Erstens ist das Finanzsystem nicht darauf ausgerichtet. Auf den Bildschirmen der Bondhändler leuchten zwar negative Zahlen auf. Im Alltag existieren negative Zinsen jedoch nicht. Europäische Banken offerieren bislang keine Sparkonten mit negativen Zinsen oder Anleihen mit negativem Coupon. Das, weil es technisch sehr kompliziert ist. Würden zum Beispiel in der Schweiz Bonds mit negativem Coupon herausgegeben, müssten Investoren dem Emittenten einen Zins zahlen. Doch wie soll dieses Geld eingezogen werden? Dafür gibt es kein Verfahren. Ähnliche Hindernisse stellen sich bei einer Hypothek mit negativem Zins, bei der die Bank dem Hauseigentümer Geld auszahlen müsste.
Und zweitens?
Negative Zinsen stellen den gesamte Kreditprozess auf den Kopf. Angenommen, ein Unternehmen begibt einen Bond mit negativer Rendite an Tausende von Investoren. Was für eine Bonität hat dann diese Anleihe? Und wie wird das Ausfallrisiko erfasst, zumal gewisse Anleger mit den Zinszahlungen in Verzug geraten könnten? Das Kreditrating einer solchen Anleihe müsste sich deshalb aus der Summe der Kreditwürdigkeit aller Investoren zusammensetzen, womit die Investmentqualität wohl ähnlich wie bei einer Ramschanleihe wäre. ...