Das Desaster der Landesbanken
von Heinz-Roger Dohms (Hamburg)
Schlimmer kann es nicht mehr kommen? Doch: Die BayernLB braucht 10 Mrd. Euro, und die WestLB schockiert mit einer Gewinnwarnung. Derweil lässt sich die Nord/LB milliardenschwere Anleihen von den Eignerländern garantieren. FTD.de skizziert die Lage der Landesbanken.
Auf dem Reißbrett schaut alles ganz einfach auf: Zunächst entledigen sich die Landesbanken ihrer vergifteten Wertpapiere - wobei als Käufer zum Beispiel der Soffin-Rettungsfonds des Bundes infrage käme. Und dann schließen sich die nunmehr entschlackten sieben Geldhäuser zu drei neuen Spitzeninstituten zusammen, die mit verbesserter Schlagkraft, modifizierten Geschäftsmodellen und fast frei von politischem Einfluss endlich gesunden können. So oder so ähnlich stellen sich das die Sparkassen vor, die neben den Ländern größter Eigner der Landesbanken sind.
Die Realität freilich hat damit nicht viel gemein. Die vergifteten Wertpapiere schlummern noch immer in den Depots der Landesbanken, der Kapitalbedarf steigt - und anstatt die Hilfen des Bundes anzunehmen, stürzen sich Baden-Württemberg und Bayern selbst ins Risiko, um nur ja nicht den Einfluss auf die Geldhäuser zu verlieren.
FTD.de zeigt, welche Institute seit Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2007 wie stark belastet wurden. Als Basis dient das Sondergutachten des Sachverständigenrats, der auch ergebnisneutrale Wertberichtigungen in die Abschreibungen einrechnet.
LBBW
Noch vor wenigen Monaten schien es, als käme Deutschlands größte Landesbank vergleichsweise gut durch die Krise. Mit Verspätung haben die Marktturbulenzen aber auch in Stuttgart zugeschlagen. Dem Sachverständigenrat zufolge wurden bis Juni Abschreibungen von knapp 2,5 Mrd. Euro bekannt.
Bis zum Jahresende dürften sich die Belastungen aber noch deutlich erhöhen. Darauf deuten zum einen die jüngst veröffentlichten Neunmonatszahlen (Vorsteuerverlust: 900 Mio. Euro) hin, zum anderen die erwarteten Belastungen aus der Lehman-Pleite und dem Island-Engagement der Bank. Die Eigner - darunter das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der regionale Sparkassenverband - wollen die LBBW mit 5. Mrd. Euro frischem Kapital versorgen. Der Bund könnte mit einem zweistelligen Milliardenbetrag bürgen.
BayernLB
Lange Zeit verschwiegen die Münchner ihre Verluste - umso heftiger fallen seitdem die Beichten aus. Im Juni konstatierte der Sachverständigenrat Belastungen von 4,2 Mrd. Euro. Allerdings hat sich die Lage der BayernLB seitdem noch deutlich verschlimmert: Im dritten Quartal verloren die Münchner 1 Mrd. Euro vor Steuern, für das vierte sind weitere dramatische Verluste zu befürchten.
Vor wenigen Wochen noch wirkte die Nachricht, die Münchner bräuchten 6,4 Mrd. Euro frisches Kapital, wie ein Schock - seit diesem Donnerstag weiß man: Es sind mindestens 10 Mrd. Euro. Der Freistaat will die Last quasi alleine schultern - bei einem Landeshaushalt von gerade mal knapp 40 Mrd. Euro ein ambitioniertes Vorhaben.
WestLB
Schon Anfang des Jahres spannten das Land NRW und die Sparkassen einen 5-Mrd.-Euro-Rettungsschirm über das Geldhaus - und schützten die WestLB damit zunächst vor weiteren Einschlägen. Dass es bei den bislang bekannt gewordenen Abschreibungen von gut 2 Mrd. Euro bleibt, gilt aber als unwahrscheinlich angesichts zweistelliger Milliardenengagements in risikobehafteten Papieren. An diesem Donnerstag lieferten die Düsseldorfer mit einer Gewinnwarnung für das laufende Jahr einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte.
HSH Nordbank
Als erstes öffentlich-rechtliches Spitzeninstitut bedienten sich die Hamburger beim Rettungspaket des Bundes und nahmen eine 30 Mrd. Euro schwere Garantie in Anspruch. Im Gegenzug verpflichtete sich die HSH Nordbank, ihre Kernkapitalquote zu erhöhen. Ob das Geld aus Berlin kommt oder von den Eignern - darunter der Stadtstaat Hamburg und das Land Schleswig-Holstein - ist allerdings noch unklar. Bis zum Sommer schrieb das Institut den Berechnungen des Sachverständigenrats zufolge rund 1,4 Mrd. Euro ab. Dabei wird es nicht bleiben: Lehman-Pleite und Island-Moratorium nagen am Kapital der HSH.
Nord/LB
Die Hannoveraner kamen bislang glimpflich durch die Krise: Knapp 600 Mio. Euro Abschreibungen bis Juni - das bleibt im Vergleich zu anderen Landesbanken im Rahmen. Er erwarte im Gesamtjahr einen Vorsteuergewinn in niedriger dreistelliger Millionenhöhe, sagte Vorstandschef Hannes Rehm am Donnerstag.
Mit der Emission einer milliardenschweren Anleihe will sich die Nord/LB frisches Kapital besorgen. Die Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gewähren dafür Garantien von bis zu 10 Mrd. Euro jährlich. Das sei aber "keine Kapitalspritze", sagte Rehm, sondern diene dazu, Wettbewerbsnachteile gegenüber Banken auszugleichen, die unter den staatlichen Rettungsschirm geschlüpft sind.
Helaba
Auch die hessisch-thüringische Landesbank steht im Vergleich zu ihren Pendants in München, Düsseldorf oder Stuttgart ordentlich da. Bei rund 400 Mio. Euro lagen bis zum Sommer die Belastungen. Für die ersten sechs Monate dieses Jahres stand ein Vorsteuergewinn von 120 Mio. Euro in den Büchern - im dritten Quartal allerdings schrieb die Bank einen Verlust von 57 Mio. Euro, teilte die Helaba am Donnerstag mit.
Landesbank Berlin
Auch das einstige Skandalinstitut hat mit den Folgen der Finanzkrise zu kämpfen: Rund 730 Mio. Euro schrieb das Institut bis zum Sommer ab, auch im dritten Quartal lag das Geldhaus wieder im Minus. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) freilich muss sich mit diesen Problemen nicht mehr herumschlagen: Seit vergangenem Jahr gehört die LBB dem Spitzenverband der deutschen Sparkassen.
FTD.de, 17:44 Uhr
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