, als in Deutschland Anfang der achtziger Jahre die Arbeitslosigkeit erstmals die Millionengrenze überschritt. Heute wäre das schon wieder eine Erfolgsmeldung; damals hat man sich gefürchtet, es wurden sogar Stimmen laut, ob der Osten vielleicht doch die bessere Systemalternative sei. Sogar das gab es damals noch. Und dann kam dieser große Zusammenbruch. Das ganze System im Osten hat sich wie eine Mumie in Staub aufgelöst, und in der Folge hat man die eigene Krise erst mal ein bißchen verdrängt und vergessen, obwohl ja die sozialen Prozesse, die damit verbunden waren, die Massenarbeitslosigkeit und neue Armut, immer noch da waren. Schon zehn Jahre vorher sind in großen Teilen der Dritten Welt ganze Nationalökonomien zusammengebrochen. Die Misere Afrikas fing damals an, in Lateinamerika begann die Epoche der Hyperinflation und der Deindustrialisierung. Das verlorene Jahrzehnt, wie es dann Ende der achtziger Jahre genannt wurde. Man hat es also erst mal verdrängt und den Zusammenbruch des vermeintlichen Gegensystems zum Anlaß genommen, sich etwas in die Tasche zu lügen.
Damit verknüpft wurde die Erwartung, daß sich mit der Öffnung des Ostens wunderbare neue Märkte auftun würden, ein neuer Akkumulationsschub des Kapitals wie nach dem Zweiten Weltkrieg zu erwarten sei und der Westen seine Krise gerade mit dem Zusammenbruch des Ostens lösen könne. Mittlerweile sind wir nahezu eine halbe Dekade weiter, und es zeigt sich immer deutlicher, daß diese Hoffnungen Trugbilder sind, die man sich aus dem Kopf schlagen kann. Im Gegenteil: Nicht nur kehrt die Krise in den Westen zurück (streng genommen war sie ja nie weg), sie wird auch in ihrem Ausmaß immer deutlicher erkennbar. Die Rückkoppelungsprozesse aus den Zusammenbrüchen im Osten ereilen auch uns allmählich, es kommt also eher Negatives aus diesen Zusammenbruchsregionen auf die westliche Ordnung zu. Das läßt sich in verschiedene Richtungen ausleuchten.
Ein Aspekt dabei ist sicherlich, daß die Krise im Osten »Flüchtlingsströme«, Arbeitsimmigration, neue Formen von Massenkriminalität hervorbringt - früher hatten wir die Mafia nur im Süden, jetzt haben wir sie auch im Osten -, die unter anderem Anlaß für rassistische Reaktionen in der westlichen und gerade auch in der deutschen Bevölkerung sind. Das sind Erscheinungen dieser Krise, die sich mit ihrem Andauern fortsetzen werden. Wesentlich ist, daß sich die Hoffnung auf die neuen Märkte nicht erfüllt hat und daß, so paradox es vom Standpunkt der alten Kapitalismuskritik auch klingen mag, diese riesigen Massen im Osten für das westliche Kapital größtenteils nicht ausbeutungsfähig sind. Auf jeden Fall haben die großen Investitionsströme nach Osten bis jetzt nicht stattgefunden. Es gibt auch keine erkennbaren Tendenzen oder Absichten, diese geöffneten und sozusagen wehrlosen riesigen Regionen in einer anderen Weise zu annektieren, sie sich anzueignen, unter den Nagel zu reißen - sie stellen die verbrannte Erde der Marktwirtschaft oder der Modernisierung dar, und der Westen weiÿSMB€adt anfangen soll. Der Osten jagt ihm wieder Angst ein, vielleicht sogar stärker als zu Zeiten der alten Sowjetunion, denn jetzt könnte es ja sein, daß diese riesige, waffenstarrende, mit Atombomben vollgestopfte Region plötzlich völlig unkontrollierbare Gestalten hervorbringt, die wesentlich weniger berechenbar sind, als es der gute alte Breschnjew war.
Was nun die gemeinsame Krise angeht, geisterte bei uns ein schönes Stichwort im Hinblick auf die deutsche Vereinigung durch die Zeitungen: statt Aufschwung Ost Abschwung West. Das bezog sich eher auf die Konjunktur und die Rezession der letzten beiden Jahre. Jetzt macht man sich wieder Hoffnungen auf Konjunkturbelebungen, aber es ist selbst in den offiziellen Kommentaren spürbar, daß dieser Aufschwung wohl auf sich warten lassen wird - zumindest ist ein säkularer Boom, der die jetzige Krise beheben könnte, nicht absehbar.
