„Inflation oder Deflation sind nur zwei Fremdwörter für Pleite.“
(Carl Fürstenberg, deutscher Bankier, 1850-1933)
Es herrscht bei der Minderheit derjenigen Experten, die die Wirtschaftskrise haben kommen sehen, Einigkeit darüber, dass wir uns seit drei Jahren inmitten der größten Krise seit den 1930er Jahren befinden. Die jedoch von dieser Entwicklung völlig überraschte und noch immer tonangebende Mehrheit der „Experten“ ist indes zuversichtlich, durch monetäre staatliche Interventionen, deren Volumina historisch ohne Beispiel sind, die Krise schon erfolgreich überwunden zu haben...
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Wie wir in unseren Studien schon begründet haben, handelt es sich dabei um eine gefährliche Illusion. Die Versuche der Politik, Rezessionen allein mit den keynesianischen Lehrbuchmethoden des billigen Kredits und/oder verschuldungsfinanzierten Konjunkturprogrammen beheben zu wollen, haben den Wirtschaftszyklus in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr, wie in der Theorie erhofft, geglättet, sondern bewirkten eher das Gegenteil dessen.
Eine exponentiell wachsende staatliche Verschuldung, Nullzinspolitik, die Sozialisierung der Verluste system(un)relevanter Zockerbanken oder die Subvention von Überkapazitäten per Abwrackprämien sind nur einige Indizien dafür, dass die unbegrenzten staatlichen Interventionen in die Marktwirtschaft Nebenwirkungen entfalteten, die heute zu den Bestimmungsfaktoren an den Märkten mutiert sind. So erzeugt Dank erfolgreicher Lobbyarbeit eine noch immer überdimensional aufgeblähte Finanzindustrie mit dem staatlichen Blankoscheck in der Hand neuerliche Systemrisiken, ohne jene Regulierung fürchten zu müssen, die die Politik in ihrer ersten Reaktion auf die Krise medienwirksam ankündigte. Forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung Anfang Mai noch das „Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten wiederherzustellen“, so ist die Kapitulation der Politik in den USA und der Eurozone vor ihrem Finanzsektor nur kurze Zeit später offensichtlich geworden.
Zahlreiche Fehlentwicklungen
Durch die Spekulationen auf eine bevorstehende Pleite Griechenlands verlagerte sich im ersten Halbjahr 2010 die Wahrnehmung der staatlichen Schuldenproblematik von den USA weg in Richtung Europa und sorgte speziell an den Finanzmärkten der Eurozone für Turbulenzen. In der Folge gerieten auch noch andere einstige Schwachwährungsländer aus der PIIGS-Gruppe mit unter Druck und offenbarten damit die fundamentale Fehlkonstruktion der europäischen Einheitswährung, die entgegen allen Versprechungen Helmut Kohls vor der Einführung alles andere als zu einer Stabilitätsgemeinschaft geführt hat.
Über Jahre hinweg begeisterte sich auch die EU-Kommission an dem durch viel zu niedrige Zinsen künstlich erzeugten Wirtschaftswachstum der einstigen Club Med-Staaten (zzgl. Irland), obwohl doch dieses hauptsächlich auf Staatskonsum und/oder Immobilienblasen zurückzuführen war. Die heutigen darauf fokussierten Wirtschaftsstrukturen lassen jedoch keinen Zweifel mehr daran, dass die Wettbewerbsfähigkeit der PIIGS - insbesondere bei einem weiteren Verbleib im Euro-Club - aufgrund der Undurchführbarkeit der dafür notwendigen unpopulären Maßnahmen (z.B. Lohn- oder Rentenkürzung) als endgültig ruiniert gelten darf.
Doch auch für Deutschland werden die Zeiten in Zukunft sicherlich härter. Konnte das Land in Relation zu seiner ökonomischen Stärke mit der viel zu schwachen Einheitswährung dank großer Lohnzurückhaltung (zulasten der Binnennachfrage) seit 2000 deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und jahrelang Exporterfolge feiern, so kündet der Titel des „Export(ex)weltmeisters“ doch nur von einem Pyrrhussieg. Ein innerhalb der letzten zehn Jahre von 30% auf beeindruckende 45% vom BIP gesteigerter Exportanteil war vor allem deshalb möglich, weil die hiesigen Banken den Export durch eine unlimitierte Kreditierung finanzierten! Doch dieses Exportmodell per Absatzfinanzierung steht nun zur Disposition – genau wie die deutschen und französischen Banken, die nach letzten Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) allein nur in Portugal, Irland, Griechenland und Spanien 465 Mrd. USD bzw. 493 Mrd. USD (!) im Feuer zu stehen haben.
