von Mark Böschen, Yasmin Osman, Tobias Bayer, Markus Zydra (Frankfurt) und Jens Korte (New York)
Aktien werden 2007 kräftig steigen und Anleihen weit hinter sich lassen. Besonders Europas Börsen haben Potenzial, erwarten die Strategen der meisten Banken. Der deutsche Dax dürfte ihrer Meinung nach erneut andere europäische Leitindizes schlagen.
Aktien sind 2007 die attraktivste Anlageklasse, urteilen die Strategen der meisten Banken. Sie favorisieren Werte aus Schwellenländern und Europa. Auf dem alten Kontinent gilt besonders Deutschlands Börse als attraktiv, der Dax dürfte über 7000 Punkte springen, sagen sie voraus.
Anleihen stehen dagegen erneut vor einem schwachen Jahr ohne starke Kursgewinne, sagen Bondexperten. Abwärts dürfte es für den Dollar gehen, kündigen Devisenstrategen an: Der Euro werde deutlich steigen und zum Greenback in einem Kursband zwischen 1,35 und 1,40 $ schwanken. Der Preis für US-Öl wird zwischen 60 und 65 $ pro Barrel pendeln, prognostizieren Rohstoffstrategen.
Schon im vergangenen Jahr gehörten deutsche Aktien zu den größten Gewinnern. Der Dax schaffte ein Plus von 22 Prozent auf 6596 Punkte - und gewann damit doppelt so stark wie der europäische Stoxx 50. "Deutschland ist unser Favorit in Europa", sagt die Schweizer Großbank Credit Suisse, die den Dax zum Jahresende bei 7100 Punkten erwartet. Der niederländische Rivale ABN Amro rechnet mit 7300 Punkten.
Drei der vier größten deutschen Banken sehen neun Prozent Kurspotenzial für den Dax, deutlich über der langjährigen Durchschnittsrendite von 7 Prozent: Deutsche Bank und LBBW erwarten 7200 Punkte, die Commerzbank sieht 7400 Zähler am Jahresende. Die großen US-Banken sind mehrheitlich noch optimistischer: Lehman Brothers sieht den Dax in zwölf Monaten bei 7450 Zählern, ein Plus von 13 Prozent. Goldman Sachs, Morgan Stanley und Citigroup prognostizieren für europäische Aktien Renditen von 11, 13 und 15 Prozent.
"Die Rally in Europa geht weiter", sagt Lehman-Stratege Ian Scott. Das Wirtschaftswachstum werde sich abschwächen und die Bewertungen der Aktien gemessen an den Konzerngewinnen steigen, sagt Scott. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse dürften steigen, wie es für die zweite Hälfte einer Aktienrally typisch sei, urteilt Teun Draaisma von Morgan Stanley in seinem Jahresausblick mit dem Titel "Die Party geht weiter". Dadurch seien auch 20 Prozent Aktienrendite leicht erreichbar. Allerdings seien auch häufige Kurskorrekturen um 10 Prozent für die zweite Hälfte einer Rally typisch, sagt Draaisma.
Doch es gibt auch Pessimisten. Die Landesbanken NordLB und Helaba erwarten, dass der Dax im Jahresverlauf auf 6500 und 6000 Punkte fällt. Die Strategen von JP Morgan sehen den Index zum Jahresschluss bei 6100 Zählern. "Die Märkte setzen einseitig auf Optimismus", urteilen die Strategen der US-Bank. Anders als die Mehrheit erwarten sie, dass die Leitzinsen wegen der hohen Kerninflationsrate steigen und dass langsamer wachsende Unternehmensgewinne zu sinkenden Kurs-Gewinn-Verhältnissen führen. "Die Gewinnschätzungen der Analysten sind zu optimistisch", urteilen die Strategen von Dresdner Kleinwort. Die Dresdner Bank hat das Dax-Ziel auf 6800 Punkte gesetzt, nur drei Prozent über dem Schlussstand von 2006.
Der Dax ließ im vergangenen Jahr auch den S&P 500 hinter sich, der 13,6 Prozent auf 1418,30 Zähler kletterte. Bei US-Aktien rechnen die zwölf größten Wall-Street-Häuser geschlossen mit steigenden Kursen für 2007. Die konservativste Schätzung kommt dabei von Abhijit Chakrabortti, Leiter globale Aktienstrategie bei JP Morgan, der den S&P 500 Ende 2007 bei 1440 Punkten sieht. Die optimistischste Einschätzung wagen Ed Keon, Chief Investment Strategist von Prudential, und Tobias Levkovich von der Citigroup, die Index-Ziele von 1600 Punkten ausgeben.
