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Marktkommentar: Philipp Buff und Stéphane Rüegg (Pictet): Sustainability Linked Bonds

Freitag, 20.11.2020 16:00 von Asset Standard - Aufrufe: 662

Sustainability Linked Bonds sind innovativ und flexibel und könnten verantwortungsvolle Anleiheinvestments zum Mainstream machen.

November 2020 - Verantwortungsvolles Investieren hält zunehmend Einzug in die Anleihemärkte. Und das genau zur richtigen Zeit.

Aktieninvestoren haben sich schon vor Jahren mit ESG-Grundsätzen (Umwelt, soziale Belange und Governance) auseinandergesetzt, mit speziellen Strategien und Möglichkeiten der Einflussnahme als Investor. Nach einigen Fehlstarts ziehen jetzt auch Anleihen nach. Das Volumen umlaufender ESG-Anleihen liegt mittlerweile bei 1 Bio. US-Dollar. Diese Zahl wird weiter steigen. Ein Grund dafür ist die Einführung eines innovativen neuen Instruments: Sustainability Linked Bond. Diese Wertpapiere bieten Investoren neue Möglichkeiten, bei Themen, die ihnen am Herzen liegen und die das Potenzial haben, sich zum Standard in Sachen ESG-Anleiheinvestments zu entwickeln, auf Unternehmen Einfluss zu nehmen. Mit der Zeit könnten sie sogar traditionelle Instrumente als Kreditform ablösen.

Sustainability Linked Bonds sind nicht mit Green Bonds zu verwechseln, die mit dem Versprechen emittiert werden, dass die Erlöse für bestimmte umweltfreundliche Projekte verwendet werden. Vielmehr geben Unternehmen, die Sustainability Linked Bonds emittieren, die Zusage, bestimmte unternehmensweite Ziele in einem festgelegten Zeitrahmen zu erreichen. So haben Investoren die Möglichkeit, die Emittenten auszuwählen, deren übergeordnete nachhaltigkeitsbezogene Prioritäten sich mit ihren eigenen decken. Ausserdem sind die Emittenten sehr flexibel bei der Bestimmung eines Ziels, das zu ihnen passt – unabhängig von Grösse, Rating, Sektor oder Region.

Die genaue Definition der Ziele ist wichtig. Viele Investoren sind bei Green Bonds skeptisch, weil sich kaum feststellen lässt, ob die beschafften Gelder tatsächlich in Umweltprojekte fliessen. Bei Sustainability Linked Bonds gibt es dieses Problem nicht, weil in ihnen ein starker Anreiz für die emittierenden Unternehmen eingebettet ist, sich für nachhaltigere Praktiken einzusetzen. Dieser Anreiz besteht in einer Art „Strafe“ – wie Kupon-Erhöhungen oder eine zusätzliche Zahlung an die Investoren bei Fälligkeit –, die immer dann zum Tragen kommt, wenn die Zielvorgaben nicht erreicht werden. 

Branchen- und ratingübergreifend

Enel, ein italienisches Versorgungsunternehmen, war der erste Emittent, der 2019 einen Sustainability Linked Bond emittierte. Es folgten weitere Unternehmen wie der brasilianische Zellstoff- und Papierproduzent Suzano, der Schweizer Pharmakonzern Novartis und die französische Luxusmarke Chanel.

Da die Vorgabe kein grosses, teures Umweltprojekt sein muss, haben auch kleinere Unternehmen die Möglichkeit, sich zu beteiligen, auch solche aus dem High Yield-Sektor. Dadurch wird auch das Spektrum der Investmentoptionen breiter. Angesichts der Vielzahl an „gefallenen Engeln“ in diesem Jahr – Unternehmen, die vor kurzem ihren Investment-Grade-Status verloren haben – ist zu erwarten, dass Sustainability Linked Bonds sich im BB-Segment konzentrieren werden, das aktuell knapp 75% des europäischen High Yield-Marktes repräsentiert.

Wir gehen auch davon aus, dass Finanzinstitute diese Instrumente für sich entdecken und ESG-Ziele an ihre Darlehen-Portfolios koppeln werden.

Dieses Instrument dürfte dank der breiten Vielfalt möglicher nachhaltigkeitsbezogener Ziele in allen Branchen an Beliebtheit zunehmen – im Gegensatz zu Green Bonds, die bislang hauptsächlich von Versorgern emittiert wurden. Der Einzelhandel gehört zu den Sektoren, die in den kommenden Jahren zu einer reichhaltigen Quelle für Sustainability Linked Bonds werden könnten. 

