. . .denn lange kann das Trauerspiel ja nicht mehr dauern. :o)
© DER SPIEGEL 20/2001
Alle Rechte vorbehalten
Monsieur Minus
In Monte Carlo wird am Samstag der "World Entrepreneur of the Year" gewählt. Für Deutschland geht der Internet-Unternehmer Peter Kabel ins Rennen - warum, weiß niemand so genau.
Im Hôtel de Paris in Monte Carlo kürt eine internationale Jury am kommenden Samstag den "World Entrepreneur of the Year". Hoher Favorit für den Titel des weltbesten Unternehmers ist der Amerikaner Scott Kriens. Dessen Unternehmen Juniper Networks stellt Steuerungsgeräte für das Internet her und wird an der Börse mit 170 Milliarden Dollar bewertet.
Deutschland wird im Wettbewerb durch Peter Kabel vertreten. Der deutsche Unternehmer des Jahres 2000 ist bisher nicht wie Kriens durch hohe Gewinne, sondern durch horrende Verluste aufgefallen. Seine Multimediaagentur Kabel New Media machte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2000/01 knapp 67 Millionen Mark Verlust.
Wie wird so einer Entrepreneur des Jahres? Gibt es nicht auch in Deutschland wachstumsstarke Unternehmen, die Geld verdienen, anstatt es zu vernichten?
"Kabel ist auf Grund seiner Leistung vor einem Jahr beurteilt worden", heißt es etwas kleinlaut bei der Prüfungsgesellschaft Ernst & Young, die den Wettbewerb organisiert. Zwar machte Kabel New Media schon damals keine Gewinne. Aber als im Frühjahr 2000 der nationale Preis verliehen wurde, überstrahlte der Wahnsinnsboom an der Börse alle Probleme.
Mitte März 2000 wurde Kabels Unternehmen, das Beratungsleistungen rund ums Internet verkauft, mit 2,6 Milliarden Mark bewertet. Der Diplom-Kommunikationsdesigner galt als Popstar der Branche. "Sein Erscheinen auf Partys wird mittlerweile per Pressemitteilung angekündigt", meldete ehrfürchtig das Branchenblatt "Net-Business".
Es war die schöne Geschichte vom schnellen Aufstieg aus einfachen Verhältnissen, der die Software-Kids so faszinierte. Kabel, der Sohn eines Ägypters und einer Deutschen, hatte sich Ende 1993 mit der Kabel New Media und drei Mitarbeitern in Hamburg selbständig gemacht. Vier Jahre später war er schon Chef über 37 Mitarbeiter und Professor für Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Hamburg.
Früher als viele andere erkannte Kabel die Bedeutung des Internet. Als Großunternehmen wie BMW, der Fernsehsender Sat.1 oder die Telefonfirma Otelo ins Netz strebten, entwickelte er mit seinen Leuten die bunten Web-Seiten.
Doch der richtige Kick für die Karriere kam im Juni 1999, als Kabel seine Kabel New Media an die Börse brachte. "Wir wollen nicht in der Bezirksliga spielen, sondern in der Champions League", gab er als Ziel vor. Der Neue Markt stellte ihm in Form von Aktien die Währung für alle Aufstiegshoffnungen zur Verfügung.
Schon vor dem Börsengang hatte Kabel das richtige Händchen bei der Auswahl der Investoren. Im Prospekt, den Kabel zum Börsengang vorlegte, wurden sie als Business Angels, als Unternehmensengel, geführt - zum Beispiel Georg Kofler. Der damalige Chef des Fernsehsenders ProSieben schien als Kontaktmann zum Münchner Medienmogul Leo Kirch für Kabel wichtig. Dessen Fernsehsender Sat.1 war nach BMW einer der wichtigsten Kunden.
Auch den Internet-Auftritt der Harald-Schmidt-Show, die auf Sat.1 läuft, durfte der Hamburger gestalten. "Kurz vor Weihnachten wurde auf der Harald-Schmidt- Website der Chat 'Inside Haralds Hirn' eröffnet", hieß es stolz im Börsenprospekt.
Insgesamt 90 Prozent des Umsatzes wurden im Jahr 1998 mit drei Kunden - BMW, Sat.1 und O.tel.o - bestritten.
Nach dem Börsengang ging Kabel auf Einkaufstour. Klugerweise nahm er dafür nicht die rund 43 Millionen Mark, die ihm durch den Börsengang zuflossen. Die liquiden Mittel blieben im Unternehmen, um die anhaltenden Verluste abzudecken.
