(Die Welt, 19.04.2002)
Nun taucht auch noch Wienand auf
Leitartikel zum Schwarzgeldskandal der SPD
Von Guido Heinen
Wie damals bei der CDU, so treten sie heute am Rande des Schwarzgeldskandals der SPD in Erscheinung - die grauen, unauffälligen Männer, deren Vita zwischen Politik und Politikberatung changiert und denen im Rahmen ihrer Beraterverträge hohe Geldsummen im Ausland übergeben werden. Karl Wienand, einst Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, hat zugegeben, seit Jahren mit zweien der im Kölner Müllskandal genannten Firmen als Berater verbunden zu sein. Zu sehr konkreten Vorhaltungen über Bargeldübergaben in Zürich weiß er nur zu schweigen. Deshalb wenden sich die Blicke vom Rhein an die Spree. Zwar war schon der Versuch, die weitläufige Finanzierung eines ganzen SPD-Landesverbands als lokales Phänomen kölscher Provenienz herunterzureden, allzu durchsichtig. Mit der Spur zu Wienand jedoch kommt das Thema mitten in der Bundespartei an.
Was war das für ein Beratervertrag, dessen Honorar offenbar in einer Tranche bar in der Schweiz übergeben wurde? Steht dahinter lediglich ein steuerliches Problem Wienands? So begann es bei Kiep auch einmal. Oder ist ein Bote ertappt worden, der - wie seine Kölner Genossen - Mittel der Landschaftspflege in die Parteikasse zu manövrieren hatte?
Der täglich wachsende Aufklärungsbedarf steht in krassem Gegensatz zur tatsächlich von der SPD geleisteten Erhellung. Zwar hat sich die SPD-Spitze offenbar entschieden, nach drei Tagen die Flucht nach vorne anzutreten: Immer weiter wird der Kreis der Selbstkasteiung gezogen. Mit harten Worten versuchen Struck, Müntefering und Schröder, die verbale Lufthoheit über die öffentliche Aufklärung zu erlangen. Der Versuch, hinter dem eilig aufgeschütteten Schutzwall aus moralisch aufgeladener Empörung Deckung zu suchen, könnte freilich scheitern. Gilt das so mutig und selbstkritisch klingende Verdikt von der "kriminellen Energie" auch noch, wenn eine ähnlich dunkle Spende wie in Nordrhein-Westfalen weiter oben in der Partei lokalisiert werden sollte?
Der SPD könnten die überhöhten Maßstäbe, mit denen sie die Ära Kohl zur "Bimbesrepublik" umwidmen wollte, zum Verhängnis werden. Schlimmer noch: In Köln sind die Verstöße gegen das Parteiengesetz noch das geringste in Rede stehende Delikt. Es geht um Korruption, Vorteilsnahme und Bestechung - es geht um das, wofür der Begriff "Leuna" steht, hätte man vor kurzem gesagt. Aber während die Vorwürfe in sich zusammen fielen, beim Neubau der Raffinerie durch Elf Aquitaine sei die Regierung Kohl bestechlich gewesen, fängt es in NRW erst an, spannend zu werden.
Schon zu Beginn der Affäre zeichnet sich ab, dass Gelder aus Korruptionszusammenhängen in die Parteikasse geflossen sind. Das Parteiengesetz bietet nur den Hintergrund, vor dem der Weg solcher - in Bezug auf ihre Herkunft verschleierten, im Gesamtbetrag jedoch korrekt verbuchten - Spenden rekonstruierbar ist. In Form fingierter, steuerwirksamer Quittungen für einen ausgewählten Personenkreis wurden die gestückelten, den wahren Gebern nicht mehr zuzuordnenden Spenden zudem wieder zu Bargeld. Für die Partei war dies ein dreifacher Geldsegen: Die Spenden wurden gemäß den Vorschriften zur Parteienfinanzierung durch einen Staatszuschuss verdoppelt, und vier Dutzend verdienten Genossen konnte man einen guten Dienst erweisen. Korrumpiert wurden keine irrlichternden Einzelpersonen, das Schmiergeld landete ohne Umwege in der Parteikasse.
Die SPD könnte jetzt einiges tun, um die versprochene Aufklärung zu befördern. Sie könnte zum Beispiel die komplette Liste aller derer veröffentlichen, die solche fingierten Spendenquittungen zur Steuerverkürzung nutzten. Oder die konkreten Spendenbeträge nicht nur dem Finanzamt, sondern auch der Öffentlichkeit mitteilen. Oder mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprechen, dem Wächter über das Parteiengesetz, der noch immer im SPD-Vorstand sitzt.
Um gemäß Parteiengesetz gegen die SPD vorgehen zu können, fordert Thierse plötzlich, zuerst müsse es "ein Urteil" geben. Das aber wird er nie bekommen, weil es kein Gericht in Deutschland gibt, vor dem Verstöße gegen das Parteiengesetz verhandelt werden können. Wer will Thierse noch länger zumuten, seine beiden Ämter, Bundestagspräsident und stellvertretender SPD-Vorsitzender, in voller Unabhängigkeit auszuüben?