Es geht nämlich nicht nur um die Umwelt. Während die ersten Sustainability Linked Bonds an Umweltziele geknüpft waren, wie eine Verringerung der Treibhausgasemissionen, legt das Pharmaunternehmen Novartis den Fokus auf Zugang zu Medizin in den unteren und mittleren Einkommensschichten. Damit ist ein Bezug zu dessen spezifischer Branche und Strategie gegeben. Dies macht deutlich, wie gross das Potenzial bei diesen Anleihen ist, dass individuelle Ziele aus dem gesamten Spektrum von ESG-Themen ausgewählt werden können. Es ist davon auszugehen, dass neben ökologischen Zielen nach und nach weitere Ziele mit Bezug auf soziale Belange und Governance hinzukommen werden – das wird Sustainability Linked Bonds dann noch stärker von Green Bonds unterscheiden. 

Sorgfalt zahlt sich aus

Diese neuen Wertpapiere haben jedoch einen Nachteil – sie müssen genauer und sorgfältiger unter die Lupe genommen werden.

Sind die Ziele vernünftig, erreichbar und messbar? Orientieren sie sich wirklich an ESG-Grundsätzen? Ist in den Renditen das Emittentenrisiko angemessen berücksichtigt? Sind die Strafen hoch genug, dass sie wirklich ein Anreiz für Veränderung sind, aber nicht überzogen?

Die beliebteste Strafe scheint momentan eine Kupon-Erhöhung um 25 Basispunkte zu sein. Im Vergleich zum Anfangskupon einer Anleihe ist das wenig. Idealerweise wäre die Strafe so hoch wie die Erhöhung bei einer Herabstufung von Emittentenratings – nämlich um die 125 Basispunkte. Mit anderen Worten: Ein Nachhaltigkeitsziel sollte genauso wichtig sein wie ein Ratingziel. Einen ersten Schritt, den 25 Bp-Trend zu durchbrechen, hat Chanel unternommen. 

Die Nachfrage nach Sustainability Linked Bonds ist gross. Die meisten Neuemissionen 2020 waren teurer als vergleichbare Anleihen, die am Sekundärmarkt gehandelt werden. Das zeigt, wie angetan Investoren von diesem Anleihetyp sind. Viele dieser Anleihen werden gerade mit einem „negativen Aufschlag“ auf Standardanleihen gehandelt.

Investoren müssen darauf achten, dass sie nicht zu viel bezahlen. Aktuell spiegelt sich in den Preisen die künftige Rolle wider, die Sustainability Linked Bonds spielen können.  Wir gehen davon aus, dass ihre Beliebtheit dank der jüngsten Entscheidung der Europäischen Zentralbank, diese Papiere ab Januar 2021 in ihre Anleihenkaufprogramme aufzunehmen und als Sicherheiten zuzulassen, zunehmen wird. Dies ist ein entscheidender Schritt, vor allem weil die EZB bislang Strukturen mit Kupon-Erhöhungen (z. B. ausgelöst durch Rating-Herabstufungen) ausgeschlossen hatte. Der Kurswechsel dürfte die Emissionstätigkeit in den kommenden Monaten beleben.

Es gibt noch weitere unterstützende Faktoren: 

Durch die Abstimmung unternehmensspezifischer Ziele mit denjenigen der EU Green Taxonomy und/oder den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der UN könnte der Markt noch schneller wachsen. 

Anleihen, die in die SDGs 3, 7 und 13 eingebettet sind – Saubere Energie, Massnahmen zum Klimaschutz sowie Gesundheit und Wohlergehen –, könnten nach unserer Einschätzung einen Boom erleben. 

Auch bei Anleihen, die andere SDG-Ziele einschließen, wie Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen, Abbau von Ungleichheiten sowie Verantwortungsvoller Konsum und Produktion, ist das Potenzial gross.

Über alle Anlageklassen hinweg entwickeln sich ESG-Investments in schnellem Tempo von einer Nische zu „Business as usual“. Nach unserer Ansicht spielen Sustainability Linked Bonds eine entscheidende Rolle bei dieser Revolution. Mit zunehmendem Wachstum des Marktes wird ihr Anteil nicht nur in nachhaltig ausgerichteten Kreditportfolios steigen, sondern auch in herkömmlichen Anleiheportfolios. Für Investoren bietet sich durch diese Innovation die Möglichkeit, ihre eigenen ESG-Prioritäten mit denen der Unternehmen, in die sie investieren, in Einklang zu bringen. Dadurch werden messbare und konkrete Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit ermöglicht und es kann ein breites Spektrum von Investmentchancen erschlossen werden, mit denen sich attraktive Renditen erzielen lassen.



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