Ein Zyklus ist eine sich wiederholende Reihenfolge von Ereignissen. Niemand käme auf die Idee, ernsthaft bestreiten zu wollen, daß in der Welt nahezu alles Lebendige einer strengen Zyklik unterliegt. Tag- und Nachtrhythmus, der Ablauf der Jahreszeiten und der Gezeitenwechsel sind nur einige bekannte Beispiele für dieses Phänomen, in das wir dermaßen tief eingebettet sind, daß wir es in der Regel gar nicht wahrnehmen oder thematisieren. Das wohl älteste Beispiel zyklischen Verhaltens findet sich in den "sieben fetten und sieben mageren Jahren" in der Bibel.
Und so kann es nicht verwundern, daß wißbegierige Marktteilnehmer auch in den Finanzmärkten nach zyklischen Abläufen suchten, die das Wechselspiel zwischen Hausse und Baisse, steigenden und fallenden Notierungen erklären sollten.
Das bekannteste Ergebnis dieser Bemühungen ist der nach seinem Entdecker benannte Kondratieff’sche Wirtschaftszyklus, der einen 53 Jahre währenden Konjunkturzyklus beschreibt, der von Rezession über Depression in einen neuen Aufschwung und eine nachfolgende Boomphase einmündet. Kondratieff sah den Ursprung dieser immer wiederkehrenden Abläufe keineswegs in volkswirtschaftlichen Determinaten, sondern im menschlichen Handeln.
Für den Privatanleger ist der Zeithorizont dieses Zyklus sicherlich allenfalls zur aktuellen Standortbestimmung von Interesse. Für das tägliche Börsengeschäft wichtiger ist die Frage, ob sich auch im Kursverlauf einzelner Wertpapiere eine Zyklik aufspürenläßt.
Und in der Tat: Bei vielen Aktien, aber auch in der Kursentwicklung etwa des Zinsmarktes und diverser Rohstoffe lassen sich ausgesprochen verblüffende Regelmäßigkeiten etwa des zeitlichen Abstandes von Kurstiefs ausmachen. Auffällig hierbei ist, daß es kurz-, mittel- und langfristige Zyklen zu geben scheint, die sich überlagern. Logischerweise wirken sich diese offensichtlichen zyklischen Kräfte immerdann am stärksten aus, wenn sich Zyklen verschiedener Zeitebenen überlagern und gemeinsam einen Hoch- bzw. Tiefpunkt ansteuern. Laufen die Zyklen verschiedener Zeitebenen indes gegeneinander, kann es auch zur völligen Aufhebung der widersprüchlich wirkenden Kräfte kommen.
Besonders ausgeprägt sind die sgn. saisonalen Zyklen, wie sie insbesondere in den Futuresmärkten für nachwachsende Rohstoffe (etwa Weizen, Mais, Sojabohnen, Baumwolle)oder im "Fleischkomplex" (Rinder, Schweine, Hühner) auftauchen.
Zyklen lassen sich natürlich dann am besten zum Markt-Timing nutzen, wenn der Abstand der Zyklentiefs gleichmäßig verläuft. Aber auch das "Aus dem Tritt geraten"eines etablierten Zyklus kann sicherlich wertvolle Hinweise zum Timing geben, und sei es nur, um den Anstoß zu einem besonneneren Trading zu geben.
Eine Sonderstellung bei der Analyse zeitlicher Abläufe des Kursgeschehens stellen die Fibonacci-Zeitzonen, die Elliott-Wellen und das von W. D. Gann erarbeiteten Winkelschema dar. Alle diese Analyseverfahren sind unter Experten äußerst umstritten, werden jedoch von wirklichen Kennern mit teilweise verblüffender Treffgenauigkeit bei Markt-Timingeingesetzt.
Viele der heute angebotenen Software-Programme zur Wertpapieranalyse haben einen "Zyklenfinder", mit dessen Hilfe sich die historischen Kursdaten auf bestehende Regelmäßigkeiten im Kursablauf hin untersuchen lassen.
Abschließend noch zwei wichtige Hinweise:
1. Die Zyklentechnik kann Kauf- und Timing-Entscheidungen an der Börse zweifellosnicht alleine bewältigen, als unterstützendes Tool macht sie in Kombination mit Chart-und Markttechnik jedoch sicherlich Sinn.
2. Der Begriff "zyklische Aktien" bezieht sich ausschließlich auf die Konjunkturabhängigkeit einzelner Branchen. So gelten beispielsweise Versorger-Aktien als typische "Zykliker", da sie eine starke Affinität zur Zinsentwicklung aufweisen.
Gruß
Arbeiter