Aus der FTD vom 19.2.2003 www.ftd.de/kapital
Das Kapital: Als Milchkuh hätte UBS jeden Preis verdient
In der Schweiz weiß man, dass anderer Leute Kühe immer ein größeres Euter haben. Und was dem Bauern recht ist, muss dem Aktionär der größten Bank des Landes wohl billig sein.
Wenn der Alpenfirn sich rötet
Noch im Herbst war UBS ein Star unter den Schaukühen des Sektors. Doch mit den Streicheleinheiten der Anleger ist es längst vorbei. Seit Jahresbeginn hat UBS insgesamt 14,3 Prozent eingebüßt, fast doppelt so viel wie der europäische Sektor.
Am Jahresergebnis kann das kaum liegen. Mit Vorsicht, Glück und - als Schweizer Bank - sicher auch Gottes Segen hat sie im vierten Quartal sogar 11 Mio. Franken an Wertberichtigungen für Kreditrisiken auflösen können. Soviel Trittsicherheit sollte sonstige Schönheitsfehler eigentlich mehr als ausgleichen. Die gibt es durchaus. So mancher Preisrichter munkelte etwa, das Privatkundengeschäft sei inzwischen etwas ungleichmäßig bemuskelt. Insgesamt konnte UBS zwar beachtliche 9 Mrd. Franken an neuen Kundengeldern gewinnen. Allerdings entfielen davon 6,3 Mrd. Franken auf PaineWebber, was niedrigere Margen verheißt. Das ist bitter, leiden die Verwaltungsgebühren doch ohnehin unter dem Bärenmarkt.
Den US-Broker zu erwerben, war jedenfalls ein schlechter Kuhhandel, der sich nun mit einer Goodwill-Abschreibung von 953 Mio. Franken auf die Marke PaineWebber rächt. Aber das war ja längst bekannt, ebenso wie das vergleichsweise geringe Bußgeld von 111 Mio. Franken an den New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer.
Und immerhin dürfte UBS Warburg einen Teil davon bei den Boni wieder eingespart haben, wenn auch nicht ganz so massiv wie von den Analysten der Konkurrenz erhofft. Das Verhältnis des Personalaufwands zu den Einnahmen sank jedenfalls im vierten Quartal wieder leicht auf 55 Prozent. Dieser Tage reicht eben schon die Aussicht auf einen sicheren Unterschlupf, um die besten Zuchtbullen in den Stall zu locken.
Trotzdem traut man der UBS-Aktie nicht zu, beim nächsten Almauftrieb ganz vorn dabei zu sein, schon wegen der außergewöhnlich soliden Bilanz. Andererseits ist sie wegen des starken Investmentbankings nicht ganz so krisensicher wie etwa BNP Paribas. Und mit einem laufenden KGV von 12,9 ist UBS etwas teurer als der Sektor. Aber jedem kaufwilligen Bauer ist klar, dass es letztlich nicht nur auf den flüchtigen Eindruck der Preisrichter ankommt, sondern auf die Milchleistung in schweren Zeiten. Und welche andere Bank könnte sich dieser Tage schon eine Dividendenrendite von 3,3 Prozent und weitere Aktienrückkäufe von nochmals sieben Prozent des Börsenwerts leisten, ohne die Bilanz nachhaltig zu melken?
Reuters
Wenn man bei einem Kassettenrekorder auf Vorspulen drückt, kommt man schnell ans Ende des Tonbands. Darauf wollte Reuters-Chef Tom Glocer zwar sicher nicht anspielen, als er am Dienstag den neuen "Fast Forward"-Sanierungsplan für den britischen Informationsdienstleister bekannt gab.
