Montag, 10.02.2020 13:03 von Frankfurter Börsenexperten | Aufrufe: 550

pfp Advisory: "Größer gleich besser?"

Frank erinnert an die Vergänglichkeit der Unternehmensgröße, sie sei immer ein Spiegel der Zeit wie etwa Ölboom der 80er, New-Economy- und Japan-Blase eindrücklich gezeigt hätten. "Größer ist selten besser".

10. Februar 2020. In den vergangenen Jahren lieferten sich Apple, Amazon, Microsoft und die Google-Mutter Alphabet ein spannendes Rennen um den „Titel“ als höchstkapitalisierte Aktiengesellschaft der Welt. Die Reihenfolge wechselte mehrmals, doch blieb die Krone stets innerhalb der USA. Zwar hat sich seit dem Börsengang von Saudi Aramco im Dezember ein Ölkonzern aus Saudi-Arabien „vorbeigedrängelt“. Doch sollten bei dem monströsen Börsenwert des Ölmultis m. E. ein paar Besonderheiten beachtet werden: Es wurde lediglich ein mickriger Anteil von grob 1,7 Prozent überhaupt an der Börse platziert. Und das bisher auch nur am Börsenplatz Tadawul, dem international wenig beachteten und schwer zugänglichen Markt in Riad. Folglich sind über 98 Prozent der Anteile für internationale Anleger gar nicht handelbar und der Rest nur eingeschränkt.

Saudi Aramco wäre in der Liste der höchstkapitalisierten Unternehmen der Welt aber auch ohne diese Sonderbarkeiten ein Exot. Denn weder der Markt Saudi-Arabien noch die Branche Öl gelten gemeinhin bei Investoren derzeit als besonders zukunftsträchtig oder begehrenswert. Das ist bei den meisten anderen Firmen aus den Top Ten der Großen anders: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Facebook, Tencent oder Alibaba haben starke Bezüge zum Technologie-Sektor und ihre Sitze in den großen Wirtschaftsräumen USA oder China.

Denn die Listen der größten Unternehmen der Welt sind immer auch Spiegelbilder ihrer Zeit. Zur Jahrtausendwende, dem Höhepunkt der New-Economy-Blase, dominierten Firmen wie Cisco, Intel, Nippon Telegraph and Telephone, NTT DoCoMo, Lucent, Microsoft oder Deutsche Telekom. Zehn Jahre zuvor, am Gipfelpunkt der Japan-Bubble zur Jahreswende 1989/90, zierten neben dem Spitzenreiter Nippon Telegraph and Telephone weitere sieben japanische Konzerne die Liste der globalen Top Twelve, darunter fünf Banken. Kurz darauf stürzten die Aktienkurse im Land der aufgehenden Sonne in die Tiefe. Bis heute hat sich der Nikkei davon nicht erholt, drei Jahrzehnte später notiert der japanische Leitindex noch immer 40 Prozent unter seinem damaligen Höchststand.

Zehn weitere Jahre zuvor, 1980, nicht lange vor dem Ende der Ölpreisrally, dominierten US-amerikanische Öl- und Gaskonzerne wie Exxon, Standard Oil of California, Schlumberger, Mobil und Atlantic Richfield die Top Ten, flankiert von weiteren US-Größen wie IBM, AT&T, General Electric und Eastman Kodak.

In den 1920er Jahren war die Automobilbranche der Star ihrer Zeit und Firmen wie General Motors am höchsten kapitalisiert. Ein halbes Jahrhundert davor standen Eisenbahnfirmen wie Pennsylvania Railroad hoch im Kurs, die im 19. Jahrhundert wie kaum eine andere Branche die Erschließung des amerikanischen Kontinents und den Fortschritt symbolisierten. Noch früher waren die Größten schillernde Kolonialgesellschaften wie die Mississippi Company oder die Niederländische Ostindien-Kompanie, mit denen Anleger Hoffnungen auf riesige Reichtümer in entlegenen und bisher noch nicht erschlossenen Weltregionen verbanden.

An diesen Beispielen verglühter Aktienstars können Sie sehen: In vielen Fällen ging die Gleichung „Größer ist besser“ keineswegs auf. Eastman Kodak durchlief ein Insolvenzverfahren, viele japanische Banken sind notfusioniert, die Aktien von IBM oder General Electric nur noch Schatten ihrer selbst. Auch die Deutsche Telekom hat die Mondkurse über 100 Euro aus rosaroten (oder magentafarbenen) Zeiten nicht ansatzweise wieder erreicht. Nicht einmal in der Liste der 100 höchstkapitalisierten Unternehmen taucht die einstige „Volksaktie“ heute noch auf.

Nur selten konnten Unternehmen über mehrere Jahrzehnte einen Platz in der Liste der Allergrößten behaupten. Beispielsweise gelang dies Exxon (bzw. ExxonMobil) oder Wal-Mart. Und zuletzt auch Apple, die Kalifornier zählten schon 2010 zu den besonders hoch kapitalisierten Firmen.

Im Schnitt waren Investitionen in „Mega Caps“ für Anleger aber kein gutes Geschäft. Dass Mid Caps und Small Caps häufig besser laufen, gehört bei Börsianern ja mittlerweile zum Allgemeinwissen. Viele Studien belegen indes darüber hinaus, dass Investitionen in die weltweit „größten“ Aktien in der Vergangenheit meist nur unterdurchschnittliche Renditen erzielten. Das liegt nicht nur daran, dass ab einer gewissen Unternehmensgröße Wachstum bei Umsatz und Gewinn zunehmend schwerer fällt – mit entsprechenden Folgen für die Kursentwicklung. Sondern auch daran, dass die Listen der großkapitalisierten Unternehmen oft mehr Vergangenheit (in Form von bereits erzielten Kursgewinnen) als Zukunft (also Potenzial) widerspiegeln. Und an der Börse wird eben oft die Zukunft gehandelt bzw. mit hohen Renditen belohnt.

von Christoph Frank,
10. Februar 2020, © pfp Advisory

Über den Autor

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.


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