Ein Bündel Euroscheine. (Symbolbild)
Sonntag, 20.11.2016 14:21 von | Aufrufe: 342

Mehr Freizeit statt mehr Geld - Verhandlungen für Ost-Chemie

Ein Bündel Euroscheine. (Symbolbild) © Detailfoto / iStock / Getty Images Plus / Getty Images http://www.gettyimages.de

POTSDAM (dpa-AFX) - Es geht nicht um mehr Geld, sondern um mehr Freizeit: Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) will für die ostdeutsche Chemiebranche kürzere Arbeitszeiten durchsetzen. Die Arbeitnehmervertreter fordern, die Wochenarbeitszeit um 90 Minuten zu senken. Das ist eine Kernforderung für die Verhandlungen zu einem neuen Manteltarifvertrag, die am Montag in Potsdam beginnen.

Verhandelt wird für rund 30 500 Beschäftigte, wie ein Sprecher des Arbeitgeberverbandes Nordostchemie sagte. Sie arbeiten in Brandenburg, Berlin-Ost, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern - und zu einem besonders großen Teil in Sachsen-Anhalt.

Die Arbeitgeber sind zurückhaltend. Auch sie wollten über flexiblere Arbeitszeitmodelle reden, sagte Verhandlungsführer Thomas Naujoks. Die Branche wolle interessanter und attraktiver für junge Fachkräfte werden. Aber die Arbeitszeit um 90 Minuten verkürzen? "Nach unserer Auffassung wird das Pferd da von hinten aufgezäumt", kritisierte er. "Wenn alle weniger arbeiten, bräuchten wir auf einen Schlag mehr Arbeiter, wo sollen wir die herbekommen?"

Nach Ansicht der Gewerkschaft geht es darum, eine letzte Lücke zu schließen. Bei den Einkommen sei schon viel erreicht worden, sagte der Landesbezirksleiter der IG BCE Nordost, Oliver Heinrich, der Deutschen Presse-Agentur. "Vom Prinzip her gilt das Tarifniveau West." Aber die Kollegen in den westdeutschen Bundesländern müssten dafür weniger arbeiten. "So gerechnet liegt dann der Stundenlohn wieder niedriger, weil die Beschäftigten für das gleiche Geld ja 90 Minuten pro Woche mehr arbeiten müssen."

Zudem soll es um Ideen gehen, wie sich die Schichtarbeit künftig flexibler gestalten lässt, sagte Heinrich. Es herrsche oft noch das alte DDR-Schichtsystem. "Sieben Stunden Früh-, sieben Stunden Spät-, sieben Stunden Nachtschicht, dazu nur ein freies Wochenende im Monat", so Heinrich. "Das ist für viele junge Familien, bei denen auch der Mann mehr Verantwortung für die Kinder übernehmen will." Denkbar seien etwa Lebensarbeitszeitkonten, um je nach persönlicher Situation mal deutlich mehr und mal deutlich weniger arbeiten zu können.

Die ostdeutsche Chemiebranche müsse sich bewegen, sagte der Gewerkschafter. Es gebe wegen der anspruchsvollen Tätigkeiten kaum Leih- und Zeitarbeit in den Werken - dafür sei der Fachkräftemangel aber deutlich zu spüren. "Derzeit ist der Markt nahezu abgegrast." Dank Umsatzzuwächsen sind in der ostdeutschen Chemiebranche nach Zahlen der Gewerkschaft in den vergangenen Jahren rund 2000 Beschäftigte dazugekommen.

Aktuell sieht es weniger rosig aus. Zwischen Januar und Juli dieses Jahres lagen die Umsätze nach Angaben des Verbands Nordostchemie bei 12,8 Milliarden Euro. Das sei ein Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Preise für chemische und pharmazeutische Produkte verbilligten sich. Die Exporte in alle Weltregionen gaben im gleichen Zeitraum um etwa fünf Prozent nach, hieß es. Die Prognose für die gesamtdeutsche Chemiebranche ist nach Verbandsangaben eher durchwachsen. Bis zum Jahresende erwartet der Verband der chemischen Industrie ein Umsatzminus von 3 Prozent auf 183 Milliarden Euro.

Die Arbeitgeber betonen, die Unternehmen müssten im Standortwettbewerb weiterhin punkten. Die meisten Chemie-Parks hätten noch Kapazitäten, die Personalkosten seien immer noch ein wichtiger Faktor, sagte Verhandlungsführer Naujoks. Beide Seiten gehen nicht von einer Einigung in der ersten Verhandlungsrunde aus, hoffen aber, sich aufeinander zuzubewegen. Die Gewerkschaft hat sich ein Druckmittel gesichert: Der Manteltarifvertrag wurde erstmals für den Osten gekündigt. Am 31. Dezember endet die Friedenspflicht./hnl/DP/edh


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