Über strategische Zahlungsausfälle und die sich forcierende Zwangsversteigerungskrise
Fast ein Jahr, nachdem die Obama-Administration ihr ehrgeiziges Programm zur Rettung des Immobilienmarktes bekannt gemacht hat, brechen die Zahlen der gemeldeten Zwangsversteigerungen immer neue Rekorde, wie finance.yahoo.com berichtet. Laut RealtyTrac wurde im Jahr 2009 über mehr als 2,8 Millionen Anmeldungen zu Zwangsversteigerungen im berichtet, ein Anstieg um 21% im Vergleich mit dem Vorjahr bzw. eine Zunahme um 120% im Vergleich zum Jahr 2007. Unter Berücksichtigung von mehr als 10% der Hypotheken, die jetzt zahlungssäumig sind – ebenfalls ein neuer Rekord – scheint sich abzuzeichnen, dass in diesem Jahr sogar noch mehr Hausbesitzer in Richtung Zwangsversteigerung gehen werden. „Eine hohe Anzahl an zahlungssäumigen Krediten schwebt wie ein Damoklesschwert bedrohlich über den Häusermärkten”, teilte der CEO von RealtyTrac, James J. Saccacio, in einer Erklärung mit. „Viele dieser Zahlungssäumigkeiten werden bereits im Jahr 2010 und in den Folgejahren in einem Zwangsversteigerungsprozess enden.“ Die Hausbesitzer sind aus mehreren Gründen in die Zwangsversteigerungssituation geraten. Einige haben Grundstücke gekauft, die sie sich finanziell niemals wirklich hätten leisten können. Andere verloren ihre Arbeitsstelle – die nationale Arbeitslosenrate bleibt weiterhin zweistellig – und hatten aus diesem Grunde keine Möglichkeit mehr, ihre Hypothekenzahlungen zu leisten. Aber nun, da die Krise weiter voranschreitet, hat sich eine zusätzliche Triebkraft für Zwangsversteigerungen herauskristallisiert: Viele Kreditnehmer besitzen zwar die finanziellen Mittel, um ihre Hypothekenzahlungen weiter zu leisten, geben ihre Häuser jedoch einfach auf, weil sie glauben, dass diese Entscheidung die bestmögliche in Bezug auf ihre finanzielle Situation ist. Die Anzahl der so genannten „strategischen Zahlungsausfälle” hat sich von 2007 auf 2008 auf 588.000 Fälle nahezu verdoppelt, wie aus einer Studie von Experian und Oliver Wyman hervorgeht. Eine weitere Umfrage aus dem Jahr 2009 indizierte, dass beinahe ein Viertel aller Zahlungsausfälle auf strategischen Überlegungen basierte. Währenddessen preist eine wachsende Anzahl von Akademikern und Universitätsprofessoren die Vorzüge an, die sich für die Kreditnehmer ergeben, wenn sie einfach die Schlüssel für ihre Immobilien bei den Banken abgeben. „Die Hausbesitzer sollten in Scharen davonlaufen“, erklärte Brent T. White, Juraprofessor an der University of Arizona in einer vor Kurzem publizierten Arbeit. „Die Kosten einer Zwangsversteigerung, die nicht unbedeutend sind, sind im Vergleich zu den Vorzügen eines strategischen Zahlungsausfalls minimal.“