Zur Rettung der vornehmlich europäischen PIIGS-Gläubiger(Banken) wurden letztlich die Maastricht-Verträge von der Politik ad hoc neu interpretiert und der Bankenbailout 2.0, getarnt als Griechenland-Hilfspaket, dadurch Realität.
Auf die Geschehnisse in der Eurozone reagierten die Aktienmärkte im ersten Halbjahr sehr nervös. In Europa verloren speziell die Börsen der PIIGS-Staaten bis zu 34%, während sich der DAX mit -1,7% achtbar schlug. Nur auf Euro-Basis gerechnet erzielten Investoren in Amerika einen Gewinn, was im Hoffnungsland China hingegen die zweistelligen Verluste auch nicht erträglicher erscheinen lassen konnte. Andere Emerging Market-Börsen wie die Indonesiens, Thailands oder Malaysias verbuchten teils deutliche Gewinne – nicht nur auf Euro-Basis.
Vor dem Hintergrund dieser divergierenden Entwicklungen haben wir im M & W Capital konsequent an unserer sehr defensiven Ausrichtung festgehalten. Aufgrund der seit Jahresbeginn nicht abreißen wollenden Befürchtungen hinsichtlich eines größeren Wertberichtigungsbedarfs deutscher Banken erhöhten wir den Bestand an kurzfristigen Bundesanleihen, die sich aktuell unverändert noch als „sicherer Hafen“ zum „Parken“ von Liquidität außerhalb des Bankensektors eignen. Weiterhin gehen wir u.a. mit Blick auf die ambitionierten Gewinnerwartungen von einer deutlichen Überbewertung der internationalen Aktienmärkte aus, sodass wir an unserer Short-Position auf den DAX festhalten. Erst auf einem deutlich niedrigeren Niveau sehen wir dann auch vertretbarere Chancen an den Aktienmärkten.
Zeitenwende
Die wirtschaftliche Erholung, die mit diversen Statistiken auf Jahresbasis (Vergleich zum Tiefpunkt der Krise!) in den Medien nahezu täglich „gefeiert“ wird, verliert – ohne zuvor selbsttragend geworden zu sein – nun offenbar an Schwung. Zahlreiche Frühindikatoren wie z.B. der Baltic Dry- oder der ECRI-Index in den USA deuten dieses verstärkt an, sodass sich die beiderseits des Atlantiks als Antwort auf die Krise initiierten Konjunkturprogramme in Höhe von 27% des BIP als bislang teuerstes keynesianisches Strohfeuer erweisen dürften. Schließlich beendete jüngst EZB-Chef Jean-Claude Trichet noch vor dem Ruf nach weiteren Konjunkturstimulierungsmaßnahmen die Hoffnung auf weitere deutlich: „Wir haben das einmal getan, wir werden das nicht ein zweites Mal tun.“
Die Idee der Politik, das Vorkrisen-Wohlstandsmodell (über mehr Verschuldung zu mehr Konsum zu mehr Wohlstand) mittels sozialistischer Planspiele wiederzubeleben, dürfte aber mit der ausgereizten Verschuldungsfähigkeit des Konsumenten inzwischen als gescheitert angesehen werden. Verschuldung ist eben nichts weiter als vorgezogener Konsum, der in der Zukunft ausfällt und in diese Zukunft sind wir schon eingetreten! Angesichts der inzwischen an den Finanzmärkten offen diskutierten Gefahr größerer Staatspleiten ist es mehr als zweifelhaft, dass die mit dem Rücken zur Wand stehenden Regierungen erneut einen Versuch unternehmen werden, sich dem nächsten Wirtschaftseinbruch nochmals mit billionenschweren Konjunkturprogrammen entgegenzustellen. Im dritten Jahr der Finanzkrise stehen wir mit den ungelösten Problemen von damals (z. B. Handelsungleichgewichte, Überschuldung oder Regulierung) nun wieder am Anfang der Krise, allerdings mit dem Unterschied heute deutlich stärker verschuldet zu sein und obendrein keine zinspolitischen Spielräume mehr zu besitzen.
