Ratingagentur: Japan kann teuren Wiederaufbau schultern
Montag, 21. März 2011, 14:59 Uhr
Tokio (Reuters) - Das hoch verschuldete Japan kann die enormen Kosten für den Wiederaufbau nach Einschätzung der Ratingagentur Moody's stemmen.
"Die japanische Regierung hat die finanzielle Kraft und Kreditwürdigkeit, um mit der Katastrophe fertig zu werden", sagte Moody's-Experte Thomas Byrne am Montag. Die regierende Demokratische Partei von Ministerpräsident Naoto Kan kündigte bereits einen Nachtragshaushalt an, der vorwiegend über neue Schulden finanziert werden soll. Die Weltbank rechnet trotz immenser Schäden nur mit einer kurzen Konjunktur-Delle für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Wirtschaftsminister Kaoru Yosano beziffert die Kosten für den Wiederaufbau nach der Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe auf umgerechnet 170 Milliarden Euro. "Es ist unausweichlich, dass wir bis Juni zwei große Nachtragsetats verabschieden müssen", sagte Jun Azumi, ein Spitzenvertreter der regierenden Demokratischen Partei, nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo. Das zusätzliche Geld soll vorwiegend über neue Schulden aufgebracht werden. Damit wächst der Schuldenberg: Er übertrifft die jährliche Wirtschaftsleistung bereits um mehr als das Doppelte.
"WIRTSCHAFT KANN IN DIESEM JAHR SCHRUMPFEN"
Moody's bewertet die Bonität des Landes trotzdem noch mit der sehr guten Note Aa2. Japanische Staatsanleihen gelten damit als "sichere Anlage". Konkurrent Standard & Poor's hatte seine Bonitätsnote schon Wochen vor der Katastrophe zum ersten Mal seit 2002 gesenkt - sie liegt seither um drei Stufen unter der Bestnote. Es fehle ein glaubwürdiger Plan der Regierung für den Abbau des Rekord-Schuldenbergs, wurde dieser Schritt begründet. Der Abbau wird auch durch die demographische Entwicklung erschwert: Die Bevölkerung schrumpft, wodurch sich die hohe Schuldenlast auf immer weniger Schultern verteilt.
Moody's schließt nicht aus, dass die Wirtschaft schlimmer unter den Katastrophenfolgen leiden wird als bislang angenommen. Gelinge es nicht, das Ausbreiten der radioaktiven Strahlung auf den Umkreis des Atommeilers von Fukushima zu begrenzen, könnte ein drastischer Rückgang des Verbrauchervertrauens die Wirtschaft stark belasten. "Wenn das verbunden ist mit Stromausfällen, die die Wiederaufnahme der Produktion auf Vorkrisenniveau deutlich verzögern kann, dürfte die Wirtschaft im Gesamtjahr schrumpfen", sagte Moody's-Experte Byrne. Wegen der enormen Investitionen in den Wiederaufbau könne das Bruttoinlandsprodukt ab dem zweiten Halbjahr aber wieder zulegen.
"BOOM DURCH DEN WIEDERAUFBAU"
Genaue Angaben über die wirtschaftlichen Schäden des schwersten Erdbebens in der japanischen Geschichte gibt es bislang noch nicht. Volkswirte gehen davon, dass die Kosten die des Bebens von Kobe im Jahr 1995 übersteigen werden. Damals war ein Schaden von umgerechnet 140 Milliarden Euro entstanden.
Nach Einschätzung der Weltbank wird das Beben das Wachstum der japanischen Wirtschaft nur vorübergehend negativ beeinflussen. Danach werde der Wiederaufbau einen Boom auslösen. Auch die Folgen für Asien hielten sich in Grenzen. Es werde nur ein oder zwei Quartale lang zu negativen Auswirkungen auf die anderen Länder kommen, sagte Weltbank-Experte Ivailo Izvorski. "Wenn der Wiederaufbau beginnt, sollte das die Konjunktur ankurbeln und das Wachstum stärken." Ein größeres Risiko für die Wirtschaft der asiatischen Schwellenländer sei die anziehende Inflation.
Das ganz grosse Beben könnte Tokio noch bevorstehen
Die Katastrophe im Nordosten Japans lief für Tokio bisher glimpflich ab. Die Gefahr ist aber nicht gebannt: Gemäss Geologen hat sich die Wahrscheinlichkeit eines schweren Erdbebens für die Hauptstadt erhöht.
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Chartlesen ist eine Wissenschaft, die vergeblich sucht, was Wissen schafft. (André Kostolany)