Aber wenn Reuters weiter so heftig zurückspult wie 2002, gelangt die ehrwürdige Traditionsfirma schnell an den Anfang vom Ende. Schlimm genug, dass der Umsatz 2002 um zwölf Prozent fiel und vor Steuern ein Verlust von 493 Mio. £ eingefahren wurde, vor allem wegen hoher Abschreibungen. Wirklich erschreckend ist jedoch, dass die Zahl der Reuters-Terminals um 18 Prozent einbrach, die mit ihren monatlichen Gebühren neun Zehntel der Einnahmen ausmachen. Deshalb wird der Umsatz in diesem Kerngeschäft im ersten Halbjahr 2003 erneut um neun bis zehn Prozent schrumpfen, also noch schneller als im vergangenen Jahr - und stärker, als die Analysten befürchteten.
Dass Reuters mit der Krise in der Finanzbranche und billigeren Informationsdiensten per Internet zu kämpfen hat, ist natürlich richtig. Aber es ist auch nicht neu. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Briten nicht nur sehr spät auf die Börsenbaisse reagierten, sondern auch durch einen Wirrwarr von Produkten und schlechtem Service die Gunst vieler Kunden verschenkt haben. Vermutlich sind Marktanteile an Bloomberg und Thomson Financial verloren gegangen. Selbstredend will Glocer das jetzt ändern: Durch eine einheitliche IT-Plattform, neue Dienstleistungen und eine straffere Organisation. 3000 Stellen sollen bis 2005 abgebaut werden, um 440 Mio. £ zu sparen. Aber ob das klappt, ohne die Qualität zu beinträchtigen, ist zu bezweifeln.
Der Kurs ist zwar am Dienstag auf ein 14-Jahres-Tief gefallen. Aber nachdem die Gewinnprognosen ebenso schnell sinken, bleibt die Bewertung mit einem KGV von fast 19 für 2003 abenteuerlich. Gut, Reuters wirft momentan eine Rendite von über sieben Prozent ab. Doch die Anleger ahnen schon, dass die Dividende angesichts der anfallenden Restrukturierungskosten alles andere als nachhaltig gesichert ist. Wer schon jetzt "Play" drückt, dem droht Bandsalat.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration: FTD
Das Kapital: Als Milchkuh hätte UBS jeden Preis verdient
In der Schweiz weiß man, dass anderer Leute Kühe immer ein größeres Euter haben. Und was dem Bauern recht ist, muss dem Aktionär der größten Bank des Landes wohl billig sein.
Wenn der Alpenfirn sich rötet
Noch im Herbst war UBS ein Star unter den Schaukühen des Sektors. Doch mit den Streicheleinheiten der Anleger ist es längst vorbei. Seit Jahresbeginn hat UBS insgesamt 14,3 Prozent eingebüßt, fast doppelt so viel wie der europäische Sektor.
Am Jahresergebnis kann das kaum liegen. Mit Vorsicht, Glück und - als Schweizer Bank - sicher auch Gottes Segen hat sie im vierten Quartal sogar 11 Mio. Franken an Wertberichtigungen für Kreditrisiken auflösen können. Soviel Trittsicherheit sollte sonstige Schönheitsfehler eigentlich mehr als ausgleichen. Die gibt es durchaus. So mancher Preisrichter munkelte etwa, das Privatkundengeschäft sei inzwischen etwas ungleichmäßig bemuskelt. Insgesamt konnte UBS zwar beachtliche 9 Mrd. Franken an neuen Kundengeldern gewinnen. Allerdings entfielen davon 6,3 Mrd. Franken auf PaineWebber, was niedrigere Margen verheißt. Das ist bitter, leiden die Verwaltungsgebühren doch ohnehin unter dem Bärenmarkt.
Den US-Broker zu erwerben, war jedenfalls ein schlechter Kuhhandel, der sich nun mit einer Goodwill-Abschreibung von 953 Mio. Franken auf die Marke PaineWebber rächt. Aber das war ja längst bekannt, ebenso wie das vergleichsweise geringe Bußgeld von 111 Mio. Franken an den New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer.
