Dienstag, 21. August 2001
Wo steht die US-Wirtschaft?
Zinssenkung in den USA erwartet
Es ist ausgemachte Sache - die US-Notenbank Fed wird am Abend die US-Leitzinsen um 25 Basispunkte absenken. Alles andere wäre eine absolute Überraschung, da sind sich die Analysten einig.
Uneinig sind sich die Experten allerdings, wenn es darum geht, ob es die siebte und letzte Zinssenkung in diesem Jahr sein wird oder ob der oberste Währungshüter der USA, Alan Greenspan, in seinem Kommentar einen weiteren Zinsschritt in Aussicht stellt.
Denn niemand weiß, wie es um die US-Wirtschaft wirklich steht. Die Fed hat sei Anfang des Jahres die US-Leitzinsen von 6,5 auf 3,75 Prozent gesenkt, um so die lahmende US-Konjunktur anzukurbeln. Das System ist einfach: Niedrige Zinsen bedeuten billige Kredite und mit mehr Geld können die Firmen mehr investieren und so ihre Umsätze steigern.
Keine Ende der Flaute?
Doch die erwarteten Resultate sind bisher ausgeblieben. Statt einer Rückkehr - nach einer kurzen Verschnaufpause mit einer Konsolidierung der Unternehmen - zu den enormen Wachstumsraten, an die sich die Anleger in den Boomjahren 1999 und 2000 gewöhnt haben, scheint noch kein Ende der Flaute der US-Wirtschaft in Sicht zu sein. Acht Monate nach der ersten Zinssenkung streichen die US-Unternehmen immer noch Arbeitsplätze, Investitionen und vor allem ihre Gewinnprognosen zusammen.
Braucht die US-Wirtschaft also noch niedrigere Zinsen, um wieder auf die Füße zu kommen? Oder ist das Ende der Talsohle erreicht und die Wirtschaft steht vor dem von den Börsen so sehnlich erwarteten Aufschwung? Oder verpuffen die Zinssenkung am Ende ganz ohne Wirkung?
Optimisten...
Die Optimisten unter den Experten vertrauen auf die nach wie vor nicht schlechten Konsumausgaben der Amerikaner. „Wir glauben, dass dies die letzte Zinssenkung sein wird“, so Joshua Shapiro, Chef-Volkswirt bei Maria Fiorini Ramirez. Die Wirtschaft sei derzeit schwach. Eine Besserung zeichne sich aber allmählich ab, fügte er hinzu. Die Konjunkturdaten bewiesen, dass die US-Bürger nach wie vor Geld ausgäben und das diese Tendenz auch lang genug anhalten werde, um die Unternehmen zu zwingen mehr zu investieren, um so der Nachfrage gerecht zu werden.
Der sinkende Dollar-Kurs, die bisherigen Zinssenkungen und das 38 Milliarden-Dollar Steuersenkungsprogramm der Regierung würden ein Übriges tun, um die Amerikaner bei Kauflaune zu halten, argumentieren die Optimisten weiter.
... und Pessimisten
Die Pessimisten unter den Experten glauben nicht, dass die Konsumenten allein die Wirtschaft aus der Krise holen können. Vor allem die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes werde zudem die Geldbeutel der US-Bürger schließen, heißt es. Und trotz niedrigerer Zinssätze würden die Unternehmen nur zögerlich in neue Technologien und Fabriken investieren.
Die Volkswirte bei Bear, Stearns & Co gehen daher auch davon aus, dass die Leitzinsen weiter sinken werden. Mit dem Tiefstand rechnen die Experten im ersten Quartal 2002 bei einem Zinssatz von 2,75 Prozent. Die Volkswirte von Goldman Sachs erwarten einen Rückgang auf 3,0 Prozent bis zur Mitte des kommenden Jahres. Und obwohl die Goldman-Experten davon ausgehen, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres erholt, haben sie ihre Wachstums-Prognose für das Jahr 2002 von 3,5 Prozent auf 2,0 Prozent gesenkt.
Munitionsverschwendung?
Einige Experten fordern daher eine Zinssenkung um 50 Basispunkte, um die Wirtschaft schneller in Schwung zu bringen.. Alles andere sei „Munitionsverschwendung“, so Joel Naroff von Naroff Economic Advisors in Philadelphia.
Doch ein solcher Zinsschritt würde auch zeigen, dass die Notenbänker die Wirtschaft tatsächlich am Rande der befürchteten Rezession sehen - und das könnte besonders an den Börsen die Stimmung noch verschlechtern.
Und so macht sich langsam Einigkeit unter den Experten breit: Greenspan senkt die US-Leitzinsen am Dienstag um 25 Basispunkte und wenn sich die erhoffte Erholung nicht einstellt, dann werden die Zinsen bei der nächsten Notenbanksitzung am 2. Oktober wieder abgesenkt - um 25 Basispunkte. Ob und wann die US-Wirtschaft aber auf die Zinssenkung reagiert, darüber wird weiter nur spekuliert.
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