News - 02.07.07 08:58
Für Thielert wird die Luft dünner
Eine Meldung von Thielert über die Zusammenarbeit mit Cessna hatte Ende vergangener Woche für heftige Kursausschläge gesorgt. Die Anleger glaubten fälschlicherweise an einen Auftrag - den der Flugzeugmotorenbauer auch dringend nötig hätte. Aktionärsschützer gehen mit Thielert hart ins Gericht.
FRANKFURT/DÜSSELDORF. "Das, was hinter der Mitteilung über den vermeintlichen Cessna-Auftrag steht, ist ein Non-Event. Das grenzt an Kursmanipulationen", sagte Markus Straub, der stellvertretende Vorsitzende des Schutzvereinigung der Kapitalanleger (SdK), dem Handelsblatt. Operativ und finanziell scheint es bei Thielert immer enger zu werden.
Das Unternehmen hatte am vergangenen Donnerstag eine Mitteilung herausgegeben, die den Eindruck erweckte, es habe vom US-Flugzeugbauer Cessna einen großen Auftrag erhalten. Thielert erwarte "für die nächsten Jahre, Tausende Motoren ausliefern zu können". Daraufhin war der Kurs um über 20 Prozent hochgeschnellt. Allerdings relativierte Cessna diese Darstellung wenig später, worauf die Aktie wieder um gut fünf Prozent nachgab. Es sei noch überhaupt nicht klar, ob es tatsächlich zum Einbau von Motoren kommen werde, hieß es. Frühestens Ende 2008 werde darüber entschieden, sagte ein Sprecher des US-Unternehmens.
Thielert hat einen Flugzeugmotor entwickelt, der sowohl mit Diesel als auch mit Kerosin betrieben werden kann. Das Aggregat eignet sich für kleine einmotorige Propellermaschinen. Das Unternehmen selbst sieht sich als Opfer einer Fehlinterpretation. Es hat seit 2004 eine Entwicklungspartnerschaft mit Cessna, aus der allerdings bislang noch kein Serienprodukt hervorgegangen ist. "Das neue ist nun, dass sich Cessna zu Thielert bekannt hat", sagte ein Sprecher.
"Keine wirklichen Neuigkeiten", kommentiert dagegen Will Mackie, Analyst von der Main First Bank, und stößt damit ins gleiche Horn wie SdK-Vorstand Straub. Er zweifelt auch die angegebenen potentiellen Stückzahlen an. Tatsächlich zeigt die jüngste Marktstatistik des Branchenverbandes General Aviation Manufacturers Association (GAMA), dass der Weltmarkt für Piston-Kleinflugzeuge - also Maschinen mit einem Kolbenmotor - 2006 gerade mal rund 2500 Flugzeuge umfasst hat. Rund 75 Prozent davon entfallen auf den US-Markt. Dort allerdings sind Aggregate, die auch Diesel verarbeiten können, kaum gefragt.
Dabei hätte Thielert eine feste Zusage eines Kunden wie Cessna dringend nötig. Denn das Unternehmen, das im November 2005 an die Börse gegangenen ist, steht mit dem Rücken an der Wand. So ist der operative Cash-Flow - also der Mittelzufluss aus dem operativen Geschäft - seit 2004 von minus 5,4 Mill. auf minus 11,4 Mill. Euro im Jahr 2006 gestiegen. Der freie Cash-Flow - das sind die Mittel, die dem Unternehmen nach Abzug der notwendigen Investitionen verbleiben - ist in der gleichen Zeit von minus 9,8 Mill. auf minus 38,7 Mill. Euro gestiegen.
Das Unternehmen verbrennt also in wachsendem Maße Geld und lebt derzeit von der Substanz. Zwar ist der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr um beeindruckende 60 Prozent auf 59,9 Mill. Euro gestiegen. Doch geht dies zum einen auf die Übernahme der US-Firma Superior Air Parts zurück. Zum anderen ist offen, ob sämtliche Motoren auch tatsächlich verkauft wurden, sind doch in der Bilanz die Vorräte massiv gestiegen, darunter vor allem die fertigen Erzeugnisse von 10,8 auf 31,6 Mill. Euro.
Hinzu kommt: Die Substanz ist mittlerweile bedrohlich aufgezehrt. So verfügte Thielert am Ende des ersten Quartals 2007 über liquide Mittel von bescheidenen 640 000 Euro. Legt man die "Burn-Rate" des ersten Quartals zu Grunde - da flossen allein aus dem operativen Geschäft 3,3 Mill. Euro ab -, dürfte das Geld zumindest auf dem Papier nicht einmal mehr für das gerade zu Ende gegangene zweite Quartal gereicht haben.
Gleichwohl hatte Firmengründer, Aktionär und Geschäftsführer Frank Thielert vor einigen Wochen eine Gefahr für die Gesellschaft verneint. Er verwies auf noch bestehende Kreditlinien sowie einen kurz vor dem Abschluss stehenden OEM-Vertrag, also die Lieferung von Motoren für die Erstausstattung von Flugzeugen. Cessna wird das wohl so schnell nicht werden.
Auch sonst sieht es eher mau auf der Kundenseite aus. Der bislang einzige OEM-Kunde, das US-Unternehmen Diamond, ist nach eigenen Angaben dabei, selbst ein Dieselaggregat zu entwickeln. Alan Klapmeier, Chef von Cirrus, eines potenziellen Kunden von Thielert, hatte sich zurückhaltend geäußert.
Angesichts dieser prekären Situation erscheint die Börsenbewertung von Thielert sehr ambitioniert. Das Unternehmen hat derzeit eine Marktkapitalisierung von 440 Mill. Euro, gut das siebenfache des Umsatzes und das 27-fache des erwarteten Gewinns. Zum Vergleich: Der Triebwerkhersteller MTU Aero Engines kostet auf dem Parkett derzeit den gut einfachen Umsatz sowie das 17-fache des erwarteten Gewinns.
Undurchsichtige Verhältnisse
Der Erfinder: Frank Thielert ist ein leidenschaftlicher Erfinder. Auf Basis eines bestehenden Motors hat er ein Flugzeugaggregat entwickelt, das nicht nur sparsam ist, sondern sowohl Diesel als auch Kerosin verträgt. Das erhöht grundsätzlich die Einsatzmöglichkeiten für die kleinen Flugzeuge. In den letzten Jahren hat Thielert viel Geld für die Zulassungen des Motors ausgegeben, Massenaufträge sind aber ausgeblieben.
Das Pokerspiel: Gleich dreimal musste die Firma die vorläufigen Geschäftszahlen für 2006 korrigieren. Entwicklungskosten waren als Umsatz gebucht worden, noch bevor die Motoren zum Kunden gingen. Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung hat das Unternehmen deswegen derzeit auf der Agenda. Die Staatsanwaltschaft Hamburg durchsuchte am 27. Februar Büro- und Privaträume des Firmenchefs. Und seit Monaten streitet Thielert mit seinem früheren Finanzier Marco Hahn um angebliche Aktienschulden.
Die Gesellschafter: Unklar ist die Rolle der früheren Wagniskapitalgeber und Fonds bei Thielert. So besitzt Global Opportunities Asset Management gut 20 Prozent der Anteile, Schroder Investment ist mit 10,81 Prozent im Boot.
Quelle: Handelsblatt.com
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