Der König meidet ihn, die Presse rechnet mit ihm ab: Aus dem geliebten Juanito ist der verhasste Johann geworden. Inzwischen wurden interessante Details über das Umfeld Mühleggs bekannt, die Spur führt in die Radsportszene. So sei es etwa kein Zufall, dass zu Mühleggs Team der Arzt Nicolas Terrados gehöre, berichtete „sport1“ am Montagabend.
Dieser „Halbgott in Weiß“ habe seinen Arztkittel mehr als befleckt. Er wurde am 31. Juli 1998 während der Skandal-Tour in Frankreich in Untersuchungshaft gesteckt und in einem spektakulären Prozess zusammen mit Dopingsündern und Hintermännern verurteilt, wie es hieß.
Damals habe er das erstklassige spanische Team ONCE betreut. Auch der Masseur des 31-Jährigen, der Italiener Stefano Dei Cas, habe nicht nur für den Langläufer gejobbt, sondern auch beim spanischen Radsport-Team Mapei.
Die bei Mühlegg gefundene Substanz „Darbepoetin alfa“, auch als „NESP“ bekannt, sei außerdem bisher nur im Zusammenhang mit dem Profi-Radsport aufgetaucht, berichtete „sport1“ weiter. Bei einer Groß-Razzia, die während des Giro d'Italias stattgefunden habe, habe der damals in der Gesamtwertung führende Dario Frigo nach anfänglichem Leugnen den Besitz des Hormonpräparats zugeben.
Spanien wendet sich von Mühlegg ab
Die Titelseiten der Zeitungen zeigten am Montag Fotos, auf denen der Goldmedaillen-Gewinner sein Gesicht wie ein Verbrecher mit seiner Jacke vor den Kameras zu verbergen versucht. „Mühlegg ist eine Schande für den Sport“, urteilte „El Mundo“. „Man ließ ihm zwei seiner drei Goldmedaillen, aber nach dem olympischen Geist hätte er keine verdient gehabt.“
„Mühleggs Gold glänzt nicht mehr“, meint auch „La Vanguardia“. Spaniens Blätter gehen mit dem Deutsch-Spanier härter ins Gericht als mit gebürtigen Spaniern, die in Dopingskandale verwickelt waren. Fußballstar Josep Guardiola, der in Italien wegen Dopings gesperrt ist, gilt daheim weiterhin als tadelloser Sportsmann.
Für Mühlegg war es immer ein Traum, den spanischen König Juan Carlos persönlich kennen zu lernen. Der Wahlspanier wollte dem Monarchen, der selbst ein begeisterter Wintersportler ist, sogar ein Paar Ski zum Geschenk machen. Aber nun muss „Juanito“, wie der gebürtige Allgäuer in seiner Wahlheimat genannt wird, sich noch einige Zeit gedulden. Und vielleicht geht sein Traum gar nicht mehr in Erfüllung. Der König, dem der Langläufer viele seiner Siege gewidmet hatte, ließ die für Mittwoch vorgesehene Audienz auf Grund des Dopingskandals für unbestimmte Zeit verschieben.
„Mühlegg ist wie eine Maschine“
Der Skandal um Mühlegg hat zur Folge, dass in Spanien erstmals die Politik der Einbürgerung von Spitzensportlern hinterfragt wird. „Wir haben es uns zu einfach gemacht“, räumt das Sportblatt „As“ ein. „Wir haben einen Crack dafür bezahlt, dass er unsere Flagge trägt und für uns Medaillen gewinnt. Mühlegg erscheint uns wie eine Maschine. Und auf den Maschinen steht irgendwo die kleine Aufschrift: Made in Taiwan.“
Der norwegische Sportverbandschef Bjørge Stensbøl forderte am Montag den Entzug aller Olympia-Medaillen für Mühlegg und die ebenfalls des Dopings überführten russischen Läuferinnen Larissa Lazutina und Olga Danilowa. „Es darf einfach nicht so sein, dass Betrüger gewinnen können, wenn ihr Betrug nachgewiesen ist“, sagte der Norweger.
Riesenskandal um Mühlegg
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte dem Langläufer Mühlegg am Sonntagabend Gold über 50 Kilometer aberkannt. Wie IOC-Generalsekretär Francois Carrard mitteilte, wurde der 31-jährige Wahl-Spanier zudem von den Winterspielen ausgeschlossen. Der Ski-Weltverband FIS wird Mühlegg für zwei Jahre sperren.
Einen solchen Dopingfall hatte Olympia seit dem Sündenfall des Sprinters Ben Johnson bei den Sommerspielen 1988 in Seoul nicht erlebt.
Die medizinische Kommission des IOC hatte zuvor bestätigt, dass der Langläufer bei einer unangemeldeten Trainingskontrolle am vergangenen Donnerstag positiv getestet worden war. Mühlegg hatte nach dem Resultat der A-Probe das Blutdopingmittel Darbepoetin alfa eingenommen. Es ist der erste Blutdoping-Fall in der Olympia-Geschichte.
Mühleggs Olympiasiege über 30 Kilometer Freistil und im Verfolgungsrennen wurden ihm nicht aberkannt. Nach diesen Wettkämpfen waren die Tests negativ.
„Jetzt überrollt mich das Ganze“
Der Sünder selbst fühlt sich unschuldig. „Jetzt überrollt mich das Ganze. Ich will versuchen, ruhig Blut zu bewahren“, sagte er, „aber endgültig vorbei ist es noch nicht.“
Er habe sich mit einer Spezialdiät auf die 50 Kilometer vorbereitet. „Dabei werden Hormone gebildet worden sein. Ich weiß aber nicht, wie das zu Stande kommt“, so Mühlegg. Er setze nun auf die B-Probe, die heute ausgewertet werden soll.
Mühlegg startet seit Ende 1999 für Spanien, nachdem er sich im Unfrieden vom Deutschen Skiverband (DSV) getrennt hatte.
Quelle: focus.de