Das hat etwas damit zu tun, daß wir es nicht mehr mit einer rein zyklischen Bewegung zu tun haben. Der sozusagen normale Zyklus der kapitalistischen Bewegung wird überlagert von einem anderen Problem, oft strukturelle Krise genannt. Deswegen spricht man mittlerweile von struktureller Massenarbeitslosigkeit und nicht mehr bloß von zyklischer. Das bedeutet, daß die Arbeitslosigkeit im sogenannten zyklischen Aufschwung der Konjunktur nicht mehr zurückgeht, sich statt dessen sogar eher noch ausdehnt.
Das hat es in der Geschichte der Modernisierung noch nie gegeben. Die Massenarbeitslosigkeit (sofern es sie gab, vor allem während der Weltwirtschaftskrise) stellte ein zyklisches Phänomen dar, das mit dem ebenfalls zyklischen konjunkturellen Aufschwung immer wieder abgebaut wurde. Marx nannte das die »industrielle Reservearmee«. Die Arbeitslosen wurden nur als Reservearmee für den nächsten Aufschwung betrachtet und damit für die Reabsorption ihrer Arbeitskraft in die Verwertungsbewegung des Kapitals bereit gehalten. Das scheint nun vorbei zu sein. Denn von Zyklus zu Zyklus, ganz unabhängig von dessen Auf und Ab, hat sich die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit erhöht. Ich habe vorhin erwähnt, für die Bundesrepublik Deutschland wäre es heute eine Erfolgsmeldung, »nur« eine Million Arbeitslose zu haben, mittlerweile sind es ca. vier Millionen. Und dabei ist das gar nicht die reale Zahl, denn in Wirklichkeit ist die Massenarbeitslosigkeit viel größer, würde man die ganzen Auffangmaßnahmen - Vorruhestand, ABM (sogenannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ) - und die statistischen Tricks einbeziehen. Dieses Wegretouchieren eines Teils der Massenarbeitslosigkeit durch statistische Tricks ist in fast allen Ländern heute üblich, welche überhaupt noch eine Arbeitslosenstatistik führen. Für die Bundesrepublik heißt das, daß man sich bis vor ein paar Jahren noch auf die Gesamtzahl der ArbeitnehmerInnen bzw. die Lohnabhängigen bezogen hat. Inwischen bezieht man sich auf die Gesamtzahl der sogenannten Erwerbspersonen, inklusive sämtlicher Selbständiger und mithelfender Familienangehöriger, und wie die statistischen Bezeichnungen lauten, um damit die Statistik zu schönen. Dies nur als Beispiel; diese Tricks sind von Land zu Land verschieden, werden aber angewandt.
Steigende Sockelarbeitslosigkeit ist also unabhängig von Zyklen, das ist nicht nur ein deutsches oder mitteleuropäisches, sondern ein globales Phänomen. Im Frühjahr 1994 hat die Internationale Arbeitsorganisation in Genf eine Analyse herausgebracht, wonach heute im Weltmaßstab real dreißig Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos sind, de facto arbeitslos. In dieser kritischen Analyse wurden einige der erwähnten Tricks durchleuchtet; diese Zahl kommt der Wahrheit näher als die offiziellen Statistiken, sie übersteigt die Arbeitslosenrate der Weltwirtschaftskrise von 1929/33. Vor allem hatte die damalige Weltwirtschaftskrise, trotz ihres Namens, nicht so globale Auswirkungen wie die heutige strukturelle Massenarbeitslosigkeit. Man kann also in der Tat von einer veritablen Krise der Arbeitsgesellschaft sprechen. Dabei gibt es zwei Merkwürdigkeiten: Die eine ist, daß sämtliche Modernisierungsideologien, Marxismus und Liberalismus eingeschlossen, Arbeit als eine ontologische oder anthropologische Grundgegebenheit verstehen. Man geht davon aus, daß die Menschen, seit es sie gibt, »gearbeitet« haben, und Arbeit erscheint als etwas, das außerhalb der Geschichte liegt. Wenn man nun von der Krise der Arbeitsgesellschaft redet, widerspricht man der eigenen Basisideologie, wonach die Arbeit etwas sei, was den Menschen vom Tier unterscheide. Und dann kann natürlich die Arbeit als solche nie in die Krise kommen.
