Beginnt Greenspans Stern am Börsenhimmel zu verblassen ?
Roland Leuschel
Beginnt Greenspans Stern am Börsenhimmel zu verblassen?
Die Leser meiner Kolumnen wissen, dass ich seit über 6 Jahren ein vehementer, unerbittlicher Kritiker der Greenspanschen Geldpolitik bin, der immer nur ein Mittel gegen Wirtschafts- oder Finanzkrisen zu kennen scheint: niedrigere Zinsen und Liquidität; so als könnten die Eltern alle Schwierigkeiten bei der Erziehung ihrer Kinder mit viel Geld und Schokolade lösen. Jetzt nach der weltweiten Kapitalvernichtung von über 7.000 Mrd. Dollar, befinden sich die USA, Japan und Euroland gleichzeitig in einer Rezession, und Greenspan versucht mit denselben Mitteln der Zinssenkung (11 mal im Jahre 2001) und Liquiditätserhöhung die Probleme zu lösen. Es scheint, als hätte die Fed tatsächlich kein Konzept für ihre Geldpolitik und nur eine Zielgrösse: das Vertrauen des Konsumenten. Die EZB dagegen hat ein klar definiertes geldpolitisches Konzept und wird eine Inflationsrate von höchstens 2% zulassen. Mit anderen Worten, alle Marktteilnehmer in Europa wissen, woran sie sind, während sich bei den aktuellen zweistelligen amerikanischen Wachstumsraten ein beträchtliches Inflationspotential aufbaut.
Die geldpolitische Zielgrösse der Fed ist also das Vertrauen der amerikanischen Verbraucher, und kurzfristig scheint Greenspan den Spagat zu schaffen; denn das von der Universität Michigan errechnete US-Verbrauchervertrauen stieg im Januar dieses Jahres auf die neue Rekordhöhe 94,2, nachdem es Ende September auf 82 gefallen war. Nachdem sich auch die amerikanischen und die Weltbörsen erholt haben, scheint der Börsenhimmel blau und die Krise vom letzten Jahr endlich gemeistert. Ich glaube die Anleger unterliegen einem schlimmen Irrtum, der sie noch teuer zu stehen kommen wird. Es stimmt, dass der Konsum zwei Drittel des amerikanischen Bruttosozialproduktes darstellt, und wenn die Amerikaner weiterhin ihre Konsumausgaben steigern, dann sollte auch die Wirtschaft eine kurzfristige Erholung erfahren. Aber dann könnte es schwierig werden. Einmal werden langfristig die Börsenkurse durch die Gewinnentwicklung der Unternehmen bestimmt und nichts anderes. Und da sind erhebliche Zweifel angebracht, dass im Zuge weltweiter, inflationistischer Tendenzen (die Deflation droht) die sogenannte Pricing Power der Unternehmen noch besteht. Steigende Personalkosten können nicht durch Preiserhöhungen überwälzt werden,die Gewinne der Unternehmen dürften damit keine kräftige Erholung erfahren. Nur durch Entlassungen können erhöhte Personalkosten aufgefangen werden, das scheinen die Gewerkschaften übrigens noch nicht kapiert zu haben. Die Arbeitslosenzahlen würden also steigen, und damit sind Zweifel angebracht, dass der Konsum nachhaltig steigen wird. Bisher entwickelte sich der Haussektor in Amerika enorm günstig und hatte Steigerungsraten von bis zu 30% aufzuweisen. Auch gab es keineswegs eine Korrektur bei den Immobilienpreisen. Das könnte demnächst anders sein; denn erfahrungsgemäss setzte nach einem Crash der Aktienkurse die Korrektur im Immobiliensektor erst eins bis zwei Jahre danach ein (in einer umfangreichen Studie warnt die britische Bank HSBC vor dem Platzen der Real Estate Bubble in den USA). Sollte dies der Fall sein (ich erinnere daran, dass diese Bank im August 1999 vor dem Platzen der Börsenblasen an Nasdaq etc. warnte), dann wäre der Konsument in einer gefährlichen Schuldenfalle, und die zuletzt gezeigten Wachstumsraten bei den Konsumentenkrediten (15% Jahresbasis), auf