Montag, 29.07.2013 14:50 von Torsten Gellert | Aufrufe: 297

Woche der Notenbanken – Schwere Worte treffen auf schwache Umsätze

Warum gerade die geringen Erwartungen größere Schwankungen auslösen könnten

„Wenn die Daten mit unseren Prognosen übereinstimmen, könnte es angemessen sein, das Tempo der Aufkäufe (von Wertpapieren) später in diesem Jahr zu bremsen“, so der Präsident der US-Notenbank, Ben Bernanke, nach der Sitzung des Offenmarktausschusses im Juni dieses Jahres. Der gleiche Mann, ein anderer Termin, gut fünf Wochen später: „Eine sehr expansive Geldpolitik ist das, was die amerikanische Wirtschaft braucht.“ Aktien- und Währungskurse befinden sich seit diesem Hin und Her ebenfalls auf Berg- und Talfahrt.  Es sind Worte, nicht einmal Taten der Notenbanker, die zurzeit die Kurse an den weltweiten Aktienbörsen und den Devisenmärkten bestimmen. Unternehmenszahlen, wie sie in diesen Tagen auch reihenweise veröffentlicht werden, haben dagegen nur kurzfristigen Einfluss auf die jeweilig betroffenen Aktien.

Viel wichtiger ist aktuell das, was in den mächtigsten Gremien der Finanzwelt und hier allen voran der Federal Reserve (Fed) in Washington, der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt, der Bank of England (BoE) in London und der Bank of Japan (BoJ) in Tokio diskutiert und entschieden wird. Während letztere sich das Treiben ihrer Kollegen in dieser Woche noch von der Seitenlinie aus betrachten kann, kommen die drei anderen nicht um ein weiteres Kapitel geschickter und taktisch ausgeklügelter Verbalakrobatik herum, aus dem die Anleger rund um den Globus dann wieder ihre eigenen Schlüsse ziehen können. Auch wenn die Erwartungen an alle drei Treffen relativ gering sind, so können doch schon ein paar wenige Worte ausreichen, die Märkte bei traditionell geringen Umsätzen in der Sommerpause mächtig durcheinander zu wirbeln. Freilich wird dies nicht das Anliegen der Herren Bernanke, Draghi und Carney sein, aber die Spannung und auch ein für diese Zeit ungewöhnlich hohes Maß an spürbarer Nervosität an den Finanzmärkten ist mit dem Warten auf das nächste kräftige Unwetter bei über 38 Grad heißen Außentemperaturen durchaus vergleichbar. Entlädt sich diese Wetterlage, können sich einige Stunden später nicht nur Temperaturen, sondern auch Kurse um einiges abgekühlt haben.

US-Notenbank wird den Märkten beruhigende Worte verabreichen

Ben Bernanke, der am Mittwoch Abend den Anfang macht, wird sich wohl, was eine Reduzierung der Anleihekäufe angeht, weiter in Zurückhaltung üben. Er wird diese Tür zwar verbal offenlassen, denn andernfalls würde er seine Glaubwürdigkeit wohl gewaltig aufs Spiel setzen. Die Märkte dürfen nicht das Gefühl haben, er habe sie im Juni nur einer Prüfung unterziehen wollen und die Gedankenspiele für einen Ausstieg seien so nicht existent. Aber die letzten Konjunkturdaten aus den USA waren jetzt auch wiederum nicht so überzeugend, dass sich der Zeitpunkt für eine Reduzierung der Anleihekäufe nach vorn verschoben haben dürfte. Ich gehe weiterhin davon aus, dass frühestens im Dezember das Volumen in einem ersten Schritt von derzeit 85 auf dann 65 Milliarden US-Dollar pro Monat verringert werden dürfte. Wahrscheinlicher ist dies allerdings erst für das erste Halbjahr 2014.

Das billige Geld der EZB kommt in der Eurozone nicht an

Über ein Anziehen der Zügel in Frankfurt bei der EZB dürfte am Tag darauf wohl kaum ein Wort von EZB-Chef Draghi verloren werden. Im Gegensatz zur Fed hat die EZB mit dem Problem zu kämpfen, dass die zurzeit betriebene Politik des billigen Geldes nicht wirklich funktioniert und das Geld nicht in der Wirtschaft ankommt. Schon über ein Jahr sind die Kredite an Unternehmen und Haushalte in der Eurozone rückläufig, das Wachstum der Geldmenge M3 hat sich auf nur noch 2,3 Prozent im Juni abgeschwächt. Draghi wird also weiter mit den Waffen eines negativen Einlagenzinses drohen und die Periode anhaltend niedriger Zinsen in der Eurozone eher Stück für Stück ausweiten. Verkündungen konkreter Maßnahmen erwarte ich aber auch aus Frankfurt nicht, dafür werden die Notenbanker wohl auch erst das Ende der „Sommerpause“ abwarten.

Bank of England wird wegen verbesserter Rahmendaten nicht handeln

Gleiches gilt für die Sitzung der Bank of England ebenfalls am Donnerstag. Mein größtes Interesse gilt dabei der Frage, ob das Ausbleiben konkreter Ergebnisse auch dieses Mal im Anschluss wieder kommentiert wird. Nach der ersten Sitzung im Juli unter dem neuen Chef Carney staunten die Marktteilnehmer nicht schlecht über dieses vermeintlich neue Ritual. Eine Aufstockung des laufenden Anleihekaufprogrammes von derzeit 375 Milliarden Pfund erwarte ich schon deshalb nicht, weil auf dem letzten Meeting alle Mitglieder des neunköpfigen Rates einstimmig für eine Beibehaltung des aktuellen Niveaus stimmten, auch ein Wandel zu den Zeiten noch unter Mervyn King. Hinzu kommt, die Daten aus Großbritannien in den vergangenen Wochen waren alles andere als schlecht, im Gegenteil: die britische Wirtschaft schleicht sich so langsam aus der Krise, wie ich nach der Veröffentlichung des BIP-Wachstums im zweiten Quartal von 0,6 Prozent in meinen Kommentar vergangenen Donnerstag ausführlich diskutiert habe.

Wie ich eingangs erwähnt habe, gab es sicherlich schon spannendere Notenbank-Wochen als die jetzt vor uns liegende. Aber die Tatsache, dass jedes Wort zurzeit auf die Goldwaage gelegt wird, könnte dazu führen, dass zu diesen Terminen erhöhte Schwankungen aufgrund der geringeren Umsätze auftreten können. Der eher langfristig engagierte Investor sollte sich von diesen kurzfristigen Bewegungen nicht irritieren lassen, die von mir in den vergangenen Wochen gegebenen Einschätzungen haben weiter Bestand. Nur für das Britische Pfund bin ich nicht mehr so pessimistisch wie noch zu Jahresbeginn, da sich die Rahmendaten auf der Insel doch zu verbessern scheinen. Deshalb würde ich den Fokus auf das Währungspaar EUR/USD legen, wo ich weiter nachgebende Kurse des Euro, also einen steigenden US-Dollar erwarte. Die anhaltenden Spekulationen auf das langsame Zurückfahren der Anleihekäufe durch die Fed, während die EZB eher noch in die andere Richtung unterwegs sein muss, bilden hier den fundamentalen Rahmen.

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Torsten Gellert ist Managing Director bei FXCM Deutschland.
Er verfügt über 13 Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen innerhalb der Finanzdienstleistungs-
branche. Unter anderem leitete der studierte Mathe-
matiker die Geschäfte im deutschsprachigen Raum von CMC Markets.
Als langjähriger Trader bringt Gellert zudem umfangreiche Erfahrung im Devisenhandel mit.
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