Die geballte Zuversicht stimmt einige Experten nachdenklich. "Wenn die Wall Street Experten in der Vergangenheit geschlossen einer Meinung waren, lagen sie normalerweise daneben," zeigt sich Malcolm Polley, Chief Investment Officer von Stewart Capital Advisors besorgt. Zuletzt waren die Prognosen für das Jahr 2001 so zuversichlich, damals fiel der S&P 500 im Jahresverlauf um 13 Prozent. "Wenn jeder auf der gleichen Seite des Bootes sitzt, ist Vorsicht geboten," sagt Joe Quinlan, leitender Marktstratege der Bank of America. "Die US-Märkte könnten leicht zulegen, aber ich rechne mit einem Zick-Zack-Kurs über das gesamte Jahr verteilt."
Als Hauptrisiko für den Aktienmarkt sieht Europa-Stratege Peter Oppenheimer von Goldman Sachs, dass die Gewinnmargen der Unternehmen unter Druck kommen könnten. "Selbst ein kleiner Rückgang würde schädlich für die Aktienrendite und damit die Kurse sein", sagte er. Das Wachstum der Unternehmensgewinne hat nach Meinung vieler Strategen bereits den Höhepunkt überschritten.
Die hohen Prognosen vieler Banken für S&P und Dax setzen voraus, dass die US-Konjunktur nur moderat abbremst. "Alles steht und fällt mit den USA", sagt Bernd Meyer, Chefstratege für europäische Aktien bei der Deutschen Bank. Dabei haben selbst viele Häuser mit optimistischen Prognosen ein pessimistisches Szenario, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit nah beim Hauptszenario liegt. Die Privatbank Julius Bär schätzt das Risiko für eine US-Rezession auf 25 Prozent.
Rivale Pictet sieht das Rezessionsrisiko sogar bei 40 Prozent. Die Schweizer erwarten außerdem Verzerrungen am Devisenmarkt, vor allem der japanische Yen sei 10 bis 15 Prozent unterbewertet. "Bei Währungen könnte es einen Schock geben, der Turbulenzen bei Aktien und Bonds verursacht", sagte Strategie-Chef Alfred Roelli, denn viele Anleger hätten sich zu niedrigen Zinsen in Japan Geld für Aktienkäufe an den Weltbörsen geliehen. "Das ist wie eine Blase", sagt er. Eine weitere Dollar-Schwäche sei ein bedeutendes Risiko, urteilen auch die Strategen von Goldman Sachs.
Dollar unter Druck
Devisenexperten erwarten, dass der Dollar im neuen Jahr unter Druck bleiben dürfte. Erst eine Erholung der US-Wirtschaft könnte eine Wende bringen. Doch vorerst rechnen Analysten mit einem Anstieg des Euro auf 1,35 bis 1,40 $. Getragen werde die Entwicklung durch den schrumpfenden Zinsvorsprung des Dollar: Fallende US-Zinsen bei steigenden Leitzinsen in Euroland würden die Gemeinschaftswährung attraktiver machen, ebenso wie die anhaltend starke Binnennachfrage der Eurozone, schreiben die Analysten von Unicredit.
Der Gemeinschaftswährung hilft auch, dass immer mehr Länder ihre Devisenreserven künftig weniger stark in Dollar anlegen wollen. "Es ist schwer vorstellbar, dass Zentralbanken nicht damit fortfahren ihre Devisenreserven in Euro zu diversifizieren", schreiben die Analysten von Lehman Brothers. Bereits in diesem Jahr hatten die Ankündigungen mehrerer Notenbanken aus Asien, dem Nahen Osten und Russland dem Euro Auftrieb verliehen. "Das wird ein langfristig negativer Faktor für den US-Dollar sein", schreiben die Analysten von BNP Paribas. Die französische Großbank, die zu den ausgeprägten Dollar-Skeptikern gehört, traut dem Euro auch wegen des schwindenden Zinsvorteils des Dollar einen Anstieg bis auf 1,40$ zu.
