Montag, 27.06.2022 08:28 von Lars Brandau | Aufrufe: 531

Auch Aussitzen muss man sich leisten können

Die Hüter der Geldwertstabilität kämpfen gegen das Gespenst der Inflation und beschwören im Worst Case eine Stagflation herauf. Die Märkte preisen jedenfalls gerade ein, dass die Notenbanken beim Ausbremsen des Wachstums erfolgreich sein könnten – weniger beim Eindämmen der Inflation. Auch der Bundesfinanzminister hat in den Krisenmodus geschaltet und schwört die breite Bevölkerung schon einmal auf drei bis fünf unschöne Jahre ein. Das alles führt zunehmend dazu, dass im Minus liegende Anlegende unruhiger werden. Wer in den zurückliegenden Jahren zwar ein stetiges Auf und Ab miterlebt hat, lag mit den meisten Titeln am Ende des jeweiligen Jahres dennoch vorne. Somit gab es keinen Grund zur Unruhe, und insofern überwog auch die Annahme, dass alles so weitergehen könnte. Zur Jahresmitte 2022 verzeichnen selbst risikoaverse und breitaufgestellte Sparplanzahlende mit größter Wahrscheinlichkeit Verluste; zum Teil im zweistelligen Bereich.

Nun gehen im Grunde genommen alle erfahrenen Marktteilnehmenden davon aus, dass unabhängig von der Länge und Schwere des Bärenmarktes im Anschluss wieder eine Phase mit steigenden Kursen und irgendwann auch neuen Rekordständen zu verzeichnen sein wird. Die Frage ist eben nur, ob sich der Einzelne in seiner Vermögensallokation so aufgestellt hat, dass sie oder er die gegenwärtigen Tiefs gelassen aussitzen kann oder ob aktiver Handlungsbedarf besteht? Und selbst wenn jemand in der Lage dazu ist, denn es benötigt immer in jedem Fall frisches Geld, ist Moneymanagement am Ende eben doch nicht so trivial wie einige glauben mögen.

Allerdings hat der geübte Hypochonder hier einen vermeintlichen Vorteil: Er kennt sich, seine Verhaltensmuster, seine Ängste und Sorgen und reagiert sehr sensibel auf Veränderungen. Für Investierende gilt es jetzt klar und nüchtern zu überlegen, was das Ziel ihrer Anlagestrategie ist. Gewinnmaximierung scheidet derzeit per se aus. Wer aber ganz aus dem Markt herausgeht, lässt womöglich einiges an kurzfristiger Rendite liegen. Entscheidungshilfe mag die Beobachtung geben, dass lange Bärenmärkte eigentlich immer in Rezessionsphasen lagen. Solange es also einen Rest Konjunkturhoffnung gibt, sollte es nicht zu einem dauerhaften Marktleid kommen.

Aber: Die Geschichte zeigt auch, dass die Abwärtsbewegung an den Märkten selten langsam verläuft. Der Aktienmarkt fällt immer schneller, als er steigt. Anlegende sollten auf weitere Korrekturen vorbereitet sein und ihre Depots entsprechend ausrichten. Und zugegebenermaßen ist es äußerst schwierig, diese große Rekalibrierung an den Märkten erfolgreich zu navigieren. Selbst wenn man seine Hausarbeiten bei der Unternehmensanalyse macht, könnte einem die große Makro-Entwicklung einen Strich durch die Rechnung machen. Aber man sollte es mit der Dramatik auch nicht übertreiben: Kein klar denkender Mensch sagt das Ende der Welt, der Digitalisierung oder den Triumph der klassischen Öl- und Gas-Konzerne voraus, auch wenn die gerade eine Wiederauferstehung an den Märkten feiern. Außerdem sollten sich Anlegende, die noch 15 oder 20 Jahre investieren können, darüber im Klaren sein, dass Übertreibungsphasen an den Märkten immer auch zu Chancen führen.

Das Problem sind übrigens weniger die Fehler, die gemacht werden, sondern die ständige Angst davor welche zu machen.

 

 

 


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