die Paul C. Martin in seiner letzten Kolumne \"Die mystische Gestalt des US-Verbrauchers\" in aller Deutlichkeit hinwies, kämen zum Stillstand. Dies würde auch bedeuten, dass es sich bei der nächsten Konjunkturerholung nur um ein Strohfeuer handelt, und die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise ernst zu nehmen ist. Greenspan hätte dann sein Pulver verschossen, und seine Geldpolitik würde dann ins Leere laufen. Der Stratege von Morgan Stanley, Barton Biggs, hat in einer Kolumne für die Financial Times Deutschland nicht mit deutlichen Worten gespart. Nachdem er Greenspan, wie es sich für einen amerikanischen Investmentbanker geziehmt, für seine geleistete Arbeit lobt (schliesslich haben die Investmentbanken die höchsten Gewinne aller Zeiten einfahren können), schreibt er: \"Greenspan hat intellektuell, wie monetär den hochbrisanten Treibstoff geliefert, der einen gesunden Bullmarkt und einen normalen Aufschwung in die grösste Seifenblase aller Zeiten verwandelte; hatte Greenspan noch 1996 eine kalte Dusche verpasst und vor den Risiken irrationalen Überschwangs gewarnt, änderte er seinen Kurs danach gänzlich. In den nächsten 4 Jahren schien er es darauf anzulegen, die zunehmende Extase an der Börse mit extravaganten Theorien über eine neue Ära der Technologie rechtfertigen zu wollen ... Der Hohepriester der Finanzwelt hatte damit der Blase die Absolution erteilt.\" Am Schluss seines Artikels fasst Barton Biggs zusammen: \"Ich glaube nicht, dass Greenspan von der Geschichte für diese Rezession verantwortlich gemacht werden wird. Aber er wird für seine Rolle bei der Bildung der Blase kritisiert werden.\" Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich halte meine Bedenken für die augenblickliche Überteuerung der Aktienmärkte aufrecht und empfehle eine äusserst konservative Anlagepolitik: Maximal 30% des Geldvermögens in Value Aktien, der Rest in Triple A Kurzlaufrenten und Cash. Warten Sie geduldig auf Gelegenheiten. Übrigens Gelegenheiten werden Sie auch auf dem Immobilienmarkt in Hülle und Fülle bekommen. Wie heisst ein alter Slogan eines bodenständigen pfälzischen Bauers: \"Geduld muss mer habbe\",übersetzt ins Hochdeutsch \"Zum Börsenerfolg braucht der Anleger Geduld, nicht durch Aufschlagen sondern durch Ausbrüten kann aus einem Ei ein Küken werden\".
Roland Leuschel
21.01.2002 gefunden bei börse.de
Roland Leuschel
Beginnt Greenspans Stern am Börsenhimmel zu verblassen?
Die Leser meiner Kolumnen wissen, dass ich seit über 6 Jahren ein vehementer, unerbittlicher Kritiker der Greenspanschen Geldpolitik bin, der immer nur ein Mittel gegen Wirtschafts- oder Finanzkrisen zu kennen scheint: niedrigere Zinsen und Liquidität; so als könnten die Eltern alle Schwierigkeiten bei der Erziehung ihrer Kinder mit viel Geld und Schokolade lösen. Jetzt nach der weltweiten Kapitalvernichtung von über 7.000 Mrd. Dollar, befinden sich die USA, Japan und Euroland gleichzeitig in einer Rezession, und Greenspan versucht mit denselben Mitteln der Zinssenkung (11 mal im Jahre 2001) und Liquiditätserhöhung die Probleme zu lösen. Es scheint, als hätte die Fed tatsächlich kein Konzept für ihre Geldpolitik und nur eine Zielgrösse: das Vertrauen des Konsumenten. Die EZB dagegen hat ein klar definiertes geldpolitisches Konzept und wird eine Inflationsrate von höchstens 2% zulassen. Mit anderen Worten, alle Marktteilnehmer in Europa wissen, woran sie sind, während sich bei den aktuellen zweistelligen amerikanischen Wachstumsraten ein beträchtliches Inflationspotential aufbaut.