Den Autor erreichen Sie unter: heinen@welt.de
Nun taucht auch noch Wienand auf
Leitartikel zum Schwarzgeldskandal der SPD
Von Guido Heinen
Wie damals bei der CDU, so treten sie heute am Rande des Schwarzgeldskandals der SPD in Erscheinung - die grauen, unauffälligen Männer, deren Vita zwischen Politik und Politikberatung changiert und denen im Rahmen ihrer Beraterverträge hohe Geldsummen im Ausland übergeben werden. Karl Wienand, einst Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, hat zugegeben, seit Jahren mit zweien der im Kölner Müllskandal genannten Firmen als Berater verbunden zu sein. Zu sehr konkreten Vorhaltungen über Bargeldübergaben in Zürich weiß er nur zu schweigen. Deshalb wenden sich die Blicke vom Rhein an die Spree. Zwar war schon der Versuch, die weitläufige Finanzierung eines ganzen SPD-Landesverbands als lokales Phänomen kölscher Provenienz herunterzureden, allzu durchsichtig. Mit der Spur zu Wienand jedoch kommt das Thema mitten in der Bundespartei an.
Was war das für ein Beratervertrag, dessen Honorar offenbar in einer Tranche bar in der Schweiz übergeben wurde? Steht dahinter lediglich ein steuerliches Problem Wienands? So begann es bei Kiep auch einmal. Oder ist ein Bote ertappt worden, der - wie seine Kölner Genossen - Mittel der Landschaftspflege in die Parteikasse zu manövrieren hatte?
Der täglich wachsende Aufklärungsbedarf steht in krassem Gegensatz zur tatsächlich von der SPD geleisteten Erhellung. Zwar hat sich die SPD-Spitze offenbar entschieden, nach drei Tagen die Flucht nach vorne anzutreten: Immer weiter wird der Kreis der Selbstkasteiung gezogen. Mit harten Worten versuchen Struck, Müntefering und Schröder, die verbale Lufthoheit über die öffentliche Aufklärung zu erlangen. Der Versuch, hinter dem eilig aufgeschütteten Schutzwall aus moralisch aufgeladener Empörung Deckung zu suchen, könnte freilich scheitern. Gilt das so mutig und selbstkritisch klingende Verdikt von der "kriminellen Energie" auch noch, wenn eine ähnlich dunkle Spende wie in Nordrhein-Westfalen weiter oben in der Partei lokalisiert werden sollte?
Der SPD könnten die überhöhten Maßstäbe, mit denen sie die Ära Kohl zur "Bimbesrepublik" umwidmen wollte, zum Verhängnis werden. Schlimmer noch: In Köln sind die Verstöße gegen das Parteiengesetz noch das geringste in Rede stehende Delikt. Es geht um Korruption, Vorteilsnahme und Bestechung - es geht um das, wofür der Begriff "Leuna" steht, hätte man vor kurzem gesagt. Aber während die Vorwürfe in sich zusammen fielen, beim Neubau der Raffinerie durch Elf Aquitaine sei die Regierung Kohl bestechlich gewesen, fängt es in NRW erst an, spannend zu werden.
Schon zu Beginn der Affäre zeichnet sich ab, dass Gelder aus Korruptionszusammenhängen in die Parteikasse geflossen sind. Das Parteiengesetz bietet nur den Hintergrund, vor dem der Weg solcher - in Bezug auf ihre Herkunft verschleierten, im Gesamtbetrag jedoch korrekt verbuchten - Spenden rekonstruierbar ist. In Form fingierter, steuerwirksamer Quittungen für einen ausgewählten Personenkreis wurden die gestückelten, den wahren Gebern nicht mehr zuzuordnenden Spenden zudem wieder zu Bargeld. Für die Partei war dies ein dreifacher Geldsegen: Die Spenden wurden gemäß den Vorschriften zur Parteienfinanzierung durch einen Staatszuschuss verdoppelt, und vier Dutzend verdienten Genossen konnte man einen guten Dienst erweisen. Korrumpiert wurden keine irrlichternden Einzelpersonen, das Schmiergeld landete ohne Umwege in der Parteikasse.
Die SPD könnte jetzt einiges tun, um die versprochene Aufklärung zu befördern. Sie könnte zum Beispiel die komplette Liste aller derer veröffentlichen, die solche fingierten Spendenquittungen zur Steuerverkürzung nutzten. Oder die konkreten Spendenbeträge nicht nur dem Finanzamt, sondern auch der Öffentlichkeit mitteilen. Oder mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprechen, dem Wächter über das Parteiengesetz, der noch immer im SPD-Vorstand sitzt.
Um gemäß Parteiengesetz gegen die SPD vorgehen zu können, fordert Thierse plötzlich, zuerst müsse es "ein Urteil" geben. Das aber wird er nie bekommen, weil es kein Gericht in Deutschland gibt, vor dem Verstöße gegen das Parteiengesetz verhandelt werden können. Wer will Thierse noch länger zumuten, seine beiden Ämter, Bundestagspräsident und stellvertretender SPD-Vorsitzender, in voller Unabhängigkeit auszuüben?
Den Autor erreichen Sie unter: heinen@welt.de