Und immerhin dürfte UBS Warburg einen Teil davon bei den Boni wieder eingespart haben, wenn auch nicht ganz so massiv wie von den Analysten der Konkurrenz erhofft. Das Verhältnis des Personalaufwands zu den Einnahmen sank jedenfalls im vierten Quartal wieder leicht auf 55 Prozent. Dieser Tage reicht eben schon die Aussicht auf einen sicheren Unterschlupf, um die besten Zuchtbullen in den Stall zu locken.
Trotzdem traut man der UBS-Aktie nicht zu, beim nächsten Almauftrieb ganz vorn dabei zu sein, schon wegen der außergewöhnlich soliden Bilanz. Andererseits ist sie wegen des starken Investmentbankings nicht ganz so krisensicher wie etwa BNP Paribas. Und mit einem laufenden KGV von 12,9 ist UBS etwas teurer als der Sektor. Aber jedem kaufwilligen Bauer ist klar, dass es letztlich nicht nur auf den flüchtigen Eindruck der Preisrichter ankommt, sondern auf die Milchleistung in schweren Zeiten. Und welche andere Bank könnte sich dieser Tage schon eine Dividendenrendite von 3,3 Prozent und weitere Aktienrückkäufe von nochmals sieben Prozent des Börsenwerts leisten, ohne die Bilanz nachhaltig zu melken?
Reuters
Wenn man bei einem Kassettenrekorder auf Vorspulen drückt, kommt man schnell ans Ende des Tonbands. Darauf wollte Reuters-Chef Tom Glocer zwar sicher nicht anspielen, als er am Dienstag den neuen "Fast Forward"-Sanierungsplan für den britischen Informationsdienstleister bekannt gab.
Aber wenn Reuters weiter so heftig zurückspult wie 2002, gelangt die ehrwürdige Traditionsfirma schnell an den Anfang vom Ende. Schlimm genug, dass der Umsatz 2002 um zwölf Prozent fiel und vor Steuern ein Verlust von 493 Mio. £ eingefahren wurde, vor allem wegen hoher Abschreibungen. Wirklich erschreckend ist jedoch, dass die Zahl der Reuters-Terminals um 18 Prozent einbrach, die mit ihren monatlichen Gebühren neun Zehntel der Einnahmen ausmachen. Deshalb wird der Umsatz in diesem Kerngeschäft im ersten Halbjahr 2003 erneut um neun bis zehn Prozent schrumpfen, also noch schneller als im vergangenen Jahr - und stärker, als die Analysten befürchteten.
Dass Reuters mit der Krise in der Finanzbranche und billigeren Informationsdiensten per Internet zu kämpfen hat, ist natürlich richtig. Aber es ist auch nicht neu. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Briten nicht nur sehr spät auf die Börsenbaisse reagierten, sondern auch durch einen Wirrwarr von Produkten und schlechtem Service die Gunst vieler Kunden verschenkt haben. Vermutlich sind Marktanteile an Bloomberg und Thomson Financial verloren gegangen. Selbstredend will Glocer das jetzt ändern: Durch eine einheitliche IT-Plattform, neue Dienstleistungen und eine straffere Organisation. 3000 Stellen sollen bis 2005 abgebaut werden, um 440 Mio. £ zu sparen. Aber ob das klappt, ohne die Qualität zu beinträchtigen, ist zu bezweifeln.
Der Kurs ist zwar am Dienstag auf ein 14-Jahres-Tief gefallen. Aber nachdem die Gewinnprognosen ebenso schnell sinken, bleibt die Bewertung mit einem KGV von fast 19 für 2003 abenteuerlich. Gut, Reuters wirft momentan eine Rendite von über sieben Prozent ab. Doch die Anleger ahnen schon, dass die Dividende angesichts der anfallenden Restrukturierungskosten alles andere als nachhaltig gesichert ist. Wer schon jetzt "Play" drückt, dem droht Bandsalat.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration: FTD