Der Widerspruch zeigt sich darin, daß hier ein Zusammenhang in die Krise kommt, der bisher nicht als historischer, das heißt als gewordener und wieder vergehender, betrachtet worden ist, sondern als menschlicher Grundsachverhalt schlechthin. Es handelt sich nicht um das, was Marx als Stoffwechselprozeß mit der Natur bezeichnet hat, der ist unaufhebbar, solange es Menschen gibt. Heute scheint vielmehr der Begriff des Verwandlungsprozesses von Arbeit in Geld in die Krise zu kommen, was Marx die abstrakte Arbeit nennt, nämlich die Verausgabung von Nerv, Muskel und Hirn in die gesellschaftliche Geldform und damit die Reproduktion des Menschen im Kontext von Arbeit, Geld und Warenkonsum - diese Verknüpfung von Arbeit mit Geld ist historisch und keineswegs überhistorisch.
Das zweite, was paradox erscheint, ist, daß wenn man früher von der möglichen Krise oder zukünftigen Krise des Kapitalismus sprach, meinte man die Krise der Geldverwertung, und das scheint heute mega-out zu sein. Das Kapital ist ja anscheinend überhaupt nicht in der Krise, nur die Arbeit. Das ist insofern paradox, als diese beiden Momente Pole ein- und desselben Verhältnisses sind. So wie es unmöglich ist, daß sich dieses Abstraktum der Moderne, die Arbeit, vom Kapital emanzipieren und für sich alleine weiterarbeiten kann, wie das die Staatsreligion im Osten war oder auch die Grundauffassung des Marxismus darstellt, ebensowenig ist es möglich, daß die Arbeit für sich alleine in die Krise kommt und das Kapital munter weiterakkumuliert - dann würde ich eher an die katholische Transsubstantiationslehre oder an die unbefleckte Empfängnis glauben als daran, daß ein Kapital sich ohne eine entsprechende Höhe an Vernutzung von abstrakter Arbeitskraft, rein als Geldvermehrung, weiterverwerten kann. Hier scheint etwas nicht zu stimmen. Und darauf will ich jetzt näher eingehen. Ich möchte die Analyse dieser gemeinsamen Krise mit vier Stichworten kurz umreißen: 1. Rationalisierung, 2. Globalisierung, 3. Tertiarisierung, 4. Fiktionalisierung.
Hier der Link und ein Auszug aus der neuesten, doch umfangreichen Web-Präsentaion, natürlich nur für Interessierte:
www.nadir.org/nadir/archiv/...scheStroemungen/krise/node5.html
... Daß auch der Westen in der Krise ist, war schon vor dem Zusammenbruch des Staatssozialismus nicht gänzlich aus der Welt. Seit Anfang der achtziger Jahre ist das Stichwort von der Krise der Arbeitsgesellschaft auch im Westen aufgetaucht. Ich kann mich genau erinnern, wie besorgniserregend es war, als in Deutschland Anfang der achtziger Jahre die Arbeitslosigkeit erstmals die Millionengrenze überschritt. Heute wäre das schon wieder eine Erfolgsmeldung; damals hat man sich gefürchtet, es wurden sogar Stimmen laut, ob der Osten vielleicht doch die bessere Systemalternative sei. Sogar das gab es damals noch. Und dann kam dieser große Zusammenbruch. Das ganze System im Osten hat sich wie eine Mumie in Staub aufgelöst, und in der Folge hat man die eigene Krise erst mal ein bißchen verdrängt und vergessen, obwohl ja die sozialen Prozesse, die damit verbunden waren, die Massenarbeitslosigkeit und neue Armut, immer noch da waren. Schon zehn Jahre vorher sind in großen Teilen der Dritten Welt ganze Nationalökonomien zusammengebrochen. Die Misere Afrikas fing damals an, in Lateinamerika begann die Epoche der Hyperinflation und der Deindustrialisierung. Das verlorene Jahrzehnt, wie es dann Ende der achtziger Jahre genannt wurde. Man hat es also erst mal verdrängt und den Zusammenbruch des vermeintlichen Gegensystems zum Anlaß genommen, sich etwas in die Tasche zu lügen.
Damit verknüpft wurde die Erwartung, daß sich mit der Öffnung des Ostens wunderbare neue Märkte auftun würden, ein neuer Akkumulationsschub des Kapitals wie nach dem Zweiten Weltkrieg zu erwarten sei und der Westen seine Krise gerade mit dem Zusammenbruch des Ostens lösen könne. Mittlerweile sind wir nahezu eine halbe Dekade weiter, und es zeigt sich immer deutlicher, daß diese Hoffnungen Trugbilder sind, die man sich aus dem Kopf schlagen kann. Im Gegenteil: Nicht nur kehrt die Krise in den Westen zurück (streng genommen war sie ja nie weg), sie wird auch in ihrem Ausmaß immer deutlicher erkennbar. Die Rückkoppelungsprozesse aus den Zusammenbrüchen im Osten ereilen auch uns allmählich, es kommt also eher Negatives aus diesen Zusammenbruchsregionen auf die westliche Ordnung zu. Das läßt sich in verschiedene Richtungen ausleuchten.
