Unterstellt man Merkel oder der Regierung die Erkenntnis, dass Deutschland über die Maßen vom Euro profitiert hat und ihn braucht, muss deren erpresserische Haltung gegenüber den PIIGS in der Schuldenkrise umso mehr überraschen. Mit dem linken Arm hinter dem Rücken den Idealzustand stemmen und ihn mit dem Rechten vorne zu zertrümmern, ist schizophren.
Die Schizophrenie ist einigen Handelnden sogar bewusst, aber man versteckt sich hinter dem politischen Pragmatismus, der die Wünsche des tobenden Sparervolkes und der europäischen Kollegen eben mitberücksichtigen müsse. Dass man die Tobenden mit falscher, vorgeschobener Moral selbst dazu gemacht hat, um angeblich die Ersparnisse zu sichern, aber in der Realität genau das Gegenteil dessen zu erreichen und dass die europäischen Regierungskollegen sowie deren Chef niemand direkt gewählt hat, sind Details, die gerne verschwiegen werden, aber die jetzt nach und nach aufs Tablett kommen werden. Genau diese Perversität ist es, an dem Europa auch zugrunde gehen wird.
Zum Zertrümmern: Seit Jahrtausenden gibt es den Kreditfinanzierten Kapitalismus und genauso lange gibt es Pleiten. Sie aus politischen Gründen zu umgehen oder nicht zuzulassen ist Harakiri. Ebenso ist seit Bestehen des kreditgetriebenen Kapitalismus klar, dass der Kreditgeber den größten Teil des Risikos eines Ausfalls trägt. Er schließt einen Vertrag mit dem Kreditnehmer, in dem auch die Bedingungen für den Ausfall geregelt sind. Mit Ausnahme diktatorischer Wucherer im Mittelalter oder im römischen Reich wurde der überschuldete Kreditnehmer nach seiner Pleite immer entschuldet und konnte von vorne beginnen. Aber solche Gesetze braucht es anscheinend heute nicht mehr. Wir lassen einfach keine Pleite mehr zu und erpressen lieber die Pleitekandidaten bis sie krepieren, weil eine unabhängige dritte Macht den Zins auf Null gesetzt hat, um die Staatshaushalte zu retten und damit aber den Kreditgeber im Ernstfall in die Bredouille bringt. Wir machen uns gerade wieder auf in die Steinzeit, nur weil die riesige Staatsmaschinerie, die wir uns in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, am Leben gehalten werden will.
Was Merkel angeht, war die Flüchtlingsentscheidung eine menschlich nachvollziehbare und deshalb emotional auch richtige Entscheidung. Aber im Zusammenhang mit der vormaligen Ablehnung jeglicher Asylkompromisse durch die Kanzlerin und mit ihrer Knebelung der PIIGS in der Schuldenfrage drängt sich die Vermutung auf, dass das nur eine Aktion zur Imagerestauration war. Dass sie dadurch die europäischen Partner nach dem Schuldenfiasko ein zweites Mal brüskiert und trotzdem auf deren Entgegenkommen hofft, ist menschlich genauso schizophren wie der mentale Sprung in ihrer Wirtschaftspolitik.