Montag, 09.09.2019 12:43 von Frankfurter Börsenexperten | Aufrufe: 371

"Vorsprung durch Technik" Wie ETFs ihren Index schlagen

Dass Indexfonds mehr Rendite bringen könnten als der Index selbst, an den sie gekoppelt sind, auch nach Kosten, weiß das ETF Magazin. Und erklärt, wie es geht bzw. wer es schafft. Stichworte: Geschickt handeln, Wertpapiere verleihen, Steuer optimieren.

9. September 2019. MÜNCHEN (ETF Magazin). Nein, es ist kein Privileg aktiv verwalteter Fonds, den Markt zu schlagen. So erstaunlich es klingen mag: Auch ETFs, die ja im Grunde einen Index nur nachbauen, können ebenfalls mehr Rendite bringen als der Index selbst – nach Kosten. Wie ist das möglich? Besser als Index zu sein, ist dabei keine Frage der Replikationsmethode, die der ETF verwendet. Physisch nachbildende ETFs, die alle im Index vertretenen Titel halten, können ihren Basisindex genauso übertreffen wie synthetisch replizierende ETFs. Letztere nutzen dazu liquide Instrumente, insbesondere Swaps, und schlagen so den Index etwas deutlicher als physisch replizierende ETFs.

Um eine Überrendite zu erzielen, haben die ETF-Manager gleich mehrere Hebel, an denen sie ansetzen können. Ganz wichtig ist natürlich, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten und damit einem der stärksten Performance-Killer Einhalt zu gebieten. Es geht dabei nicht nur um Management-, Verwahr- und Administrationskosten, wie sie in der Gesamtkostenquote (TER für Total Expense Ratio) zusammengefasst werden. Unerlässlich ist es, die Benchmark so kostenschonend wie möglich nachzubilden. Dabei anfallende Transaktionskosten sind nicht in der TER enthalten, können aber einen großen negativen Einfluss auf die Fondsperformance haben.

Auf der anderen Seite spielen Erträge aus dem Verleih von Wertpapieren des Fondsvermögens eine zentrale Rolle. In welcher Höhe auf diesem Weg Zusatzerträge für das Fondsvermögen erzielt werden können, hängt stark von den im Fondsportfolio gehaltenen Titeln ab. Interessant ist diese Einnahmequelle vor allem in illiquiden Märkten.

Der wohl stärkste Hebel für eine Outperformance des ETF im Vergleich zu seinem Index besteht darin, jene Quellensteuer zu verringern, die der Fonds auf die Dividenden zahlen muss, die er für seine Wertpapiere erhält. Das geht besonders leicht bei ETFs, die einen Index abbilden, der von sich aus schon Dividendeneinnahmen und Steuerausgaben berücksichtigt. Das ist bei den sogenannten Net-Total-Return-Indizes der Fall, beispielsweise beim S&P-500.

Quellensteuer vermeiden

Bei solchen Indizes unterstellen Vergleichsrechner eine Quellensteuerbelastung von 30 Prozent. Physisch replizierende ETFs können jedoch mehr Rendite bringen, wenn ihr Quellensteuersatz niedriger ist als der im Net-Total-Return-Index unterstellte Steuersatz. Immer häufiger suchen ETF-Anbieter aus diesem Grund ein Domizil für ihren Fonds, wo ein Doppelbesteuerungsabkommen die Quellensteuer reduziert oder es möglich ist, diese Steuer vom Finanzamt zurückzuholen.

Fast schon ein Klassiker sind hier ETFs auf den S&P-500, die in Irland beheimatet sind. Denn bei Dividendenzahlungen aus den USA an einen in Irland registrierten Fonds sieht das zwischen den Ländern bestehende Doppelbesteuerungsabkommen einen Quellensteuerabzug von nur 15 Prozent vor. Der S&P-500- Index unterstellt jedoch eine Quellensteuer von 30 Prozent. Nach Berechnungen der US-Fondsgesellschaft Invesco ergab sich so für das Jahr 2018 allein auf Grund des Steuervorteils des irischen ETF eine Überrendite gegenüber dem Index von knapp 0,30 Prozentpunkten vor Gebühren.

Es geht noch mehr. Während physisch nachbildende ETFs mit der Reduzierung von Kosten, den Zusatzeinnahmen durch Wertpapierleihen und der Optimierung der Quellensteuer ihr Arsenal ausgeschöpft haben, können synthetisch replizierende ETFs sogar noch weitere Hebel ansetzen. Besonders offensichtlich wird das bei Swap-ETFs, die an US-Indizes gekoppelt sind, was an einer Ausnahmeregelung im US-Steuergesetz liegt.

Gemäß der „United States IRS 871(M)“-Regulierung fallen bei Derivaten wie Futures oder Swaps keine Quellensteuern an, wenn diese die Indizes liquider Märkte abbilden. Damit sind Swaps auf den S&P-500 aus US-Sicht steuerfrei und synthetisch replizierende ETFs auf diesen Index vereinnahmen die Dividenden ohne Abzug. Ein Blick auf die Dividendenrendite in den USA zeigt, dass synthetische ETFs hier im letzten Jahr rund 33 Basispunkte besser waren als physisch replizierenden ETFs, was die generelle Outperformance der synthetischen ETFs gegenüber den physischen erklärt.

