Regierungschef Rajoy wird seinem Ruf als Zauderer gerecht. Er will schon für die Banken eine Sonderbehandlung. Am Tag vor dem goldenen Donnerstag, an dem Mario Draghi den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen verkündete, beschrieben Eingeweihte die Stimmung in Spaniens innersten Machtzirkeln so: "Es herrscht Panik. Die Situation ist extrem delikat." ...
Dass Rajoy den Antrag für Hilfen aus den Euro-Rettungstöpfen stellen wird, steht außer Frage. Der Konservative hat keinen Spielraum mehr. Diese Woche meldete mit Andalusien die vierte Region Bankrott an. Erstmals musste die Regierung zudem auf einen nationalen Sicherungsfonds zugreifen, um die Renten auszuzahlen. Und im Oktober muss Madrid Anleiheschulden in Höhe von 25 Milliarden Euro zurückzahlen. Trotzdem ist die Frage: Wann trudelt der entsprechende Brief in Brüssel ein? Und vor allem: Was wird ihm folgen?
Rajoy bleibt seinem Ruf als Zauderer treu – diesmal aber möglicherweise mit Strategie. Er setzt darauf, dass er wie schon bei den Banken eine Sonderbehandlung bekommt. Für die 100-Milliarden-Hilfe, die Spanien von den Euro-Partnern bekommt, musste Rajoy sich nicht unter Aufsicht begeben, lediglich die Banken.
Irlands Regierung musste Ende 2010 wegen der maroden Finanzhäuser komplett unter den Schirm. Die langen Krisenmonate aber haben gezeigt, dass die Troika-Rezepte nicht die Wirkung haben, die sie haben sollten. Das lässt sich am darbenden Portugal ablesen. Und auch Spanien wird schon für seinen selbstverordneten Radikalkurs nicht belohnt.
Im ganzen neuen Krisen-Umfeld mit der neuen Achse Paris-Rom-Madrid könnte bei Spanien nun das Umdenken einsetzen. Die entscheidende Frage für Madrid ist, ob EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds noch mehr Spar- und Reformressourcen finden und sie Madrid aufbürden.
Genau das will Rajoy vermeiden. Innenpolitisch steht er unter enormem Druck, die Lage in Spanien wird mit jedem Tag schärfer. Für den 15. September haben die Gewerkschaften erneut Massenproteste angekündigt. Die Arbeitslosenquote steigt immer weiter. Zu allem Überfluss fahren nun auch Rajoys innerparteilichen Rivalen wie Madrids Regionalpräsidentin Esperanza Aguirre ihre Geschütze auf.
Alle Umfragen für Rajoy fallen vernichtend aus. Fast 50 Prozent der Befragten im jüngsten Barometer des Meinungsinstituts Cis sagten aus, sie hätten keinerlei Vertrauen in die Arbeit des gebürtigen Galiciers. Das liegt auch daran, dass Rajoy bei seinen radikalen Sparmaßnahmen zu oft Versprechen gebrochen hat. Beispielsweise in Sachen Mehrwertsteuer, die vor der Wahl im November als unantastbar galt, und nun doch Anfang September von 18 auf 21 Prozent stieg.
Als letztes Tabu gelten die Renten, zumal sich der Premier am 21. Oktober in Galicien und im Baskenland Wahlen stellen muss. Muss er vorher auch noch die Pensionstöpfe zusammenstreichen, könnte das einen Erdrutschsieg für die Nationalisten bedeuten. "Ich habe im Moment nicht die Absicht, den Status Quo zu ändern", sagte Rajoy am Donnerstag.
In Brüssels Spar- und Reformprogramm für die EFSF-Länder, dem Memorandum of Understanding, sind Rentenkürzungen bisher Gang und Gäbe. Rajoy hofft nun darauf, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichen: das von der Vorgängerregierung auf 67 Jahre heraufgesetzte Rentenalter und die von ihm mit den Gewerkschaften getroffene Vereinbarung, auch das Frühverrentungsalter auf 65 anzuheben.
Das Memorandum, das Rajoys Minister Luis de Guindos mit den anderen 16 Euro-Finanzministern und der EU-Kommission verhandeln muss, stützt sich auf die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission. In diesen steht für Spanien bisher nur die Anpassung des Renteneintrittsalters. Von Kürzungen ist keine Rede. Rajoy kann zumindest darauf hoffen, dass das Altersgeld nicht angerührt wird.
www.welt.de/politik/ausland/...e-der-Zahlungsunfaehigkeit.html
und Uhupardo dazu:
....In Madrid sitzt nun ein Regierungschef mit gefalteten Händen: Mariano Rajoy betet, dass schon allein die Ankündigung der Draghi-Bazooka ausreicht und Spanien nicht einmal die erwähnte “Teil-Rettung” beantragen muss, die dem Land weitere Auflagen der Troika bringen würden. Seine Chancen stehen nicht so schlecht. Die spanische Börse stieg heute ebenso wie der Euro-Kurs. Und was noch viel wichtiger ist: Die Risikoprämie Spaniens, die in der zweiten Julihälfte schon 638 erreicht hatte und damit die Refinanzierungszinsen des Landes über sieben Prozent getrieben hatte, fiel nach Draghis Ankündigung heute senkrecht auf 450 Punkte, ein Niveau, das es zuletzt im Mai gegeben hatte. Sollte diese Tendenz fortbestehen, so das Kalkül von Mariano Rajoy, brauchte er keine Rettung zu beantragen und die EZB müsste keine spanischen Staatsanleihen kaufen, um “die Märkte zu beruhigen”.
Da wird er sich vermutlich verrechnen....aber eins ist nach dem heutigen Tag klar geworden: So oder so haben vor allem Spanien und Italien eine Menge Ruhe und Zeit gewonnen, Deutschland hat ein fettes Problem mehr. Aber da das alles alternativlos ist und “der Euro absolut irreversibel”, wie Draghi heute noch einmal ausdrücklich betonte, muss das alles genau so sein.
uhupardo.wordpress.com/2012/09/06/...tung-und-rajoys-hoffnung/