Ein Aspekt dabei ist sicherlich, daß die Krise im Osten »Flüchtlingsströme«, Arbeitsimmigration, neue Formen von Massenkriminalität hervorbringt - früher hatten wir die Mafia nur im Süden, jetzt haben wir sie auch im Osten -, die unter anderem Anlaß für rassistische Reaktionen in der westlichen und gerade auch in der deutschen Bevölkerung sind. Das sind Erscheinungen dieser Krise, die sich mit ihrem Andauern fortsetzen werden. Wesentlich ist, daß sich die Hoffnung auf die neuen Märkte nicht erfüllt hat und daß, so paradox es vom Standpunkt der alten Kapitalismuskritik auch klingen mag, diese riesigen Massen im Osten für das westliche Kapital größtenteils nicht ausbeutungsfähig sind. Auf jeden Fall haben die großen Investitionsströme nach Osten bis jetzt nicht stattgefunden. Es gibt auch keine erkennbaren Tendenzen oder Absichten, diese geöffneten und sozusagen wehrlosen riesigen Regionen in einer anderen Weise zu annektieren, sie sich anzueignen, unter den Nagel zu reißen - sie stellen die verbrannte Erde der Marktwirtschaft oder der Modernisierung dar, und der Westen weiÿSMB€adt anfangen soll. Der Osten jagt ihm wieder Angst ein, vielleicht sogar stärker als zu Zeiten der alten Sowjetunion, denn jetzt könnte es ja sein, daß diese riesige, waffenstarrende, mit Atombomben vollgestopfte Region plötzlich völlig unkontrollierbare Gestalten hervorbringt, die wesentlich weniger berechenbar sind, als es der gute alte Breschnjew war.
Was nun die gemeinsame Krise angeht, geisterte bei uns ein schönes Stichwort im Hinblick auf die deutsche Vereinigung durch die Zeitungen: statt Aufschwung Ost Abschwung West. Das bezog sich eher auf die Konjunktur und die Rezession der letzten beiden Jahre. Jetzt macht man sich wieder Hoffnungen auf Konjunkturbelebungen, aber es ist selbst in den offiziellen Kommentaren spürbar, daß dieser Aufschwung wohl auf sich warten lassen wird - zumindest ist ein säkularer Boom, der die jetzige Krise beheben könnte, nicht absehbar.
Das hat etwas damit zu tun, daß wir es nicht mehr mit einer rein zyklischen Bewegung zu tun haben. Der sozusagen normale Zyklus der kapitalistischen Bewegung wird überlagert von einem anderen Problem, oft strukturelle Krise genannt. Deswegen spricht man mittlerweile von struktureller Massenarbeitslosigkeit und nicht mehr bloß von zyklischer. Das bedeutet, daß die Arbeitslosigkeit im sogenannten zyklischen Aufschwung der Konjunktur nicht mehr zurückgeht, sich statt dessen sogar eher noch ausdehnt.
Das hat es in der Geschichte der Modernisierung noch nie gegeben. Die Massenarbeitslosigkeit (sofern es sie gab, vor allem während der Weltwirtschaftskrise) stellte ein zyklisches Phänomen dar, das mit dem ebenfalls zyklischen konjunkturellen Aufschwung immer wieder abgebaut wurde. Marx nannte das die »industrielle Reservearmee«. Die Arbeitslosen wurden nur als Reservearmee für den nächsten Aufschwung betrachtet und damit für die Reabsorption ihrer Arbeitskraft in die Verwertungsbewegung des Kapitals bereit gehalten. Das scheint nun vorbei zu sein. Denn von Zyklus zu Zyklus, ganz unabhängig von dessen Auf und Ab, hat sich die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit erhöht. Ich habe vorhin erwähnt, für die Bundesrepublik Deutschland wäre es heute eine Erfolgsmeldung, »nur« eine Million Arbeitslose zu haben, mittlerweile sind es ca. vier Millionen. Und dabei ist das gar nicht die reale Zahl, denn in Wirklichkeit ist die Massenarbeitslosigkeit viel größer, würde man die ganzen Auffangmaßnahmen - Vorruhestand, ABM (sogenannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ) - und die statistischen Tricks einbeziehen. Dieses Wegretouchieren eines Teils der Massenarbeitslosigkeit durch statistische Tricks ist in fast allen Ländern heute üblich, welche überhaupt noch eine Arbeitslosenstatistik führen. Für die Bundesrepublik heißt das, daß man sich bis vor ein paar Jahren noch auf die Gesamtzahl der ArbeitnehmerInnen bzw. die Lohnabhängigen bezogen hat. Inwischen bezieht man sich auf die Gesamtzahl der sogenannten Erwerbspersonen, inklusive sämtlicher Selbständiger und mithelfender Familienangehöriger, und wie die statistischen Bezeichnungen lauten, um damit die Statistik zu schönen. Dies nur als Beispiel; diese Tricks sind von Land zu Land verschieden, werden aber angewandt.