Die geldpolitische Zielgrösse der Fed ist also das Vertrauen der amerikanischen Verbraucher, und kurzfristig scheint Greenspan den Spagat zu schaffen; denn das von der Universität Michigan errechnete US-Verbrauchervertrauen stieg im Januar dieses Jahres auf die neue Rekordhöhe 94,2, nachdem es Ende September auf 82 gefallen war. Nachdem sich auch die amerikanischen und die Weltbörsen erholt haben, scheint der Börsenhimmel blau und die Krise vom letzten Jahr endlich gemeistert. Ich glaube die Anleger unterliegen einem schlimmen Irrtum, der sie noch teuer zu stehen kommen wird. Es stimmt, dass der Konsum zwei Drittel des amerikanischen Bruttosozialproduktes darstellt, und wenn die Amerikaner weiterhin ihre Konsumausgaben steigern, dann sollte auch die Wirtschaft eine kurzfristige Erholung erfahren. Aber dann könnte es schwierig werden. Einmal werden langfristig die Börsenkurse durch die Gewinnentwicklung der Unternehmen bestimmt und nichts anderes. Und da sind erhebliche Zweifel angebracht, dass im Zuge weltweiter, inflationistischer Tendenzen (die Deflation droht) die sogenannte Pricing Power der Unternehmen noch besteht. Steigende Personalkosten können nicht durch Preiserhöhungen überwälzt werden,die Gewinne der Unternehmen dürften damit keine kräftige Erholung erfahren. Nur durch Entlassungen können erhöhte Personalkosten aufgefangen werden, das scheinen die Gewerkschaften übrigens noch nicht kapiert zu haben. Die Arbeitslosenzahlen würden also steigen, und damit sind Zweifel angebracht, dass der Konsum nachhaltig steigen wird. Bisher entwickelte sich der Haussektor in Amerika enorm günstig und hatte Steigerungsraten von bis zu 30% aufzuweisen. Auch gab es keineswegs eine Korrektur bei den Immobilienpreisen. Das könnte demnächst anders sein; denn erfahrungsgemäss setzte nach einem Crash der Aktienkurse die Korrektur im Immobiliensektor erst eins bis zwei Jahre danach ein (in einer umfangreichen Studie warnt die britische Bank HSBC vor dem Platzen der Real Estate Bubble in den USA). Sollte dies der Fall sein (ich erinnere daran, dass diese Bank im August 1999 vor dem Platzen der Börsenblasen an Nasdaq etc. warnte), dann wäre der Konsument in einer gefährlichen Schuldenfalle, und die zuletzt gezeigten Wachstumsraten bei den Konsumentenkrediten (15% Jahresbasis), auf die Paul C. Martin in seiner letzten Kolumne \"Die mystische Gestalt des US-Verbrauchers\" in aller Deutlichkeit hinwies, kämen zum Stillstand. Dies würde auch bedeuten, dass es sich bei der nächsten Konjunkturerholung nur um ein Strohfeuer handelt, und die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise ernst zu nehmen ist. Greenspan hätte dann sein Pulver verschossen, und seine Geldpolitik würde dann ins Leere laufen. Der Stratege von Morgan Stanley, Barton Biggs, hat in einer Kolumne für die Financial Times Deutschland nicht mit deutlichen Worten gespart. Nachdem er Greenspan, wie es sich für einen amerikanischen Investmentbanker geziehmt, für seine geleistete Arbeit lobt (schliesslich haben die Investmentbanken die höchsten Gewinne aller Zeiten einfahren können), schreibt er: \"Greenspan hat intellektuell, wie monetär den hochbrisanten Treibstoff geliefert, der einen gesunden Bullmarkt und einen normalen Aufschwung in die grösste Seifenblase aller Zeiten verwandelte; hatte Greenspan noch 1996 eine kalte Dusche verpasst und vor den Risiken irrationalen Überschwangs gewarnt, änderte er seinen Kurs danach gänzlich. In den nächsten 4 Jahren schien er es darauf anzulegen, die zunehmende Extase an der Börse mit extravaganten Theorien über eine neue Ära der Technologie rechtfertigen zu wollen ... Der Hohepriester der Finanzwelt hatte damit der Blase die Absolution erteilt.\" Am Schluss seines Artikels fasst Barton Biggs zusammen: \"Ich glaube nicht, dass Greenspan von der Geschichte für diese Rezession verantwortlich gemacht werden wird. Aber er wird für seine Rolle bei der Bildung der Blase kritisiert werden.\" Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich halte meine Bedenken für die augenblickliche Überteuerung der Aktienmärkte aufrecht und empfehle eine äusserst konservative Anlagepolitik: Maximal 30% des Geldvermögens in Value Aktien, der Rest in Triple A Kurzlaufrenten und Cash. Warten Sie geduldig auf Gelegenheiten. Übrigens Gelegenheiten werden Sie auch auf dem Immobilienmarkt in Hülle und Fülle bekommen. Wie heisst ein alter Slogan eines bodenständigen pfälzischen Bauers: \"Geduld muss mer habbe\",übersetzt ins Hochdeutsch \"Zum Börsenerfolg braucht der Anleger Geduld, nicht durch Aufschlagen sondern durch Ausbrüten kann aus einem Ei ein Küken werden\".
Roland Leuschel
21.01.2002 gefunden bei börse.de