Mittwoch, 29.11.2017 08:51 von Robert Halver | Aufrufe: 357

Halvers Kolumne: Krypto-Währungen - Technischer Quantensprung oder Neuer Markt 2.0?

Bitcoin ist der bekannteste Vertreter unter den Krypto-Währungen, auch Krypto- oder Cyber-Geld oder kurz Kryptos genannt. Derzeit sind sie in aller Munde. Was ist von ihnen zu halten?

 

Die „Blockchain-Technologie“ ist großartig

 

Hinter einer Krypto-Währung stehen miteinander verkettete Blöcke, die sogenannte Blockchain. Sie ist eine Art dezentrale Datenbank, zu dem jeder, der mit seinem Computer an die Krypto-Währung angebunden ist, Zugang hat. Über jede ausgeführte Zahlungstransaktion weiß also jeder Bescheid. Das, was in der Wirtschaftswissenschaft für unsere Finanzwelt als theoretische Annahme gilt, praktisch aber eine Illusion blieb, ist bei Blockchain Realität geworden. Es herrscht vollständige Transparenz.

 

Ein weiterer Vorteil von Blockchain ist, dass zwei Vertragspartner ohne Zwischenschaltung einer dritten Instanz Verträge schließen und Zahlungsverkehr betreiben können. Obwohl die Notenbanken sie flüssig halten, sind Banken überflüssig. Mit dieser Technologie kann übrigens auch die Einhaltung eines geschlossenen Vertrags überwacht werden. Ist z.B. bei einer Autofinanzierung der Käufer säumig, könnte Blockchain über eine hinterlegte Verschlüsselung dafür sorgen, dass sich das betreffende Fahrzeug nicht mehr starten lässt. Im Einzelhandel käme es zu einer wahren Transparenz-Revolution. Über Blockchain ließe sich problemlos nachverfolgen, von welchem Hühnerhof das Ei kommt oder ob bei einer gekauften Makrele die Kühlkette eingehalten wurde.

 

Nicht zuletzt könnten beispielsweise im darbenden Krankenversicherungssystem die Kosten gedrückt werden. Es gibt keine manipulierten Abrechnungen mehr, da die Daten von jedem Rezept vom Onkel Doktor hinterlegt und damit kontrollierbar sind. 

 

Auch gesamtwirtschaftlich wären mit dieser Transparenz willkürlichen Preisschüben Riegel vorgeschoben. Und da die teilnehmenden Geschäftspartner anonym sind, ist sogar der Datenschutz gewährleistet. Verbraucherverbände kämen aus dem „Hurra-Schreien“ gar nicht mehr heraus. Klingt alles fast zu schön, um wahr zu sein, oder?

 

Wo liegen die Fallstricke?

 

Doch kennt man die Geschäftspartner nicht persönlich, ist kriminellen Handlungen Tür und Tor geöffnet. Ich kommentiere es nicht, dass China, Russland und Nordkorea bedeutende Nutzer von Kryptowährungen sind. Mit welcher Berechtigung werden Steuerhinterziehung, Schwarzgeld oder Drogenkriminalität durchleuchtet, wenn man alternativ dunkle Krypto-Ecken erlaubt?

 

Da mittlerweile viele Menschen Kryptos nutzen, können Zahlungstransaktionen mitunter mehr als 10 Minuten dauern. Bei Mastercard, Visa, American Express oder Pay Pal geht das Ruck Zuck. Wer will denn so lange auf „Voice of Germany“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ verzichten? Überhaupt, hieß es nicht, dass die zügige Zahlungsabwicklung der große Vorteil von Cyber-Geld sei?

 

Und wer sich schon über die Wiedereinführung oder Erhöhung von Überweisungs- oder Kontoführungsgebühren bei Girokonten aufregt, sollte vor Transaktionen mit Kryptowährungen die Familienpackung Valium zu sich nehmen. Die kosten richtig Geld.

 

Ein Handicap für den Zahlungsverkehr ist, dass die Schöpfung von Krypto-Geld durch Rechenkapazitäten der Computer beschränkt ist. Kryptisches Geld ist also nicht beliebig vermehrbar mit der Konsequenz, dass sein Kurs allein durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Welches produzierende bzw. Dienstleistungen verkaufende Unternehmen will aber wirklich eine Währung akzeptieren, die bei Kursverlusten die Gewinnmarge zerschlägt?

 

Ohnehin gibt es viele Krypto-Währungen, nicht nur Bitcoin, selbst wenn diese zurzeit synonym wie Tempo bei Papiertaschentüchern oder Hilti für Bohrmaschinen verwendet werden. Doch wer sagt, dass das so bleibt? Es herrscht ein Kampf um die „richtige“ Digitalwährung. Hier gibt es noch viel zu viel Streuverluste. Die Spreu hat sich noch lange nicht vom Weizen getrennt.