Die UBS rechnet aber damit, dass der Euro 2007 seinen Zenit erreicht. Danach dürften verstärkt asiatische Währungen wie Yen und Renminbi die Lasten der Dollar-Abwertung schultern. Denn das schwächere US-Wachstum und die Sparhaushalte der europäischen Regierungen dürften auch die Konjunktur der Europäer dämpfen und den Zinserhöhungselan der EZB bremsen. Die prognostizierten Rekordniveaus wird der Euro auch nach Einschätzung anderer Häuser wie Lehman Brothers oder Unicredit nicht lange halten.
Magere Aussichten für Renten
An den Rentenmärkten müssen sich Anleger nach Einschätzung der Experten auf ein weiteres mageres Jahr einstellen. Dabei rechnen viele Bondstrategen wie ihre Kollegen von der Aktienseite mit mehreren Zinssenkungen der US-Notenbank, die vor allem in der ersten Jahreshälfte für moderat steigende Kurse und sinkende Renditen sorgen könnten. "Der Spielraum für eine Rally bei amerikanischen Staatsanleihen ist aber geringer geworden", sagt Jan Hatzius, Chefvolkswirt von Goldman Sachs.
Denn in den vergangenen Monaten haben die Bondmärkte bereits mit kräftigen Kursgewinnen und Renditerückgängen auf die schwächelnde US-Konjunktur reagiert. Nach einem Anstieg bis auf knapp 5,25 Prozent Ende Juni rutschte die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen zeitweise bis auf 4,40 Prozent. Zum Jahresende stand sie bei 4,70 Prozent. Hatzius geht von einem Rückgang der zehnjährigen Treasury-Renditen bis auf 4,25 Prozent zur Jahresmitte aus. Auch die Schweizer Großbank UBS hält das Kurspotenzial für begrenzt. Sie erwartet, dass die Weltwirtschaft weit weniger wachsen wird als von der Mehrheit angenommen.
Die verhältnismäßig optimistische Prognose vieler Häuser für die erste Jahreshälfte basiert allerdings auf der Annahme, dass die Fed weiter die Zinsen senkt. Derzeit sei eine Lockerung der Geldpolitik um 50 Basispunkte für 2007 eingepreist, schreibt das Bankhaus Metzler. "Der Bondmarkt geht mittlerweile von übertrieben starken Zinssenkungen aus, die enttäuscht werden dürften", warnt Joachim Fels, Volkswirt bei Morgan Stanley. "Der Rückgang der Renditen gibt der Wirtschaft in den USA eher Auftrieb. Das wird der US-Konjunktur im Jahresverlauf helfen", argumentiert er. Diesem Trend zu steigenden Kapitalmarktzinsen werde sich auch der europäische Markt nicht entziehen können. In den USA rechnet Morgan Stanley mit einem Renditeanstieg auf 5,5 Prozent in den nächsten sechs bis zwölf Monaten, in Europa dürfte die Verzinsung bis auf 4,5 Prozent steigen.
Zinserhöhung in Europa erwartet
Zur Jahresmitte dürften sich die Aussichten für den Rentenmarkt dann aber wieder eintrüben. "Im zweiten Halbjahr wird sich die Stimmung drehen, wenn die Schwächephase der US-Wirtschaft ausläuft. Das wird im Vergleich zu den Jahrestiefs zu einem leichten Renditeanstieg auf 4,75 Prozent führen", sagt Helmut Kaiser, Chefinvestment-Stratege von Deutschen Bank Private Asset Management. In Europa haben sich Experten längst auf zumindest eine weitere Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank eingestellt.
Der Ölpreis, der im vergangenen Jahr die Finanzmärkte mit seinen starken Ausschlägen in Atem gehalten hat, wird nach Einschätzung der Experten 2007 beim aktuellen Niveau stagnieren. Die Mehrheit rechnet mit einem Preis zwischen 60 und 65 $ pro Barrel (ein Barrel entspricht 159 Liter). Der Grund: Die Nachfrage wird nicht so stark wachsen wie in den Vorjahren. Zudem wird eine starke Förderung von Nicht-Opec-Staaten wie Russland oder Mexiko erwartet. Kurzfristige Ausschläge seien möglich, sagt Mike Wittner, Ölmarktexperte von Calyon Financial: "Doch die fundamentalen Faktoren sprechen für eine verhaltene Entwicklung". Optimistisch gestimmt sind die Marktteilnehmer für Gold. Notierungen von über 700 $ je Feinunze (31,1 Gramm) halten sie für wahrscheinlich. Besonders die steigende Schmucknachfrage aus Indien und China, aber auch die erwartete Schwäche des Dollar werden als Faktoren angeführt.
Gruß
uS