Die Entscheidung zu einem strategischen Zahlungsausfall wird oftmals mit negativen Vermögenswerten oder höheren Kreditschulden, die auf den Häusern lasten als sie wert sind, verbunden. Nun, da die Immobilienpreise auf nationaler Ebene um mehr als 30% seit ihrem Höchststand im Jahr 2006 eingebrochen sind – und in bestimmten Blasenmärkten wie Kalifornien oder Florida sogar noch um einiges mehr – befinden sich jetzt ziemlich viele Hausbesitzer in dieser Klemme. Laut First American CoreLogic weist momentan fast einer von vier Kreditnehmern einen negativen Vermögenswert auf. Und bevor sie weiterhin Zahlungen auf ein Investment leisten, das jetzt viel weniger wert ist als die Hypothek, die sie für den Kauf aufgenommen haben, werfen viele Kreditnehmer jetzt lieber das Handtuch. Professor White nutzt das folgende Beispiel, um zu demonstrieren, dass viele Kreditnehmer mit einem selbst erklärten Zahlungsausfall besser dran sind: ein junges berufstätiges Ehepaar mit zwei Kindern bezahlte im Januar 2006 für ein Haus mit drei Zimmern in Salinas, Kalifornien durchschnittlich $585.000. Mit monatlichen Zahlungen in Höhe von $4.300 auf ihre 30-jährige Hypothek mit einem festen Zinssatz in Höhe von 6,5 Prozent ohne die Leistung einer Anzahlung auf die Immobilie repräsentieren diese zu leistenden Zahlung ein bisschen weniger als 31 Prozent ihres monatlichen Bruttoeinkommens. Wenn man noch Steuern, laufende Studienkredite, Gesundheitsvorsorge, Lebensmittel und andere Notwendigkeiten hinzu addiert, wird das Geld schnell knapp. Nach dem erfolgten historischen Immobilienzusammenbruch ist ihr Haus jetzt nur noch $187.000 wert, jedoch schuldet die Familie der Bank weiterhin $560.000. Andere Häuser in ihrer Nachbarschaft sind ebenfalls im stark im Wert gesunken. Und wenn das Ehepaar ein ähnliches in der Nähe gelegenes Objekt kaufen würde, das mit $179.000 gelistet ist, betrügen ihre monatlich zu leistenden Zahlungen weniger als $1.200 im Monat. Dies ist eine riesige Ersparnis gegenüber ihrer monatlichen Hypothekenbelastung von momentan $4.300. Da eine Zwangsversteigerung in ihrem Bericht zur Kreditbonität jedoch wahrscheinlich dazu führen wird, dass sie in nächster Zeit kein Haus kaufen können, muss die Familie vielleicht zur Miete wohnen. Und mit etwa $1.000 im Monat bekommen sie durchaus ein vergleichbares Mietobjekt in ihrer Gegend. „Wenn man davon ausgeht, dass die Familie beabsichtigt, zehn Jahre in ihrem Haus zu bleiben, würden die Hausbesitzer durch das Aufgeben ihres Hauses etwa $340.000 sparen, dazu kommen monatliche Ersparnisse von mindestens $1.700 an Mieten gegenüber den Hypothekenzahlungen, selbst wenn man die Steuerreduzierung für laufende Hypothekenzinsen mit einkalkuliert“, schreibt White in seinem Aufsatz. „Wenn die Familie andererseits in ihrem Haus bliebe, würde es über 60 Jahre dauern, nur damit sich der Vermögenswert erholt – natürlich davon ausgehend, dass sie überhaupt so lange leben.“ Das Argument gegen einen strategischen Zahlungsausfall ist sehr viel direkter: Die Familie hat sich dazu verpflichtet, den aufgenommenen Kredit zurück zu bezahlen, als sie den Hypothekenvertrag unterzeichnet hat, und es liegt in Ihrer Verantwortung, alles dafür zu tun, um dieser Verpflichtung nachzukommen.