Stattdessen nutzte Kabel immer neue Aktienpakete als Akquisitionswährung. Innerhalb kürzester Zeit kaufte er quer durch Europa zu völlig überzogenen Preisen elf Unternehmen zusammen. Die schwedische Internet-Gesellschaft Projector kostete im Dezember 1999 rund 100 Millionen Mark. Im Januar 2000 kam die Internet-Firma K-Web aus dem britischen Brighton mit 15 Mitarbeitern für 16 Millionen Mark hinzu.
"Wenn wir ein Unternehmen übernehmen, kaufen wir nicht die Tische und Stühle, sondern die Menschen mit ihrem unternehmerischen Denken", sagte Kabel gern. Jeder der 65 Schweden von Projector kostete ihn in seiner Aktienwährung 1,5 Millionen Mark. Die Briten gaben sich mit gut einer Million Mark pro Nase zufrieden. Die 100 Software-Entwickler, Sekretärinnen und Werbeleute von Team4 aus Aachen kosteten 50 Millionen Mark, die 100 Leute von Iqena in Bonn und Friedrichshafen kamen für 70 Millionen Mark.
Sicherlich wurden im Jahr 2000 nicht nur von Kabel Irrsinnspreise für Internet-Profis gezahlt. Doch er überbot des Öfteren die Konkurrenz. Der Grund: Nur durch Zukauf ließen sich die großen Wachstumsraten beim Umsatz erzielen, die er seinen Investoren versprochen hatte.
Doch seit der Internet-Blase die Luft entweicht, sieht es bei Kabel nicht mehr so gut aus. Die Aktie verlor gegenüber März 2000 über 90 Prozent ihres Werts. Die Aktionäre machen sich Sorgen, ob das Geschäftsmodell von reinen Internet-Beratern wie Kabel New Media, Pixelpark oder SinnerSchrader in Zukunft noch trägt.
Die Web-Seiten der Old-Economy-Firmen sind gebaut. Traditionelle Beratungsfirmen wie KPMG oder PricewaterhouseCoopers haben Internet-Abteilungen aufgebaut. Gleichzeitig offerieren Hunderte kleiner Internet-Firmen ihre teilweise hoch spezialisierten Dienste zu Discountpreisen, weil auch sie ums Überleben kämpfen.
Hinzu kommt: Die etablierten Firmen reduzieren nun auch in Deutschland wie vorher schon in den USA ihre Internet-Etats. Die Hälfte der Ausschreibungen, so berichtet ein entnervter Pixelpark-Manager, werden derzeit einfach abgesagt.
Rhetorisch hat Kabel die Wende zu den härteren Zeiten noch nicht ganz geschafft. "Ich muss mein Unternehmen nach Umsatz und nicht nach Kosten führen", sagte er in der vergangenen Woche. Die Kundenbasis sei sehr stabil.
Doch intern wird die Sense ausgepackt. In Schweden mussten 40 Leute gehen. Zum 31. März hat Kabel sämtliche Aktivitäten in den USA eingestellt. Die Entwickler im britischen Brighton erwarten in der nächsten Woche die Nachricht, wie viele Leute gehen müssen. Auch in Deutschland gibt es nun, so Kabel, etwa sieben Prozent weniger Mitarbeiter als noch im Dezember.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Am 31. Dezember hatte Kabel nur noch liquide Mittel von 24 Millionen Mark übrig. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten haben sich innerhalb von neun Monaten auf 80 Millionen Mark verfünffacht.
Kabels Versprechen, im operativen Geschäft für die ersten drei Monate dieses Jahres erstmals "eine schwarze Null" vorzuweisen, halten selbst wohlwollende Analysten wie Stefan Borscheid von der HypoVereinsbank "für wenig wahrscheinlich". Bei Berücksichtigung der hohen Abschreibungen auf die teuer eingekauften Unternehmen wird Kabel New Media sowieso für lange Zeit in den roten Zahlen bleiben.
Die Börse reagierte erleichtert, als Kabel im Januar in einer Ad-hoc-Meldung ankündigte, dass die New Yorker Anlagegesellschaft Global Emerging Markets (GEM) bereit sei, für maximal 15 Millionen Euro Aktien zu übernehmen. Kabel könne den Zeitpunkt frei bestimmen. Mittlerweile hat GEM, so Kabel, "eine kleine Tranche" überwiesen. Der Internet-Unternehmer wollte ausprobieren, ob der Kapitalnachschub aus New York auch wirklich klappt.
Kabel selbst hat seinen Anteil am Unternehmen im Frühjahr 2000 reduziert, als der Kurs um ein Vielfaches höher war als heute. Er kassierte mehrere Millionen Mark. Wie so viele Unternehmer des Neuen Marktes hatte er ein untrügliches Gefühl für das richtige Timing. Nun freut er sich - auch auf die Reise nach Monte Carlo.
