Donnerstag, 26.07.2018 18:00 von Klaus Stopp | Aufrufe: 186

Öffnete sich in Washington das Türchen zum Freihandel?

“Tariffs are the greatest” – Zölle sind das Größte, hat D. T., der Unberechenbare, seinem Treffen mit der Europäischen Kommission in dieser Woche vorausgeschickt, per Twitter natürlich. Dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Vorfeld signalisierte, er suche den Dialog mit Washington, um über die angedrohten Zölle auf Autos zu verhandeln, schien somit wenig erfolgversprechend. Denn es war nicht zu erwarten, dass US-Präsident Donald Trump von einem jovial gestimmten Juncker davon abgebracht werden konnte, seine Drohungen vorerst zurückzunehmen. Doch wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her!

Somit war es angebracht, Trumps Vorschlag, auf alle Zölle zu verzichten, aktiv aufzugreifen. Der US-Präsident hatte per Twitter der Europäischen Union einen bilateralen Verzicht auf alle Zölle, Handelsbarrieren und Subventionen vorgeschlagen. Warum also nicht diese Gelegenheit beim Schopfe packen und Trump beim Wort nehmen, Herr Juncker? Schließlich hat der US-Präsident auch an anderer Stelle die Tür in Richtung Freihandel wieder geöffnet, und zwar gegenüber Mexiko, just dem Land, das er in der Vergangenheit mehrfach verächtlich gemacht hatte. So hat Trump den Wunsch geäußert, mit dem südlichen Nachbarland eine Neuauflage des Freihandelsabkommens Nafta auszuhandeln. Ein rasches Ergebnis würde beiden Ländern mehr Arbeitsplätze bringen, hatte er dem neuen mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador in einem Brief mitgeteilt.

Keine Frage, es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein US-Präsident Güter des täglichen Bedarfs mit Strafzöllen überzieht und dies mit Maßnahmen für die nationale Sicherheit begründet. Willkür bleibt immer noch Willkür, deren Folgen für die US-Verbraucher mit einer gewissen Zeitverzögerung spürbar werden. Daher ist es wichtig, dass die Europäer alles unternehmen, um eine weitere Eskalation zu verhindern und dazu wurde gestern Abend die Basis geschaffen.

Klar, musste die EU über ihren Schatten springen und eigene liebgewonnene Schutzzölle etwa für Autos oder landwirtschaftliche Produkte überdenken. Aber mit einer gemeinsamen Antwort, die Zollsenkungen beinhaltet, kommt Brüssel wieder aus der Defensive heraus. Denn solange das System von Strafzöllen und Gegenmaßnahmen weiter existieren würde, müssen Anleger mit einer hohen Volatilität an den Finanzmärkten rechnen  – einer Volatilität, die im Prinzip die Sprunghaftigkeit des US-Präsidenten widerspiegelt.

Für Trump hat sich indessen ein anderer Schatten über die Märkte gelegt. So hat sich Russland inzwischen fast vollständig als Gläubiger der USA verabschiedet. Der russische Bestand an US-Treasuries ist in den Monaten April und Mai von mehr als 96 Mrd. USD auf ca. 15 Mrd. USD geschrumpft – ein Vorgang, der tendenziell den Rubel stärkt. Es zeigt aber auch, wie anfällig die USA unter Trump sind, der etwa seine Steuerreform auf Pump finanziert. Höhere Zinsen sind dabei das Letzte, was Trump nun gebrauchen kann. Der Zinstrend aber zeigt seit April für zehnjährige Titel nach oben, wie das Beispiel einer US-Anleihe (175162) mit Laufzeit 8/2028 zeigt, wo die Rendite von ca. 2,70 auf 2,96% gestiegen ist. Dabei ist Russland nur ein vergleichsweise kleiner Gläubiger der USA. Anders sieht es bei China aus, das US-Staatsanleihen von mehr als 1,1 Bill. USD hält. Ein teilweiser Abverkauf hätte dann ganz andere Folgen.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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