Riesengewinnsprünge ab 2005

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Nassie:

Riesengewinnsprünge ab 2005

 
05.06.04 23:34
Riesengewinnsprung auf dem Papier
Am 1. Januar 2005 ändern sich die Bilanzregeln
Berlin  -  Ab 1. Januar 2005 entfällt für europäische Unternehmen die Pflicht, den so genannten "Goodwill" planmäßig in ihren Bilanzen abzuschreiben. So wollen es die Herren über den "International Accounting Standard" (IAS), der demnächst für alle EU-Unternehmen Standard ist. An sich ist die Änderung keine große Sache und stellt kaum mehr als eine Angleichung an die amerikanischen Bilanzvorschriften dar. Als Resultat aber werden einige deutsche Unternehmen von einem Tag auf den anderen einen gewaltigen Gewinnsprung machen und ihre Aktien schlagartig sehr viel billiger werden - zumindest auf dem Papier.


Der Goodwill ist der Unterschied zwischen dem für eine Akquisition gezahlten Preis und ihrem "tatsächlichen" Vermögenswert, also dem Wert der Tochter an der Börse oder dem maximal erwartbaren Verkaufspreis. Sozusagen das zu viel Bezahlte. Bisher wurde das über meist 20 Jahre linear als Kosten abgeschrieben und belastete damit das Ergebnis. Stattdessen verschwindet nun der Posten gleichsam aus der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Begründet wird dies mit der besseren Vergleichbarkeit der tatsächlichen Erträge der Unternehmen. Gleichzeitig aber verändern sich die Gewinne - und damit wichtige Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Wer aus der Vergangenheit große Lasten mit sich herumschleppt, wie beispielsweise TUI oder die Deutsche Telekom, steht von heute auf morgen sehr viel besser da .


"Tatsächlich erhöhen sich auf dem Papier die Gewinne", sagt Fondsmanager Tim Albrecht von der DWS. "Das macht die Rechnungslegung aber nicht konservativer, sondern eher intransparenter, weil einige Firmen auf einmal ziemliche Unwägbarkeiten vor sich her schieben. Der Goodwill ist ja nicht weg. Wir sind davon nicht unbedingt begeistert."


Denn neben den Gewinnsprüngen hat die Bilanzakrobatik auch noch einen anderen Effekt: Alles wird unvorhersehbarer. Der Goodwill verschwindet zwar als Abschreibung, steht aber nach wie vor in der Bilanz. Einmal im Jahr muss in Zukunft ein Wirtschaftsprüfer diesen Wert mit dem "echten" Vermögenswert des jeweiligen Stücks Firma vergleichen - und wenn es Diskrepanzen gibt, müssen die auf einen Schlag abgeschrieben werden. Findet der Prüfer also, dass der Goodwill einer Tochter ihren tatsächlichen Wert um 300 Millionen Euro übersteigt, geht diese Summe sofort als Belastung in den Abschluss ein. Je nach Konjunktur- und Unternehmenslage kommt damit auf Aktionäre das Problem zu, dass die Ergebnisse ihrer Firmen von einem Jahr auf das andere wild nach oben oder unten schwanken können.


"Der Goodwill-Test ist nicht nur furchtbar komplex, sondern es entstehen auch Einschätzungsprobleme", sagt Manfred Hannich von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. "Man muss die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben schätzen und kann da auch daneben liegen. Und selbst wenn willkürfreie Schätzungen gefordert werden, verbleiben natürlich gewisse Spielräume."


Alles wird also vergleichbarer - und komplizierter. Für Analysten und andere Profis dürfte das kaum ein Problem sein. Privatanleger allerdings müssen sich daran gewöhnen, dass sich die KGVs ihrer Aktien teilweise erratisch verändern, ohne dass sich am "echten" Erfolg der Firmen etwas geändert hätte.  Ulrich Machold




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