CHRISTOPH PAULY
www.spiegel.de/spiegel/0,1518,133580,00.html
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Monsieur Minus
In Monte Carlo wird am Samstag der "World Entrepreneur of the Year" gewählt. Für Deutschland geht der Internet-Unternehmer Peter Kabel ins Rennen - warum, weiß niemand so genau.
Im Hôtel de Paris in Monte Carlo kürt eine internationale Jury am kommenden Samstag den "World Entrepreneur of the Year". Hoher Favorit für den Titel des weltbesten Unternehmers ist der Amerikaner Scott Kriens. Dessen Unternehmen Juniper Networks stellt Steuerungsgeräte für das Internet her und wird an der Börse mit 170 Milliarden Dollar bewertet.
Deutschland wird im Wettbewerb durch Peter Kabel vertreten. Der deutsche Unternehmer des Jahres 2000 ist bisher nicht wie Kriens durch hohe Gewinne, sondern durch horrende Verluste aufgefallen. Seine Multimediaagentur Kabel New Media machte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2000/01 knapp 67 Millionen Mark Verlust.
Wie wird so einer Entrepreneur des Jahres? Gibt es nicht auch in Deutschland wachstumsstarke Unternehmen, die Geld verdienen, anstatt es zu vernichten?
"Kabel ist auf Grund seiner Leistung vor einem Jahr beurteilt worden", heißt es etwas kleinlaut bei der Prüfungsgesellschaft Ernst & Young, die den Wettbewerb organisiert. Zwar machte Kabel New Media schon damals keine Gewinne. Aber als im Frühjahr 2000 der nationale Preis verliehen wurde, überstrahlte der Wahnsinnsboom an der Börse alle Probleme.
Mitte März 2000 wurde Kabels Unternehmen, das Beratungsleistungen rund ums Internet verkauft, mit 2,6 Milliarden Mark bewertet. Der Diplom-Kommunikationsdesigner galt als Popstar der Branche. "Sein Erscheinen auf Partys wird mittlerweile per Pressemitteilung angekündigt", meldete ehrfürchtig das Branchenblatt "Net-Business".
Es war die schöne Geschichte vom schnellen Aufstieg aus einfachen Verhältnissen, der die Software-Kids so faszinierte. Kabel, der Sohn eines Ägypters und einer Deutschen, hatte sich Ende 1993 mit der Kabel New Media und drei Mitarbeitern in Hamburg selbständig gemacht. Vier Jahre später war er schon Chef über 37 Mitarbeiter und Professor für Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Hamburg.
Früher als viele andere erkannte Kabel die Bedeutung des Internet. Als Großunternehmen wie BMW, der Fernsehsender Sat.1 oder die Telefonfirma Otelo ins Netz strebten, entwickelte er mit seinen Leuten die bunten Web-Seiten.
Doch der richtige Kick für die Karriere kam im Juni 1999, als Kabel seine Kabel New Media an die Börse brachte. "Wir wollen nicht in der Bezirksliga spielen, sondern in der Champions League", gab er als Ziel vor. Der Neue Markt stellte ihm in Form von Aktien die Währung für alle Aufstiegshoffnungen zur Verfügung.
Schon vor dem Börsengang hatte Kabel das richtige Händchen bei der Auswahl der Investoren. Im Prospekt, den Kabel zum Börsengang vorlegte, wurden sie als Business Angels, als Unternehmensengel, geführt - zum Beispiel Georg Kofler. Der damalige Chef des Fernsehsenders ProSieben schien als Kontaktmann zum Münchner Medienmogul Leo Kirch für Kabel wichtig. Dessen Fernsehsender Sat.1 war nach BMW einer der wichtigsten Kunden.
Auch den Internet-Auftritt der Harald-Schmidt-Show, die auf Sat.1 läuft, durfte der Hamburger gestalten. "Kurz vor Weihnachten wurde auf der Harald-Schmidt- Website der Chat 'Inside Haralds Hirn' eröffnet", hieß es stolz im Börsenprospekt.
Insgesamt 90 Prozent des Umsatzes wurden im Jahr 1998 mit drei Kunden - BMW, Sat.1 und O.tel.o - bestritten.
Nach dem Börsengang ging Kabel auf Einkaufstour. Klugerweise nahm er dafür nicht die rund 43 Millionen Mark, die ihm durch den Börsengang zuflossen. Die liquiden Mittel blieben im Unternehmen, um die anhaltenden Verluste abzudecken.
