Die Erdölbranche ist das Rückgrat der russischen Wirtschaft
Wenige Konzerne dominieren den gesamten Markt - Ausländische Investoren haben einen schweren Stand
Russland hängt wie ein Junkie an der Ölnadel", sagt Präsidentenberater Andrei Illarionow. In der Tat ist die russische Wirtschaft abhängig vom schwarzen Gold. Die Exporte der Energieträger Öl und Gas machen mehr als ein Drittel der Staatseinnahmen aus. Die Haushaltsplanung richtet sich nach dem Ölpreis. Für dieses Jahr hat die Regierung unter Premier Michail Kassjanow als Preisspanne 18,5 bis 21,5 Dollar pro Barrel (159 Liter) zu Grunde gelegt.
Fällt der Preis darunter, sind die Zahlen Makulatur. Zurzeit sieht es aber nicht danach aus. Ungemütlicher könnte die Situation nach einem Irak-Krieg werden. Falls wieder Öl aus dem Irak auf dem Weltmarkt gehandelt wird, könnte der Ölpreis dramatisch fallen.
Auf dem jetzigen Preisniveau hat Russland keine Schwierigkeiten, seine Auslandsschulden zu bedienen. Die Währungsreserven liegen mit 54 Mrd. Dollar auf Rekordniveau. Trotzdem wäre der Regierung ein niedrigerer, dafür stabiler Ölpreis in der Spanne 20 bis 25 Dollar pro Barrel lieber, sagte unlängst Premier Kassjanow. Er gäbe mehr Planungssicherheit.
Die russische Erdölbranche ist das Rückgrat der Wirtschaft. Sie pumpt, was das Zeug hält. So wurden im Januar 34 Millionen Tonnen Erdöl gefördert, elf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In diesem Jahr soll die Marke von 400 Millionen Tonnen durchbrochen werden. Russland, das kein Mitglied der Opec ist, hat sich auf dem zweiten Platz hinter Saudi-Arabien bei Export- und Fördermenge festgesetzt. Es ist der bedeutendste Erdöllieferant Deutschlands.
Nur einige wenige Ölkonzerne dominieren die gesamte Branche. Um den ersten Platz streiten sich der halbstaatliche Konzern Lukoil und das wohl am besten aufgestellte Unternehmen Yukos. Für dieses Jahr peilt der Konzern des Milliardärs Michail Chodorkowski, der auf westliche Managementmethoden setzt, die Förderung von 82 Millionen Tonnen an, Lukoil will 75 Millionen Tonnen aus dem Boden holen. Auf Platz drei folgt dann die soeben gegründete BP-TNK, an deren Spitze Michail Fridman steht, gefolgt von Surgutneftegaz und Sibneft. Etwa die Hälfte der Investitionen in die russische Wirtschaft entfällt auf die Ölbranche. Die meisten Ölkonzerne wurden Mitte der neunziger Jahre unter oft dubiosen Umständen zu Schleuderpreisen privatisiert. Damals bildete sich auch dieUnternehmerschicht der Oligarchen.
Praktisch alle russischen Ölunternehmen wollen ins lukrative Gasgeschäft einsteigen, da Öl- und Gasförderstätten oftmals in unmittelbarer Nähe liegen. Der Erdgasmonopolist Gazprom hindert sie jedoch am Zugang zu seinem Pipelinenetz. Private Öl- sowie Gaspipelines zu bauen, verbietet bislang die Regierung. Nach dem Einstieg von BP in das Gemeinschaftsunternehmen mit TNK erwarten Analysten weitere Milliardeninvestitionen aus dem Ausland.
Von gleichem Recht für alle Marktteilnehmer kann indes keine Rede sein. Jüngstes Negativbeispiel war die Versteigerung des staatlichen Ölkonzerns Slawneft, bei dem alle potenziellen ausländischen Bieter ausgebootet wurden. Neben dem Ausbau der westsibirischen Förderstätten hat die Regierung ein fast 90 Milliarden Dollar teures Investitionsprogramm angekündigt, um Öl- und Gasreserven in Ostsibirien und dem Fernen Osten anzuzapfen. JH
Quelle: www.welt.de/data/2003/03/19/54337.html