Montag, 01.10.2018 11:15 von Frank Frommholz | Aufrufe: 449

Zersplittertes Bankensystem überholt

Das Ausscheiden von Deutscher Bank und Commerzbank aus dem Euro Stoxx 50 bzw. dem DAX ist bemerkenswert und steht für einen dramatischen Wertverlust beider Institute. Auch wenn andere Banken nicht in gleicher Weise vom Wertverfall betroffen sind - die Bankenbranche hierzulande hat gravierende strukturelle Probleme.

Über Jahrzehnte war die deutsche Bankenlandschaft festgefügt. Drei Säulen - private Geschäftsbanken, Sparkassen und Landesbanken sowie Volks- und Raiffeisenbanken - trugen nahezu unerschütterlich die Kreditwirtschaft. Erste Risse bekam das Gebäude mit dem Aufkommen der Direktbanken und im Zuge der Globalisierung. Durch die Digitalisierung ist das Gefüge erst recht ins Wanken geraten. Trotz bereits erfolgter Anpassungen - das bisher Erreichte dürfte kaum genügen. Dem Kreditgewerbe fehlt vielfach eine attraktive Geschäftsperspektive.

Kleinteiligkeit macht schwerfällig und langsam

Auch nach zahlreichen Fusionen - im Vergleich zu anderen Ländern gilt Deutschland nach wie vor als "overbanked". Es gibt derzeit immer noch mehr als 1.800 selbständige Kreditinstitute hierzulande. Davon sind fast 1000 Genossenschaftsbanken und etwas über 400 Sparkassen. Obwohl bereits ein erheblicher Konzentrationsprozess stattgefunden hat - 2000 existierten noch fast 3.800 Institute -, präsentiert sich die deutsche Kreditwirtschaft ziemlich kleinteilig. Auch das Filialnetz ist weiterhin dicht geknüpft. Fast 21.000 Zweigstellen unterhalten Banken und Sparkassen, das Gros davon entfällt auf die beiden dezentralen Institutsgruppen.

Diese zersplitterte Struktur macht das System schwerfällig. Notwendige Anpassungen finden langsam und oft mit großem Zeitverzug statt. Auf die Herausforderung durch Direktbanken und die Online-Welt haben die Institute erst spät reagiert. Dadurch sind Marktanteile verloren gegangen und es bedarf jeweils erheblicher Anstrengungen, um preisgegebenes Terrain wieder zu besetzen. FinTechs stellen eine neue Bedrohung für das herkömmliche Geschäftsmodell dar. Dadurch werden auch Geschäftsfelder von außen angegriffen, die lange als "sicher" galten wie die Vermögensverwaltung oder das Firmenkundengeschäft.

Jede dritte Bank obsolet

Vor allem steht die Zersplitterung aber im Wege, wenn es darum geht, Kosten zu sparen. Dass 21.000 Filialen angesichts der Online-Abwicklung vieler Bankgeschäfte heutzutage zu viel sind, leuchtet unmittelbar ein. Trotzdem fällt es gerade kleineren Instituten schwer, eine Zweigstelle zu schließen, solange der Wettbewerber noch entsprechend präsent ist. Dabei bietet gerade die Digitalisierung erhebliche Rationalisierungspotentiale. Schätzungen zufolge könnten rund 70 Prozent der Tätigkeiten im Bereich Finanzdienstleistung, Rechnungswesen und Buchführung künftig maschinell erledigt werden. Das zeigt das Einsparpotential, aber auch die eher düsteren Aussichten für viel Bank-Beschäftigte.

Laut der Unternehmensberatung Bain & Company müsste die Zahl der Kreditinstitute bis 2025 auf rund 1.200 sinken, um ein dauerhaft rentables Geschäft darzustellen. Das heißt, jedes dritte Institut sollte eigentlich bis dahin vom Markt verschwinden. Und auch eine Vielzahl von ehemaligen Mitarbeitern, die eine neue Herausforderung suchen. Sicherlich ist dann auch die Selbstständigkeit eine ernsthafte Alternative. Ein guter Test, ob man dazu taugt, ist hier zu finden.


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Frank Frommholz war viele Jahre bei Banken und Vermögensverwaltern als Direktor oder Geschäftsführer tätig, bevor er sich 2009 als unabhängiger Berater selbständig machte. Er kennt aus der täglichen Praxis die Probleme mit rechtlichen Veränderungen, Produkten und Marketingfragen und wird darüber berichten. Mehr Informationen dazu auch auf www.finanzkun.de
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