faz.net-Der schlechteste Analyst aller Zeiten

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#1
Worldcom-Skandal
Der schlechteste Analyst aller Zeiten


 

 
  Archiv: Analysten - ein Berufsstand am Pranger

  Eliot Spitzers Kreuzzug für die Rechte der Anleger

  Dossier: Die Lügen von Worldcom

  Merrill Lynch zahlt 100 Millionen Dollar
 
 
 28. Juni 2002 Am Montag empfahl Jack Grubman Worldcom zum Verkauf. Nach vier Jahren Kaufempfehlung setzte er sein Rating für das Unternehmen auf „Underperform“ herunter. Das war etwas untertrieben, denn am Dienstag flog der Bilanzbetrug von Worldcom auf und die Aktie verlor noch einmal die Hälfte ihres Werts. „Das konnte doch niemand vorhersehen, ich bin genauso geschockt wie alle anderen auch,“ verteidigte sich Grubman gegenüber dem Fernsehsender CNBC, sichtbar um Fassung ringend.

Grubman ist bei Salomon Smith Barney für den Telekomsektor zuständig und kassiert dafür 20 Millionen Dollar pro Jahr. Der bestbezahlte Analyst aller Zeiten begnügt sich allerdings nicht damit, die Branche zu analysieren. „Ich forme diese Industrie,“ prahlte er 1998. Grubman kennt jeden - von den Chefs des Telekommunikationsgiganten AT&T bis zu Bernie Ebbers von Worldcom. Dabei war er nicht nur Beobachter, sondern auch Akteur: Er beriet beispielsweise Ebbers bei der feindlichen Übernahme von MCI und rekrutierte Joe Nacchio als CEO von Qwest. Der „King of Telecom“ führte die Liste der einflussreichsten Analysten an, was er empfahl, wurde gekauft.

Der Star-Analyst holte die Aufträge herein

Grubmans Branchennähe zahlte sich für Salomon Smith Barney in barem Geld aus: Zwischen 1998 und 200 nahm die Investmentbank 53 Milliarden Dollar von Telekomfirmen ein - mehr als jedes andere Wall-Street-Unternehmen. Auf seine Doppelrolle hin befragt, antwortete Grubman: „Was früher ein Konflikt war, bringt heute Synergien... Objektivität? Das ist ein anderes Wort für Unwissenheit!“

Diese Einstellung könnte den sogenannten „Star-Analysten“ nun hinter Gitter bringen. Eliot Spitzer, Staatsanwalt von New York, wird Grubman wegen des Worldcom-Skandals vorladen: „Es war schon auffällig, dass er Worldcom auf einmal abgestraft hat.“ Und auch Anwalt Jacob Zamansky ist misstrauisch: „Es stellt sich die Frage, seit wann er etwas wusste. Grubman muss beweisen, dass er vom Bilanzbetrug keine Ahnung hatte. Er hat ein Problem.“

Die Anleitung zum Geldverlieren

Zamansky hat Grubman schon wegen eines anderen Falls verklagt: Ein Privatanleger fordert von Grubman zehn Millionen Dollar Schadensersatz. Er hatte sich auf die Empfehlungen des Analysten hin mit Aktien des Telekommunikationsunternehmen Global Crossing eingedeckt, die Pleite folgte im Januar 2002. Einen Tag später gab Grubman bekannt, seine Analyse des Unternehmens einzustellen. Nicht die einzige Fehleinschätzung.

Das „Money Magazine“ rechnete vor: Ein Anleger, der seit Februar 1991 Grubmans Kaufempfehlungen gefolgt wäre, hätte mindestens 74,5 Prozent des eingesetzten Kapitals verloren. Mindestens zehn Unternehmen, die er unverdrossen empfohlen hat, sind inzwischen pleite, darunter Global Crossing, McLeod USA und Winstar Communications. Worldcom ist der nächste Kandidat.

Pikantes Insiderwissen?

Noch im März 2001 - der drastische Fall der Telekom-Aktien hatte schon begonnen - veröffentlichte Grubman eine Analyse, in der es hieß: „In den nächsten 12 bis 18 Monaten werden die Investoren auf die jetzigen Preise zurückschauen und wünschen, dass sie eingestiegen wären.“ Das „Money Magazine“ fragte zu Recht: „Ist Grubman der schlechteste Analyst aller Zeiten?“ Doch Salomon Smith Barney verteidigt Grubman nach wie vor, seine Ablösung wäre nicht im Gespräch. In Branchenkreisen wird gemunkelt, dass die Investmentbank Grubman gar nicht feuern kann - zu pikant wäre sein Insiderwissen, das er dann ausplaudern könnte.

Welchen Ärger die Investmentbanken bekommen können, musste zuletzt Merrill Lynch erfahren. Staatsanwalt Eliot Spitzer nahm der Bank eine Strafe von 100 Millionen Dollar wegen Interessenkonflikten in der Analystenabteilung ab. Dafür kam Merrill Lynch um eine Anklage herum. Als Beweismittel dienten Spitzer interne E-Mails, in denen Merrills „Staranalyst“ für Internet-Aktien, Henry Blodget, Unternehmen als „Müll“ und „Scheiße“ bezeichnete, die er öffentlich zum Kauf empfahl. Auch Anwalt Zamansky gewann eine 400.000-Dollar-Klage gegen Blodget. Eliot Spitzer forderte schon im Mai von Morgan Stanley und Citibank - zu der Salomon Smith Barney gehört - Unterlagen und E-Mail-Verkehr ihrer Analysten an.

Grubman vergeht das Lachen

Kein Wunder also, dass Grubman das Lachen vergangen ist. Den Beweis zu führen, dass er von nichts wusste, dürfte schwer fallen. Nach Enron und Worldcom hat sich die öffentliche Meinung deutlich gegen die einstigen Stars gewendet. Sogar US-Präsident George Bush fand scharfe Worte der Kritik und kündigte eine genaue Untersuchung des „skandalösen“ Verhaltens des Unternehmens an.  Am 8. Juli muss Grubman vor dem Kongress in Washington Rede und Antwort stehen, gemeinsam mit Worldcom-Chef John Sidgmore, Ex-CEO und Firmengründer Bernie Ebbers und dem gefeuerten Finanzchef Scott Sullivan.

Text: @kano



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