 

Insgesamt sind Krypto-Währungen für den Otto Normalo nicht zum Bezahlen geeignet.

 

Krypto-Währungen sind der schlimmste Feind der Politik

 

Und es gibt noch das ganz große Killerargument gegen Kryptos als allgemeines Zahlungsmittel. Mit ihrer durch Rechenkapazitäten beschränkten Verfügbarkeit hätten diese Währungen zwar einen starken Stabilitätscharakter. Die ungebremste Geldvermehrung über die Druckerpressen der Geldpolitik wäre zwar beendet.

 

Doch mit nur begrenztem kryptischem Geld wären leider auch die üppigen staatlichen Sozialleistungen nicht mehr zu finanzieren. Genau diese populistischen Wahlgeschenke sind aber offensichtlich erforderlich, um die öffentliche Ruhe zu sichern bzw. Europa-feindliche Wahlergebnisse abzuwenden.

 

Und wie sollen in einer global brutal wettbewerbsintensiven Welt mit ihren vielen geopolitischen Herausforderungen erst Standortverbesserungen, Steuersenkungen und digitale Infrastruktur sowie Militärausgaben bezahlt werden? Hatte man deswegen nicht Anfang der 70er-Jahre die Gold-Deckung neuer Kredite ersatzlos gestrichen? Auch Gold ist ja nicht beliebig vorhanden. 

 

Also, warum sollte sich ein Politiker für den umfangreichen Einsatz von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Ripple, Litecoin, Dash, usw. einsetzen? Wer verzichtet denn freiwillig auf hohes Wirtschaftswachstum, das von den Notenbanken und ihrer Währung „Geld“ hemmungslos stimuliert wird? Welcher Politiker will denn das geldpolitische Märchen beenden, das ähnlich wie bei Rumpelstilzchen erlaubt, aus Stroh, also aus Nichts, Geld zu machen? Politiker sind und bleiben wie Katzen. Sie lassen das Mausen nicht.

 

Bevor sich Kryptowährungen auch nur ansatzweise in Richtung konkurrenzfähiges Massenzahlungsmittel entwickeln, werden sie von den hohen politischen Richtern auf die Guillotine gelegt.

 

Ein wunderbares Spekulationsobjekt

 

Für Anleger, die Risiko aushalten können, sind Kryptos allerdings paradiesische Spekulationsobjekte. Und wenn eine Anlageform seit Jahresbeginn etwa 1000 Prozent gewonnen hat, kann man getrost von einer Blase sprechen. Allerdings hat es auch schon Abstürze von 30 Prozent gegeben.

 

Aus heutiger Sicht ist zu erwarten, dass der Kurs von Bitcoin & Co. noch weiter ansteigt. Die Finanzindustrie hat Kryptowährungen längst als Anlageobjekt entdeckt und smarte Produkte darauf gestrickt. Selbst in den Boulevard-Blättern liest man mittlerweile von Kryptos. Das Thema ist also im Volks-Kapitalismus angekommen.

 

Kryptowährung kann man online auf einem Bitcoin-Marktplatz kaufen. Bitcoin-Börsen wie CEX.IO, Kraken, Bitstamp und Paymium sind Alternativen. Indexzertifikate von Banken gibt es auch schon. In den USA ist sogar die Einführung eines Bitcoin-Futures geplant, wodurch Kryptos für institutionelle Anleger die höheren, professionellen Weihen erhalten und attraktiv werden. Nicht zuletzt wird dadurch die Produktvielfalt für Kryptos dynamisiert.

 

Die nächste Sau wird über das Börsenparkett gejagt

 

Kommt Ihnen diese Blase bekannt vor? Es gab bereits Blasen bei Tulpen, bei Eisenbahnen, Immobilien oder dem Neuen Markt. Und tatsächlich, legt man den Kurs von Bitcoins zeitversetzt mit der Entwicklung des Neuen Markts übereinander, sind Ähnlichkeiten nicht nur rein zufällig. Das Ende vom Lied kennt jeder.

 

 

Der Auslöser eines Platzens der Krypto-Blase könnten weltweit scharfe Regulierungen aus Angst vor einer die Politiker einschränkenden Währungs-Konkurrenz sein. Alternativ könnte eine neue weltweite digitale Währung der Großbanken, die sich an unserem klassischen Geldsystem orientiert, den Kryptos den Garaus bereiten.

 

Was bleibt nach dem Hype übrig?

 

Wie lange sich die Krypto-Blase noch aufbläht bzw. wann sie platzt, kann niemand prophezeien. Eins ist aber klar: So wie die Eisenbahnen die Eisenbahn- und das Internet die Dotcom-Blase überlebt haben, wird die Blockchain-Technologie die Krypto-Blase überleben.

 

Das Bersten der Krypto-Blase hätte sich dann am Ende doch noch bezahlt gemacht.  

 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.baaderbank.de/Disclaimer-23

 

 

 

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Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieren und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit 1990. Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.
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