Samstag, 25.06.2016 11:06 von Klaus Stopp | Aufrufe: 434

Karlsruhe winkt den EZB-Kurs durch

Zwei Tage vor dem Brexit-Referendum und dem sich anschließenden "Schwarzen Freitag" an den Finanzmärkten hat das Bundesverfassungsgericht (BuVerfG) in Karlsruhe den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Eindämmung der Staatsschuldenkrise grundsätzlich gebilligt, aber gewisse Grenzen gesetzt. Demnach darf sich die Bundesbank an Maßnahmen der EZB beteiligen, die dazu dienen, einzelne Eurostaaten im Notfall gezielt durch Staatsanleihenkäufe in großem Stil zu unterstützen.

Laut BuVerfG verstößt die EZB mit dem Ankauf von Staatstiteln nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Das Urteil bestätigt damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach das sogenannte OMT-Programm („Outright Monetary Transactions") mit EU-Recht vereinbar ist und in das Mandat der EZB fällt.

Allerdings machte Karlsruhe gewisse Einschränkungen, welche die EZB befolgen muss. So verlangt das BuVerfG, dass sich die Notenbank an die Vorgaben des EuGH hält, wonach bei den Anleihekäufen das Volumen vorab begrenzt werden muss und zwischen der Emission der Titel und dem Ankauf durch die EZB gewisse Mindestfristen liegen müssen. Darüber hinaus dürfen nur Schuldentitel von Ländern erworben werden, die Zugang zum Anleihemarkt haben.

Die deutschen Verfassungshüter schlossen sich damit im Kern einem Urteil des EuGH vom Sommer 2015 an. Der Senat habe zwar weiterhin Bedenken, sehe sich aber an die Luxemburger Rechtsprechung gebunden, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe.

Der Richterspruch stellt damit weder einen Freibrief für die Notenbank noch eine Kapitulation vor der magischen Kraft des Faktischen dar, wie es die „Börsen-Zeitung“ sieht. Vielmehr bestätigt das BuVerfG mit dem Urteil die Unabhängigkeit der EZB, die man ihr seitens der Politik und der Kläger immer wieder versucht hat abzusprechen. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass Mario Draghis Versicherung von 2012, alles zu tun, um die Gemeinschaftswährung Euro zu schützen („Whatever it takes“), noch etwas weiter ging. Die EZB unternehme alles im Rahmen ihres Mandats („within the mandate of the ECB“), hatte der Präsident in einer Situation gesagt, in der nicht nur Griechenland und Zypern, sondern auch Spanien und Italien auf der Kippe standen.

Dies war ein solch deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl an die Adresse von Spekulanten, die sich gegen diese Länder in Stellung gebracht hatten, dass die angedeuteten Maßnahmen der EZB gar nicht eingesetzt werden mussten. Vielmehr hat Draghis Muskelspiel gezeigt, dass die Notenbank als so stark angesehen wird, dass es sich nicht lohnt, gegen sie zu zocken.

Dies soll nicht heißen, dass die insgesamt 37.000 Kläger mit Glanz und Gloria gescheitert sind. Natürlich haben sie eine Niederlage erlitten, aber sie haben auch vom BuVerfG bestätigt bekommen, dass eine direkte Staatenrettung durch die EZB mit Hilfe der Bundesbank nicht vorgesehen ist. Dies sollte der EZB bei künftigen geldpolitischen Maßnahmen eine Mahnung sein.



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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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