Kass betrachtet US-Staatsanleihen bei den gegenwärtigen Höchstkursen als "Zertifikate für Beschlagnahmung".
Ich teile seine Ansicht nicht, finde sie aber interessant:
Kass: Beware of Bonds
By Doug Kass 09/03/10 - 02:00 PM EDT
At current yields, bonds represent certificates of confiscation, and bond holders face the likelihood of large capital losses.
I believe that, on a risk/reward basis, shorting fixed income is among the most attractive investment strategies in the year(s) ahead.
Bearish economic concerns are overblown. There will be no double-dip. Most indicators point toward a domestic economic growth rate that is moderating but also likely to be sustained.
The 2.60% yield on the 10-year U.S. note is discounting a double-dip. Over the course of the past 60 years, the 10-year note has yielded 365 basis points more than GDP growth. In other words, the fixed-income market is now discounting an unlikely 1% drop in GDP (2.60% less 3.65%).
Over the same time frame, the yield on the 10-year U.S. note has averaged about 300 basis points more than the inflation rate. While zero-interest-rate policy argues for a somewhat lower relationship, since the implied inflation rate in TIPS is about 1.6% now, this would imply that the yield on the 10-year U.S. note should be closer to 4.60%, or 200 basis points above the current reading......
http://www.thestreet.com/story/10852058/1/kass-beware-of-bonds.html
Meine Gegenargumente:
In der Vergangenheit hatten Bondanleger oft den besseren Riecher als Aktienanleger. Dies galt insbesonders bei Firmen, deren Aktien aufgrund irgendwelcher Bedenken tief im Keller waren. Wenn die Bonds dieser Firma trotzdem noch nahe 100 % standen, war die Divergenz ein klares Kaufsignal bezüglich dieser Aktie (Beispiel: Philip Morris, Absturz der Aktie Anfang 2000 wegen einer Sammelklage, Bonds blieben bei 100%, Aktie vervierfachte sich in den Folgejahren).
Die große Frage bleibt, ob dies auch dann noch gilt, wenn die Flucht in Bonds zu einem (hirnlosen) Massenphänomen, einer "Stampede in Sicherheit" geworden ist. Die Amis schichten seit 2009 massiv von Aktien (und Aktienfonds) in Anleihen (und Bond-Fonds) um, und Marktbeobachter meinen, dass dieser Prozess, dem sich auch Pensionsfonds anschließen könnten, noch längst nicht zu Ende ist.
Kass merkt (mMn zu Recht) an, dass der US-Bondmarkt aktuell auf Deflation und BIP-Schrumpfung gepreist ist. Eine Rendite auf 10-jährige von 2,6 %, schreibt er oben, würde beim langjährig üblichen Spread von 3,6 % zwischen 10-Jährigen-Rendite und BIP-Wachstum implizieren, dass das US-BIP um 1 % schrumpft. Dies aber würden die laufenden Wirtschaftdaten nicht hergeben, die gemäß Kass eher auf ein Muddle-Through (geringes, aber positives Wachstum des US-BIP) hindeuten. Er hält nach seinen Berechnungen 4,6 % Rendite auf 10-jährigen Rendite (basierend auf 1 % BIP-Wachstum) für angemessen, was Bonds zum "Short des Jahrhunderts" machen würde.
Rosenberg, dessen Argumente ich gestern hier zusammengefasst habe, liefert jedoch triftige Argumente dafür, dass das US-BIP im 4. Quartal sehr wohl negativ werden könnte. Er sieht auch im Gegensatz zu Kass keine Bond-Blase. Würde das BIP tatsächlich schrumpfen, läge der Bondmarkt mit 2,6 % Zins auf Zehnjährige zurzeit durchaus richtig.
Mir ist in den letzten Tagen auch aufgefallen, dass der Bondsmarkt, der sich normalerweise invers zum Aktienmarkt entwickelt, in der jüngsten Steilflugphase der Aktien (3-Tage-Rallye um 6 % seit Dienstag) nicht in gleichem Maße gefallen ist: Die Rendite der 10-jährigen ist im Zuge der jüngsten Aktien-Rallye auf lediglich 2,72 % gestiegen (1. Chart unten) - was gemäß Kass' Faustformel immer noch eine BIP-Schrumpfung von -0,88 % einpreist.
Die Rendite der 30-jährigen stieg auf 3,79 % (2. Chart unten). Die beiden Zins-Charts signalisieren mMn noch keine Trendwende. Die RSI in beiden Charts sind in der Abschwungphase immer wieder an der 50er-Linie (wo sie jetzt wieder stehen) nach unten abgeprallt. Anfang Mai gab es bei den 30-jährigen eine technische Erholung in ähnlichem Umfang wie jetzt, die abverkauft wurde und somit den übergeordneten Abwärts-Trend nicht drehte. Solange die Fed mit "QE2 light" zugange ist (Bilanz wird nicht gekürzt, freiwerdende Hypo-Bonds der FMs werden in Treasuries umgeschichtet), dürfte sich daran auch wenig ändern.
Hinsichtlich Kass' Faustformel lässt sich anmerken, dass dieser 3,6%-Spread nicht "in Stein gemeißelt" sein muss. Wenn USA in der Tat auf japanische Verhältnisse zusteuern sollten, könnte dieser Spread auch schrumpfen. In Japan liegt die Rendite 10-jähriger zurzeit bei rund 1 %, obwohl die Wirtschaft (nach offiziellen Angaben) stagniert. Der "Kass-Spread" liegt dort also nur bei 1 % (oder leicht darüber, falls man Schrumpfung zubilligt). Könnte er in USA nicht auch in diese Region fallen?
Faustformeln sind insofern problematisch, als sie die Entwicklung der letzten 20 Jahre - die bekanntlich eine schuldenfinanzierte "Deformation" samt Assetpreis-Aufblasung darstellt - in die Zukunft verlängern, obwohl womöglich ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Diesen erkennt man z. B. am US-Arbeitsmarkt, der sich partout nicht erholen will und dessen Entwicklung sich drastisch von bisherigen Post-Rezessions-Phasen unterscheidet.
In Japan jedenfalls gab der Bondmarkt mit seiner schon lange bei 1 % liegenden 10-JährigenRendite das korrekte Signal. Aktien haben sich in Japan in den letzten 20 Jahren mehr als geviertelt, und die Idee, dass sich die "endlose Staatspäppelei" irgendwann in einen selbsttragenden Aufschwung ummünzt, träumen die japanischen Politiker ungeachtet desillusionierender Tatsachen weiter.
FAZIT: Sollten wir in der Weltwirtschaft einen Paradigmenwechsel erleben - hin zu global "japanischen Verhältnissen" - kann man ehemals funktionierende Faustformeln wie die von Kass, aber auch Aktien/Renten-KGV-Modelle wie das "Fed-Modell" in der Pfeife rauchen.
Die Frage reduziert sich darauf, ob dieser Paradigmenwechsel faktisch vorliegt - dann wären die Tiefzinsen eine adäquate Einpreisung - oder ob wir bald wieder zu alten Wachstumspfaden zurückkehren, wie es Grüner, Permabullen, sämtliche Politiker und die gesamte "Fonds-Industrie" weismachen wollen.