Ausgefeilte Technik

Dass darüber hinaus bestimmte synthetische ETFs besser sind als andere, hängt damit zusammen, wie die Fondsmanager bei der Konstruktion des Portfolios im Einzelnen vorgehen. Gemeinsam ist den erfolgreichen ETFs, dass sie mit mehreren Swap-Partnern, den sogenannten Kontrahenten, kooperieren. Invesco hat sechs international tätige Investmentbanken ausgesucht, bei der französischen Fondsgesellschaft BNP Paribas Asset Management kommen gleich sieben in die engere Auswahl – eben jene, die die besten Konditionen, Laufzeiten und Bonitäten vorweisen können.

Bei der Swap-Konstruktion des BNP-Paribas-Easy-S&P-500-ETF, der den S&P-500-Net-Total-Return auf US-Dollar-Basis über drei Jahre um 2,5 Prozent schlug, folgen die Manager einem zweistufigen Swap-Prozess. Im ersten Schritt, dem sogenannten Financing Swap, tauschen sie die Rendite der liquiden Aktien im Fondsbestand gegen eine Floating-Rate, im zweiten Schritt, dem Total Return Swap, gegen die Indexperformance.

„Diese zweistufige Swap-Konstruktion erlaubt es uns, die jeweils besten Swap-Partner für die verschiedenen Positionen zu identifizieren und die attraktivste Konstellation zu wählen“, sagt Claus Hecher, Leiter ETF und Indexlösungen für die deutschsprachigen Länder bei BNP Paribas Asset Management. „Unterschiedliche Laufzeiten und Kontrahenten der Swaps und unsere ausgezeichnete Marktposition erlauben Preisgestaltungen, die unsere Portfolio-Manager für sich zu nutzen wissen.“

BNP Paribas sichert alle laufenden Swaps vollständig auf täglicher Basis mit Cash, das nicht weiter angelegt wird, und verzichtet komplett auf Wertpapierleihen. Vielmehr verhandelt die Fondsgesellschaft die Swaps grundsätzlich immer auf den Net-Total-Return-Index, sodass sich die Wertentwicklung ihrer ETFs zusammensetzt aus der Indexentwicklung einschließlich der Nettodividende nach Abzug der Quellensteuer zuzüglich der Swap-Konditionen abzüglich der TER in Höhe von 15 Basispunkten.

Andere Gesellschaften, etwa Invesco, setzen zunächst die Indexentwicklung mit der Bruttodividende an, in der die Quellensteuer nicht berücksichtigt wird, und ziehen die Swap-Konditionen und die TER ab. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der ETF die Dividenden nahezu brutto für netto vereinnahmen kann. Je höher aber die Dividendenrendite ist, desto stärker können Swap-ETFs outperformen. „Für jeden Prozentpunkt Dividendenrendite können wir die relative Wertentwicklung unserer Swap-ETFs gegenüber der Benchmark um 0,3 Prozentpunkte steigern“, hat Dr. Christoph Mellor, Leiter Produktmanagement Equity & Commodities bei Invesco, errechnet.

Turbo einschalten

Mit der Steuerbefreiung von Swaps in den USA und deren positiven Auswirkungen auf die Wertentwicklung haben synthetisch replizierende ETFs jedoch noch immer nicht das Ende ihrer Möglichkeiten für eine Outperformance erreicht. Es gibt einen weiteren Renditeturbo und auch hier spielen die Swap-Kontrahenten als Gegenpartei der ETFs eine wichtige Rolle. Um diese zu verstehen, ist es unerlässlich, zunächst etwas tiefer in die Besonderheiten der Kapitalmärkte einzusteigen.

In aller Regel sind die Swap-Kontrahenten Investmentbanken, die mit vielen verschiedenen Marktteilnehmern zusammenarbeiten. Aus Geschäften mit Dritten, die mit den ETFs nichts zu tun haben, halten die Banken zu Absicherungszwecken regelmäßig Wertpapiere in ihren Büchern, die sie aus aufsichtsrechtlichen Gründen mit Eigenmitteln hinterlegen müssen. Weil das recht teuer ist und die Banken nach Wegen suchen, ihre Finanzierungskosten zu verringern, lagern sie die – aus ihrer Sicht notwendigen, aber unliebsamen – Wertpapiere mit Hilfe eines Total-Return-Swap in den Swap-ETF aus. Die geforderte Absicherung vollziehen sie stattdessen über Derivate, die kostengünstiger sind, und reduzieren so wie gewünscht ihre Finanzierungskosten.

Weil synthetische ETFs ihren Swap-Kontrahenten beim Kostensenken helfen, erhalten sie von den Banken beim Swap-Geschäft einige Basispunkte extra, was ihre Rendite zusätzlich verbessert. Wie hoch das Extra für den ETF genau ausfällt, entscheiden zwar die Banken, aber der Wettbewerb unter ihnen um die begehrten Swap-Mandate ist so intensiv, dass hier eher mehr als weniger für den ETF abfällt – eine zusätzliche Einnahmequelle, die der zu Grunde liegende Index nicht hat und die die Chancen des ETF weiter erhöht, seine Benchmark zu schlagen.

Zusätzlich zu den skizzierten Möglichkeiten gibt es einen weiteren Ansatz, den Markt zu schlagen: Smart-Beta-ETFs. Sie arbeiten mit regelbasierten Investmentstrategien und setzen dabei  auf alternative Faktoren beziehungsweise bestimmte Renditetreiber. Das ETF-Portfolio wird dann nicht wie bei Standardindizes nach Marktkapitalisierung gewichtet, sondern nach anderen Kriterien. Auch so können ETFs mitunter einen Standardindex wie den S&P-500 abhängen. Doch das ist eine Geschichte für die nächste Ausgabe des ETF Magazins.

von Alfons Niederländer
© September 2019 ETF Magazin

Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.

 


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