Faites vos jeux:

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DarkKnight:

Faites vos jeux:

 
03.01.01 10:30

Gestern wurde erstmals seit es in Deutschland Börsen gibt auf die Feststellung des Einheitskurses für fortlaufend notierte Aktien verzichtet. Damit wurde zu Beginn des neuen Jahres eine Institution abgeschafft, die einst den "fairen Kurs" produziert hatte. Er galt als Referenzkurs für Kreditverträge über Steuerfragen bis hin zur Bewertung der Fondsvermögen. Keine Frage, die Abschaffung des Kassakurses für variabel notierte Aktien war überfällig. Der Kurs hatte seit der Einführung der Mindestschlussgröße von 1 Aktie seine Bedeutung verloren. Aber wie so oft, wenn Institutionen ihres ursprünglichen Zweckes entleert auf dem Schrottplatz der Geschichte landen, lohnt der Blick zurück in die gute, alte Zeit. Und diese Zeit war gut, wenn unter "gut" die Bündelung von Liquidität und die effiziente Allokation von Kapital verstanden werden und unter "schlecht" der Hang der Börse, sich in ein Kasino zu wandeln.

Zur Geschichte: Der Kassakurs war früher der Kurs der Kurse. Erst als der fortlaufende Handel eingeführt wurde, kam es zur Unterscheidung. Seither gibt es gerechnete Kurse, wie den Kassakurs, der dort zustande kommt, wo im Skontro der Umsatz maximiert wird, und fortlaufende Kurse, die auf Anfrage sofort gestellt werden. In der jüngeren Vergangenheit wurde der Einheitskurs um die Mittagszeit berechnet. Es war der Kurs, zu dem alle Aufträge der Kleinanleger gebündelt wurden, die 100 Aktien unterschritten. Damit war der Kassakurs in der Regel der Preis, hinter dem sich die meiste Liquidität verbarg. Noch Anfang 1999 standen hinter ihm im Schnitt 8 % des Tagesumsatzes. Und da die Aufträge der Privaten die eigentlich kursbewegenden sind, da der Profihandel kaum Bestandsveränderungen vornimmt, sondern am gewinnbringenden Öffnen und Schließen von Positionen interessiert ist, hatte der Kassakurs zu Recht seine herausragende Bedeutung.
Und da früher sowieso alles besser war, schwankten die Kurse auch gar nicht so stark. Kursveränderungen pro Tag von mehr als 1 % waren im Dax eher die Ausnahme. Das hing auch mit der recht kurzen, dafür aber mit viel Liquidität unterfütterten Börsensitzung sowie mit den Menschen, Maklern und Händlern, zusammen, die, sich durch Blickkontakt kontrollierend, kaum Ausreißmanöver einzelner Titel provozieren konnten. Das war 1996 und bedingt auch noch 1997 der Fall. Wenn damals ein Kurs im Vergleich zum Vortag um mehr als 5 % abwich, war das eine kleine Sensation. Heute sind Kursschwankungen von 1 % langweilig. Die schwersten Titel des Landes schwanken an manchen Tagen um mehr als 10 %. Fast schon Normalität.
Aber nicht nur der Computerhandel samt offener Orderbücher zeichnet für die höhere Volatilität verantwortlich. Auch die exorbitante Handelszeitverlängerung auf inzwischen regulär elf Stunden trägt ihr Scherflein dazu bei. Da versuchen Händler Kurse "anzureißen", ohne Nachricht eine Tendenz zu etablieren, die andere zum Mitmachen animiert. Sind erst genug Unwissende darauf hereingefallen, verkaufen die ersten wieder. Solche Manipulationen waren früher schwieriger. Aber da gab es auch noch kein Heer von Day-Tradern, die ohne Schwankungen ihr Hobby aufgeben müssten. Und den Kursmaklern, die den kompletten Überblick über die Aufträge hatten, war es untersagt, trendverstärkend zu agieren.
Obwohl man sich angesichts der neuen Zustände nach einem "manipulationsfreien" Kurs sehnen könnte, ist die Abschaffung des Kassakurses richtig. Er versprach zuletzt mehr, als er hielt. Seit die Mindestschlussgröße 1 Aktie beträgt, werden die Aufträge der Privaten sofort ausgeführt. Der große Sack, in dem all die kleinen Orders gesammelt wurden, ist leer. Damit verkam der Kassakurs zu einem Zeitkurs, der theoretisch mit einer Aktie zustande kommen konnte. Interessant ist, dass die Börse es nicht für nötig erachtet, einen Nachfolger vorzuschlagen. Wahrscheinlich wird der Schlusskurs die Funktion übernehmen. Doch ist er - trotz Auktion - für Manipulationen anfälliger, als es einst der Kassakurs war. Daher sollte die Börse überlegen, ob sie nicht einen mit dem Umsatz gewichteten Durchschnittskurs berechnet. Das wäre eine Referenz, die nicht so leicht zu manipulieren ist.
Obwohl viele Studien belegen, dass ein Kurs pro Tag, in dem alle Informationen gebündelt sind, theoretisch der effiziente Kurs schlechthin ist, geht der Trend in Richtung weiterer Zersplitterung. Sei es durch die Verteilung der Liquidität auf unterschiedlichen Handelsplattformen oder auf der Zeitachse. Ebenfalls paradox ist, dass fast alle Studien zeigen, dass nur die berühmte "buy and hold"-Strategie den maximalen Return beschert, die Privatanleger aber immer häufiger ihr Portfolio umschichten. Das nährt die Volatilität, und die Volatilität nährt dieses Verhalten. Ein Teufelskreis, der - volkswirtschaftlich betrachtet - die Uninformierten die Zeche zahlen lässt. Trotz aller Echtzeit-Kurse und -Informationen bleiben die Privaten uninformiert. Sie wissen nicht, in welche Richtung der Order Flow den Markt bewegen wird. Aber die Spekulation muss ihnen Spaß machen. Bescherten Privatinvestoren 1996 den Börsen pro Tag 63 000 Aufträge, so waren es im vergangenen Jahr 460 000. Und selbst am Sonntag wird dem Aktienkonsum gefrönt. Vielleicht ist es doch so, dass die Börse immer mehr zu dem mutiert, was Kritiker in ihr schon seit Jahrhunderten sehen, zur größten Spielbank des Landes. Kassakurs hin oder her, mesdames et messieurs, faites vos jeux!

johngirl:

Schon wieder geschummelt ??????

 
03.01.01 11:18
www.boersen-zeitung.com/online/redaktion/aktuell/BZ001005.HTM
DarkKnight:

@Johngirl: langsam werde ich ein Fan von Dir...

 
03.01.01 11:23
...habe übrigens vor Monaten schon gepostet, daß ich die m. E. interessanten Artikel aus der BZ hier reinstelle

Grüsse
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