Doch wie reagieren nun Notenbanken und Politik darauf? Werden wir in den nächsten Jahren dem Beispiel Japans in die Stagnation folgen oder ähnlich der 1930er Jahre, über die Deflation sogar in eine Depression abrutschen? Werden Notenbanken letzteres mit beispiellosen Gelddruckaktionen zu verhindern versuchen und damit Inflationswellen auslösen, die „lediglich“ die inflationären Zeiten der 1970er Jahre in den Schatten stellen oder provozieren sie damit sogar einem Zusammenbruch des Papiergeldsystems ähnlich dem des Jahres 1923 in Deutschland?
Deflation/Inflation
Nachdem mit der EZB im Mai die letzte bedeutende Notenbank in die direkte Staatsfinanzierung per Notenpresse einstieg, vermuten viele Marktteilnehmer ein unmittelbares Inflationsproblem. Prinzipiell ist dieses richtig, jedoch darf eine wesentliche Tatsache nicht übersehen werden: Im heutigen Kreditgeldsystem, in dem Zentral- und vor allem Geschäftsbanken unbegrenzt neues Geld schaffen können, bedeutet neues Inflationsgeld zwangsläufig, dass Haushalte, Unternehmen oder der Staat bereit sein müssen, immer neue Schulden anzuhäufen. Im Prinzip gilt, dass es ohne neue Schulden keine Inflation gibt. Und an dieser Stelle lohnt ein Blick in die letzte BIZ-Statistik: Betrugen im März des Rekordjahres 2008 die globalen Kreditverbindlichkeiten noch 40,393 Billionen USD, schrumpften diese bis Ende 2009 um rund 5,024 Billionen USD, wovon knapp 2/3 auf Nichtbanken entfielen.
Da sich augenscheinlich also Verbraucher und Unternehmen nicht mehr verschulden können oder wollen („die Pferde saufen nicht“), bleibt nur noch der Staat. Der wiederum hat von dieser Möglichkeit in den letzten Jahrzehnten und gerade noch einmal in der Finanzkrise aber schon exzessiven Gebrauch gemacht, sodass der Staatsbankrott heute für kein größeres Land inklusive der USA mehr ausgeschlossen werden kann.
Sollte die jüngst von der BIZ erneut scharf kritisierte Nullzins-Manipulation der Märkte durch die Notenbanken Preisblasen wie aktuell an den Rohstoff- oder Aktienmärkten weiter anheizen oder gar eine Definition neuer Inflationsziele (z. B. 4% statt nahe 2%) als „kontrollierte“ Entschuldungsmöglichkeit diskutiert werden, würden die sich zwangsläufig verstärkenden Inflationsängste die Zinsen in jene Richtung treiben, wo für die meisten Staatshaushalte die Zinslasten innerhalb weniger Jahre nicht mehr tragbar wären. Nach unserer Überzeugung sind daher die wenigsten Staatshaushalte heute noch in einer Position, über eine weitere Verschuldung eine kontrollierbare Inflation erzeugen zu können. Sollten aber Regierungen und Notenbanken dieses Experiment mit einer unbegrenzten Monetarisierung von Staatsanleihen tatsächlich wagen, würde es bedeuten, dass sie das System wie 1923 bewusst hyperinflationär an die Wand fahren, wovon wir jedoch zurzeit noch nicht ausgehen wollen.
Die an den Finanzmärkten offen diskutierte Möglichkeit von Staatspleiten hat die Regierungen auf dem vergangenen G-20-Gipfel in Kanada jedenfalls rhetorisch zu einem Richtungswechsel gezwungen, und plötzlich stehen in Europa milliardenschwere Sparprogramme auf der Agenda, die zusätzlich deflationär wirken könnten.
Kommt es zu diesem deflationären Szenario, sehen wir an den Aktien- respektive Rohstoffmärkten in den nächsten Jahren Tiefstände, die sich der „rettungspaketverwöhnte Anlagenotstandsinvestor“ heute nur sehr schwer vorzustellen vermag. Dabei sollte als Warnung der Verlauf des japanischen Aktienmarktes genügen, der trotz unbegrenzter Liquidität und Exporterfolgen nach einigen zwischenzeitlichen Rallyes von über 50% heute dennoch um mehr als 70% unter dem Niveau des Jahres 1989 liegt!
Wir sind davon überzeugt, dass die aktuelle Finanzkrise in naher Zukunft noch einige „Überraschungen“ nicht nur für die Finanzmarktteilnehmer parat halten wird, sodass besonnenes Agieren auch weiterhin die entscheidende Voraussetzung für einen nachhaltigen Anlageerfolg sein wird.
frank-meyer.eu/blog/...69&more=1&c=1&tb=1&pb=1
Bubbles are normal and non-bubble times are depressions!