In der Krise schießt weltweit die Staatsverschuldung in die Höhe. Vielen Regierungen wird es schwerfallen, diese Last dauerhaft zu tragen. Es drohen Markteingriffe, Inflation und Staatsbankrotte.
Kenneth Rogoff ist Harvard-Professor und ehemaliger Chefökonom des IWF. www.project-syndicate.org
Noch weiß niemand, wann die Finanzkrise endet, aber eines steht fest: Die Budgetdefizite steuern auf astronomische Höhen zu. Investoren müssen in den nächsten Jahren davon überzeugt werden, Berge neuer Schuldtitel zu halten.
Obwohl die Regierungen möglicherweise versuchen werden, die Staatsverschuldung lokalen Sparern aufzunötigen - indem sie beispielsweise ihren zunehmenden Einfluss auf Banken nutzen, um diese zu zwingen, eine unverhältnismäßige Menge an Staatspapieren zu übernehmen -, werden sie letztlich auch wesentlich höhere Zinsen zahlen müssen. Innerhalb einiger Jahre könnten die Zinssätze für langfristige US-Staatsanleihen leicht um drei bis vier Prozent zulegen und die Zinssätze für andere Staatspapiere in vergleichbarer Höhe oder noch mehr steigen.
Höhere Zinsen müssen Investoren dafür entschädigen, dass sie einen größeren Anteil an Staatsanleihen in ihr Portfolio nehmen. Aber auch für das wachsende Risiko, dass Regierungen versucht sein werden, ihre Schulden durch Inflation zu entwerten oder sogar die Zahlungsunfähigkeit zu erklären.
Staatsverschuldung vor Verdoppelung
In Studien zur Geschichte von Finanzkrisen, die ich mit Carmen Reinhart verfasst habe, konnten wir feststellen, dass sich die Staatsverschuldung in den drei Folgejahren einer Krise normalerweise verdoppelt, und zwar sogar inflationsbereinigt. Viele Länder, große und kleine, sind derzeit auf dem besten Wege, diese Prognose zu erfüllen.
Chinas Regierung hat deutlich zu erkennen gegeben, dass sie angesichts des freien Falls der Exporte alles Notwendige tun wird, um das Wachstum zu stützen. Die Chinesen verfügen über 2000 Mrd. $ Währungsreserven, mit denen sie ihr Versprechen untermauern. US-Präsident Barack Obamas neuer Haushalt sieht ein atemberaubendes Defizit in Höhe von 1750 Mrd. $ vor, ein Vielfaches des bisherigen Rekords. Sogar in den Ländern, die nicht aktiv an einer finanzpolitischen Orgie beteiligt sind, kollabieren die Überschüsse und schnellen die Defizite hoch, hauptsächlich aufgrund ausbleibender Steuereinnahmen.
Nur wenige Regierungen haben entfernt realistische Etatprognosen, man stützt sich auf übermäßig rosige Wirtschaftsszenarien. Aber leider wird die Weltwirtschaft 2009 nicht auf Rosen gebettet sein. In den USA und im Euro-Raum ist das BIP offenbar mit einem auf das Jahr umgerechneten Satz von etwa sechs Prozent im vierten Quartal des Jahres 2008 gesunken; Japans BIP schrumpfte etwa doppelt so schnell.
Chinas Behauptung, sein BIP sei Ende 2008 mit einer Rate von sechs Prozent gewachsen, ist fragwürdig. Die Exporte sind überall in Asien eingebrochen, einschließlich Korea, Japan und Singapur. Indien und in geringerem Umfang Brasilien haben sich wohl etwas besser gehalten. Aber nur wenige Schwellenländer haben ein Stadium erreicht, in dem sie einem nachhaltigen Einbruch in den Industrienationen standhalten. Noch viel weniger können sie als Ersatzmotoren für globales Wachstum dienen.
Da die Kreditkrise es kleinen und mittleren Unternehmen nach wie vor erschwert, auch nur die minimal notwendige Finanzierung für Lagerhaltung und Handelsgeschäfte zu erhalten, steht das globale BIP 2009 vor einem steilen Absturz. Es ist möglich, dass die globale Wirtschaftsleistung erstmals seit 1945 schrumpft.
Aller Wahrscheinlichkeit nach werden eine Menge Länder 2009 BIP-Rückgänge von vier bis fünf Prozent erleben, einige mit Einbußen von zehn Prozent und mehr sogar eine regelrechte Depression. Schlimmer noch: Wenn die Finanzsysteme nicht wieder in Gang kommen, könnte das Wachstum sogar für viele weitere Jahre enttäuschen, insbesondere in "Ground Zero"-Ländern wie den USA, Großbritannien, Irland und Spanien. Das langfristige Wachstum in den USA könnte besonders trübe ausfallen, da die Regierung Obama eher einen Sozialstaat und eine Einkommensumverteilung wie in Europa anstrebt.
Länder mit europäischem Wachstumstempo konnten mit einem Schuldenstand von 60 Prozent des BIP zurechtkommen, als die Zinsen niedrig waren. In vielen Ländern steigen die Schulden jedoch auf 80 oder 90 Prozent des BIP, und da die niedrigen Zinssätze von heute eindeutig ein temporäres Phänomen sind, braut sich da etwas zusammen. Viele der Länder, die massive Schulden auftürmen, um ihren Banken zu helfen, haben nur magere mittelfristige Wachstumsaussichten. Das wirft ernste Fragen zu ihrer Zahlungsfähigkeit und zur Tragbarkeit ihrer Verschuldung auf.
Angelsachsen womöglich nicht besser dran
Italien etwa, dessen Schuldenstandquote 100 Prozent bereits übersteigt, hat es dank sinkender globaler Zinssätze bislang geschafft. Doch im Zuge steigender Schulden und Zinsen fürchten Investoren zu Recht das Risiko einer Umschuldung. Andere Länder wie etwa Irland, Großbritannien und die USA haben zwar mit einer wesentlich besseren Haushaltslage begonnen, sind aber möglicherweise auch nicht viel besser dran, wenn der Nebel sich lichtet.
Die Wechselkurse sind ein weiterer Joker. Asiatische Zentralbanken klammern sich nach wie vor nervös an den Dollar. Aber da die USA Schuldtitel und Geld drucken, als gäbe es kein morgen, sollte der Euro in den nächsten zwei oder drei Jahren gegenüber dem Dollar aufwerten. Vorausgesetzt, dass es den Euro dann noch gibt.
Während die Schulden steigen und die Rezession anhält, werden wir erleben, wie eine Reihe von Regierungen versucht, ihre Last durch Eingriffe am Finanzmarkt, höhere Inflation, teilweisen Staatsbankrott oder eine Kombination aus allem zu erleichtern. Das Endspiel der großen Rezession am Anfang des 21. Jahrhunderts wird kein schönes Bild abgeben.
