News - 10.03.08 21:17
Das Kapital: Inflationierung als letzter Ausweg?
An den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft fällt ein Stein nach dem anderen, wodurch die Kreditvergabebereitschaft der Banken zusehends beeinträchtigt wird. Da das System aber auf zusätzlichen Kredit angewiesen ist, gefährdet die Kreditklemme die schon ausstehenden Darlehen umso mehr.
Einen Kollaps wie in Japan will Ben Bernanke indes mit allen Mitteln verhindern. Und er weiß, wie das geht. Wie soll das alles enden? Laut Fed sind die Schulden der nichtfinanziellen US-Sektoren im vierten Quartal noch mit einer Jahresrate von 7,7 Prozent gestiegen, wobei selbst die privaten Haushalte ihre Verschuldung noch um 5,6 Prozent ausweiten konnten. Obwohl die Schulden der Verbraucher damit immer noch um zwei Prozentpunkte schneller gestiegen sind als das nominale verfügbare Einkommen, hat bereits die Halbierung des Schuldenwachstums der privaten Haushalte seit Anfang 2006 eine Verlangsamung des Zuwachses des nominalen US-Nationaleinkommens von 11,5 auf 2,9 Prozent bewirkt.
Wegen des Eigenkapitalmangels der Banken, des verstopften Verbriefungsmarktes sowie sinkender Haus- und Aktienpreise ist unterdessen mit einer weiteren Einschränkung der Kreditvergabe an die hoch verschuldeten und defizitären privaten Verbraucher sowie an die nichtfinanziellen Firmen zu rechnen. Auch wenn die Fed ihre Zinsen neuerlich kräftig senkt, ist jedenfalls kaum zu erwarten, dass Firmen und Verbraucher weiterhin - zusätzliche - Schulden in Höhe von 16 Prozent des Nationaleinkommens aufnehmen können, wie das über die vergangenen drei Jahre der Fall war. Derweil werden die nach dem Stellenabbau verbliebenen Zuwächse der Lohnsumme längst von der Inflation aufgezehrt, sodass ein realer Konsumrückgang kaum zu vermeiden sein dürfte. Unter anderem deswegen, aber auch wegen der generell sinkenden Gewinnmargen und des hohen Verschuldungsgrades bei Finanzinvestoren und Firmen in deren Dunstkreis, schießen die Risikoprämien auf den Kreditmärkten durch die Decke.
Fast ausweglos
Doch genau so, wie die Kreditkrise nicht auf US-Ramschhypotheken, Wohnungsbaudarlehen in Großbritannien oder Spanien, Private Equity, Hedge-Fonds und das Bankensystem begrenzt bleibt, wird sie auch nicht bei Schuldnern minderer Bonität haltmachen. Denn wenn in einer Wirtschaft, die auf Kreditexpansion und Vermögenspreisinflation basiert, der Kredit knapp wird, ist eine Rezession eben fast unvermeidlich - und zwar eine schwere und lange. Und einer solchen fallen regelmäßig auch Schuldner guter Bonität zum Opfer, weil Firmen Aufträge verlieren oder ihre Forderungen nicht eintreiben können - und weil Menschen ihre Stellen verlieren und damit ihren Hypotheken oder Kreditkartenschulden nicht mehr nachkommen können.
Eine Mischung aus expansiver Fiskal- und Geldpolitik mag da das probate Mittel sein, könnte bei einem Schuldenberg von 47.000 Mrd. $ oder 380 Prozent des US-Nationaleinkommens indes auch einen fiskalischen Kollaps wie in Japan zeitigen, sofern die Risikoneigung und damit die Kreditvergabebereitschaft der Banken nachhaltig angeknackst ist, was zu befürchten steht. Auch ein beherzterer Aufkauf von Ramschkrediten durch Quasistaatsbanken würde den Schlamassel nur auf die Bücher des Staates verschieben und selbst im konjunkturpolitischen Erfolgsfall - Reparatur der Schuldenmaschinerie - die künftigen Probleme noch vergrößern. Es bleibt daher eine reale Möglichkeit, dass die USA ihre Schulden letztlich einfach weginflationieren - indem die Fed der Regierung Schecks ausstellt, die diese dann verprasst. Selbst die Rentenanleger müssen also auf der Hut sein. Aktienanleger hingegen werden solange keine Ruhe finden, wie die Meinung vorherrscht, Firmen, die den gut anderthalbfachen Umsatz kosten, seien billig. Der nächste echte Bullenmarkt beginnt (in ferner Zeit), wenn Aktien den halben Umsatz kosten - und das alle teuer finden.
Quelle: Financial Times Deutschland