Stattdessen nutzte Kabel immer neue Aktienpakete als Akquisitionswährung. Innerhalb kürzester Zeit kaufte er quer durch Europa zu völlig überzogenen Preisen elf Unternehmen zusammen. Die schwedische Internet-Gesellschaft Projector kostete im Dezember 1999 rund 100 Millionen Mark. Im Januar 2000 kam die Internet-Firma K-Web aus dem britischen Brighton mit 15 Mitarbeitern für 16 Millionen Mark hinzu.
"Wenn wir ein Unternehmen übernehmen, kaufen wir nicht die Tische und Stühle, sondern die Menschen mit ihrem unternehmerischen Denken", sagte Kabel gern. Jeder der 65 Schweden von Projector kostete ihn in seiner Aktienwährung 1,5 Millionen Mark. Die Briten gaben sich mit gut einer Million Mark pro Nase zufrieden. Die 100 Software-Entwickler, Sekretärinnen und Werbeleute von Team4 aus Aachen kosteten 50 Millionen Mark, die 100 Leute von Iqena in Bonn und Friedrichshafen kamen für 70 Millionen Mark.
Sicherlich wurden im Jahr 2000 nicht nur von Kabel Irrsinnspreise für Internet-Profis gezahlt. Doch er überbot des Öfteren die Konkurrenz. Der Grund: Nur durch Zukauf ließen sich die großen Wachstumsraten beim Umsatz erzielen, die er seinen Investoren versprochen hatte.
Doch seit der Internet-Blase die Luft entweicht, sieht es bei Kabel nicht mehr so gut aus. Die Aktie verlor gegenüber März 2000 über 90 Prozent ihres Werts. Die Aktionäre machen sich Sorgen, ob das Geschäftsmodell von reinen Internet-Beratern wie Kabel New Media, Pixelpark oder SinnerSchrader in Zukunft noch trägt.
Die Web-Seiten der Old-Economy-Firmen sind gebaut. Traditionelle Beratungsfirmen wie KPMG oder PricewaterhouseCoopers haben Internet-Abteilungen aufgebaut. Gleichzeitig offerieren Hunderte kleiner Internet-Firmen ihre teilweise hoch spezialisierten Dienste zu Discountpreisen, weil auch sie ums Überleben kämpfen.
Hinzu kommt: Die etablierten Firmen reduzieren nun auch in Deutschland wie vorher schon in den USA ihre Internet-Etats. Die Hälfte der Ausschreibungen, so berichtet ein entnervter Pixelpark-Manager, werden derzeit einfach abgesagt.
Rhetorisch hat Kabel die Wende zu den härteren Zeiten noch nicht ganz geschafft. "Ich muss mein Unternehmen nach Umsatz und nicht nach Kosten führen", sagte er in der vergangenen Woche. Die Kundenbasis sei sehr stabil.
Doch intern wird die Sense ausgepackt. In Schweden mussten 40 Leute gehen. Zum 31. März hat Kabel sämtliche Aktivitäten in den USA eingestellt. Die Entwickler im britischen Brighton erwarten in der nächsten Woche die Nachricht, wie viele Leute gehen müssen. Auch in Deutschland gibt es nun, so Kabel, etwa sieben Prozent weniger Mitarbeiter als noch im Dezember.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Am 31. Dezember hatte Kabel nur noch liquide Mittel von 24 Millionen Mark übrig. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten haben sich innerhalb von neun Monaten auf 80 Millionen Mark verfünffacht.
Kabels Versprechen, im operativen Geschäft für die ersten drei Monate dieses Jahres erstmals "eine schwarze Null" vorzuweisen, halten selbst wohlwollende Analysten wie Stefan Borscheid von der HypoVereinsbank "für wenig wahrscheinlich". Bei Berücksichtigung der hohen Abschreibungen auf die teuer eingekauften Unternehmen wird Kabel New Media sowieso für lange Zeit in den roten Zahlen bleiben.
Die Börse reagierte erleichtert, als Kabel im Januar in einer Ad-hoc-Meldung ankündigte, dass die New Yorker Anlagegesellschaft Global Emerging Markets (GEM) bereit sei, für maximal 15 Millionen Euro Aktien zu übernehmen. Kabel könne den Zeitpunkt frei bestimmen. Mittlerweile hat GEM, so Kabel, "eine kleine Tranche" überwiesen. Der Internet-Unternehmer wollte ausprobieren, ob der Kapitalnachschub aus New York auch wirklich klappt.
Kabel selbst hat seinen Anteil am Unternehmen im Frühjahr 2000 reduziert, als der Kurs um ein Vielfaches höher war als heute. Er kassierte mehrere Millionen Mark. Wie so viele Unternehmer des Neuen Marktes hatte er ein untrügliches Gefühl für das richtige Timing. Nun freut er sich - auch auf die Reise nach Monte Carlo.
CHRISTOPH PAULY
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