Du beschreibst zwei Phänomene:
1. Die Notenbanken, aktuell speziell die EZB, pumpen immer mehr Geld in den Markt
2. Die zusätzliche Liquidität führt aber zu keiner merklichen Geldschwemme
Tatsächlich lagern die EU-Banken, die sich bei der EZB Geld geliehen hatten, dieses größtenteils bei der EZB wieder ein (was ihnen sogar leichte Zinsverluste beschert). Zu groß ist die Angst, im Falle weiter steigender Risikoaversion bzw. Notlagen im Bankensektor (wegbrechende Interbankenkredite) erneut auf dem Trockenen zu sitzen.
Einen Teil der (relativ billigen) EZB-Gelder aber investieren die Banken in EU-Staatsanleihen - vorzugseweise im jeweils eigenen Land. Das ist Teil der EZB-Strategie, mit den Banken als Ersatzbieter die PIIGS auszubailen, ohne dabei die eigenen Statuten zu unterlaufen.
Das EZB-Geld trägt somit teils zur Senkung der Langlauf-PIIGS-Zinsen bei, was Länder wie Italien auch bitter nötig haben.
Die sinkenden Staatsanleihen-Renditen gehen dabei aber letztlich auf verkappte EZB-Manipulation zurück. Dies könnte ein "Fake"-Deflationssignal liefern. Bei wirklicher Deflation würden die Renditen nämlich sinken, weil die Nachfrage nach Staatsanleihen auf natürliche Weise (also ohne EZB-Manipulation) steigt. Genau dies ist aber nicht der Fall, sonst müsste die EZB ja nicht intervenieren.
Es bleibt daher strittig, ob der Bondmarkt hier wirklich Deflation vorwegnimmt (was ich nicht ausschließen will) oder ob es sich um eine liquiditätsgetriebene Kurzfrist-Bond-Hausse wider widrige Fundamentals handelt. Letzteres ergäbe - speziell bei PIIGS-Staatsanleihen - nur ein Strohfeuer und damit eine Gelegenheit, PIIGS-Staatsanleihen-Shorts aufzustocken.
Sieht man sich die PIIGS-Renditen an, die in Italien bereits auf 7 % hochgeklettert sind, fragt man sich, ob das wirklich als "deflationär" bezeichnet werden kann. Es KANN, wenn man die Italo-Bonds eh als "Junk in spe" ansieht und die spiegelbildliche Kursentwicklung der Bunds, die eine Art Hartgeld darstellen, als die maßgebliche Entwicklung betrachtet. Dass Inflationsländer bzw. potenzielle Pleite-Länder in Bond-Inflation versinken, ist - unabhängig von der Weltkonjunktur - "normal". Es ist die ganz natürliche Angst von Bond-Investoren, ihr Geld nicht zurückzuerhalten und infolgedessen vorsorglich zu verkaufen. Nicht normal ist hingegen die EZB-Politik, diese Normalität nicht zulassen zu wollen und "gegenan zu manipulieren".
Mittelfristig kommt es vor allem darauf an, ob Deutschland sich dem Eurozonen-Abwärtssog entziehen kann. Je mehr Garantien ausgesprochen und Rettungsschirme gespannt werden, desto wackeliger wird auch die deutsche Bonität - zumal wenn die von Frankreich runtergestuft wird (steht demnächst an). Den wenn Frankreich kippt, bricht das ganze Rettungsschirm-Konzept "mangels Garantie-Masse" in sich zusammen.
Ich neige eher zu der Erklärung, dass USA, Deutschland und Japan demnächst mit in den Abwärtssog der Langläufer reingezogen werden. Dann wird klassisches Investment- Terrain verlassen. In Deflationszeiten lohnen sich Investments in Tiefzins-Bonds nur, wenn diese wirklich als "felsenfest" sicher gelten können. Wer würde dies aber bei US-Bonds ernsthaft zu behaupten wagen?
Nichtsdestotrotz ist ein globaler Bond-Crash im Endeffekt deflationär. Die Weltwirtschaft erhält dadurch einen schweren Schlag, weil global - wie nach Lehman - die Produktion stark zurückgefahren werden dürfte. Es entstünde ein Nachfrage-Schock, der noch weit schlimmer wäre als zu Zeiten der Abwrackprämie.
Am Ende könnte es zu der weltweit bislang noch nie dagewesenen Entwicklung kommen, dass Bondkurse - auch die von heutigen AAA-Staaten, die dann "ex AAA" gehen - trotz Deflation runterkommen, weil die Anleger Angst haben, ihr Geld nicht zurückzubekommen. Geld selbst könnte dann zur Angstpartie werden. Das ist dann vielleicht die große Hyperinflations-Stunde der Gold- und Edelmetall-Bugs.
FAZIT: In Zeiten, in denen Notenbanken weltweit massiv die Staatsanleihenkurse manipulieren, bleiben Rückschlüsse aus der Langfrist-Zinsentwicklung ein Ratespiel. Normale Investment-Kritieren (auch Mittelumschichtungen von Aktien in Bonds) gelten dann nicht mehr. Dann ist nichts mehr normal - am wenigsten die (durchgeknallten) Banker selbst wenn diese, gemeinsam mit den nicht minder undichten Politikern, noch eine Weile heile Welt zu spielen versuchen.