Um die Schuld- und Schamgefühle zu vermeiden, die oftmals mit einer Zwangsversteigerung einhergehen, ist einer der Hauptgründe, warum Not leidende Hausbesitzer den strategischen Zahlungsausfall versuchen zu vermeiden, schreibt White. Obendrauf kommt noch, dass eine Zwangsversteigerung die eigene Kreditbonität nachhaltig schädigen kann – was es schwierig, wenn nicht unmöglich macht, sogar Jahre danach noch eine neue Hypothek zu erhalten. Im Hinblick auf eine neue Gesetzesvorlage argumentiert Alex Edmans, Finanzprofessor an der Wharton School der Universität von Pennsylvania, dass viele Hauseigner diese Konsequenzen ignorieren, um das zu tun, was ihrer Meinung nach das Beste für ihre individuelle Finanzsituation ist. „Auf ihren aufgenommenen Kredit zahlungsausfällig zu werden ist eine schlichtweg rationale Entscheidung: während sie sich dazu entscheiden ihr Haus aufzugeben, werfen sie ihre Verpflichtungen zur Abzahlung einer Hypothek, die in vielen Fällen einen astronomisch hohen Betrag im Vergleich mit den aktuellen Immobilienwerten aufweist, einfach ab“, schreibt Edmans. „Die Wurzel des Problems ist die Bilanz des Hauses: da viele Häuser einen negativen Vermögenswert aufweisen, lohnt es sich nicht mehr, es durch die Leistung weiterer Hypothekenzahlungen zu behalten.” Das Thema der negativen Vermögenswerte, das immer mehr strategische Zahlungsausfälle auslöst, bereitet der Obama-Administration schlimme Kopfschmerzen. Das $75 Milliarden schwere Programm zur Rettung der Häusermärkte, das die Administration im letzten Februar bekannt gab, fokussierte sich darauf, die Leute in ihren Häusern zu halten, indem die Hypothekenzahlungen durch Kreditmodifizierungen auf ein erträgliches Maß reduziert wurden. Der Plan verpflichtet die Kreditgeber oder Dienstleister jedoch nicht dazu, die Hypothekengrundschuld des Kreditnehmers zu reduzieren – was bedeutet, dass unter Wasser befindliche Kreditnehmer immer noch einen Anreiz dazu haben, ihren Immobilienkredit aufzugeben. Laurie Goodman, Verwaltungsdirektorin bei der Amherst Securities Group, betrachtet negative Vermögenswerte als größte Herausforderung für die Immobilienmärkte und ist davon überzeugt, dass die aktuellen Rettungsmaßnahmen für die Häusermärkte unzureichend sind. „Das derzeitige Modifizierungsprogramm befasst sich nicht mit diesen alles entscheidenden negativen Vermögenswerten und ist deshalb zum Scheitern verurteilt”, erklärte Goodman in einer schriftlichen Aussage vor einem Komitee des US-Kongresses im Dezember. „Dieser Aspekt muss noch ergänzt werden, um dieses Problem explizit anzugehen.“ Obwohl Uncle Sam die Hypothekenzahlungen für mehr als 850.000 Kreditnehmer im Mittel um rund $500 reduziert hat, wird die Regierung weiterhin unter Druck stehen, solange die Zwangsversteigerungsepidemie weiter um sich greift. Mark Zandi, Chefökononom bei Moody´s Economy.com, ist der Ansicht, dass die Regierung wahrscheinlich Maßnahmen einleiten wird, um die Angelegenheit der negativen Vermögenswerte im Laufe dieses Jahres durch die Anordnung zur Abschreibung eines Teils der Grundschulden zu adressieren. Eine Verminderung der Grundschulden der Kreditnehmer würde den negativen Vermögenswert reduzieren, so dass eine derartige Maßnahme in das Programm zur Rettung der Immobilienmärkte aufgenommen werden könnte.
Anm.: Ja, was der eine bekommt, muss der andere verlieren – wenn die Hausbesitzer Grundschulden erlassen bekommen, dann werden die Banken den schwarzen Peter in der Hand halten, da noch mehr Abschreibungen fällig werden, die sie sofort buchen müssen, wodurch sich ihre dünne Eigenkapitaldecke weiter vermindert. Aber stopp – wozu gibt es die Druckerpresse und Helikopter Ben? Wahrscheinlich wird die Obama-Regierung den Banken mitteilen, dass sie einen großen Teil der in diesem Falle vorzunehmenden Abschreibungen übernimmt und den Banken einen finanziellen Ausgleich zukommen lässt. Das Rad der Fortuna wird sich noch für dieses Schneeballsystem noch so lange drehen, solange die Verlagerung nahezu aller Kreditrisiken auf die Allgemeinheit der Steuerzahler so weit vorangeschritten ist, bis das gesamte Kartenhaus vollends zusammenkracht! In diesem Kontext sollte man sich ruhig noch einmal den oben eingestellten und göttlichen Subprime-Mortgage Blues anhören, der die Situation wie ein Nagel auf den Kopf trifft!
video folgt............