Steigende Sockelarbeitslosigkeit ist also unabhängig von Zyklen, das ist nicht nur ein deutsches oder mitteleuropäisches, sondern ein globales Phänomen. Im Frühjahr 1994 hat die Internationale Arbeitsorganisation in Genf eine Analyse herausgebracht, wonach heute im Weltmaßstab real dreißig Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos sind, de facto arbeitslos. In dieser kritischen Analyse wurden einige der erwähnten Tricks durchleuchtet; diese Zahl kommt der Wahrheit näher als die offiziellen Statistiken, sie übersteigt die Arbeitslosenrate der Weltwirtschaftskrise von 1929/33. Vor allem hatte die damalige Weltwirtschaftskrise, trotz ihres Namens, nicht so globale Auswirkungen wie die heutige strukturelle Massenarbeitslosigkeit. Man kann also in der Tat von einer veritablen Krise der Arbeitsgesellschaft sprechen. Dabei gibt es zwei Merkwürdigkeiten: Die eine ist, daß sämtliche Modernisierungsideologien, Marxismus und Liberalismus eingeschlossen, Arbeit als eine ontologische oder anthropologische Grundgegebenheit verstehen. Man geht davon aus, daß die Menschen, seit es sie gibt, »gearbeitet« haben, und Arbeit erscheint als etwas, das außerhalb der Geschichte liegt. Wenn man nun von der Krise der Arbeitsgesellschaft redet, widerspricht man der eigenen Basisideologie, wonach die Arbeit etwas sei, was den Menschen vom Tier unterscheide. Und dann kann natürlich die Arbeit als solche nie in die Krise kommen.
Der Widerspruch zeigt sich darin, daß hier ein Zusammenhang in die Krise kommt, der bisher nicht als historischer, das heißt als gewordener und wieder vergehender, betrachtet worden ist, sondern als menschlicher Grundsachverhalt schlechthin. Es handelt sich nicht um das, was Marx als Stoffwechselprozeß mit der Natur bezeichnet hat, der ist unaufhebbar, solange es Menschen gibt. Heute scheint vielmehr der Begriff des Verwandlungsprozesses von Arbeit in Geld in die Krise zu kommen, was Marx die abstrakte Arbeit nennt, nämlich die Verausgabung von Nerv, Muskel und Hirn in die gesellschaftliche Geldform und damit die Reproduktion des Menschen im Kontext von Arbeit, Geld und Warenkonsum - diese Verknüpfung von Arbeit mit Geld ist historisch und keineswegs überhistorisch.
Das zweite, was paradox erscheint, ist, daß wenn man früher von der möglichen Krise oder zukünftigen Krise des Kapitalismus sprach, meinte man die Krise der Geldverwertung, und das scheint heute mega-out zu sein. Das Kapital ist ja anscheinend überhaupt nicht in der Krise, nur die Arbeit. Das ist insofern paradox, als diese beiden Momente Pole ein- und desselben Verhältnisses sind. So wie es unmöglich ist, daß sich dieses Abstraktum der Moderne, die Arbeit, vom Kapital emanzipieren und für sich alleine weiterarbeiten kann, wie das die Staatsreligion im Osten war oder auch die Grundauffassung des Marxismus darstellt, ebensowenig ist es möglich, daß die Arbeit für sich alleine in die Krise kommt und das Kapital munter weiterakkumuliert - dann würde ich eher an die katholische Transsubstantiationslehre oder an die unbefleckte Empfängnis glauben als daran, daß ein Kapital sich ohne eine entsprechende Höhe an Vernutzung von abstrakter Arbeitskraft, rein als Geldvermehrung, weiterverwerten kann. Hier scheint etwas nicht zu stimmen. Und darauf will ich jetzt näher eingehen. Ich möchte die Analyse dieser gemeinsamen Krise mit vier Stichworten kurz umreißen: 1. Rationalisierung, 2. Globalisierung, 3. Tertiarisierung, 4. Fiktionalisierung.