obwohl eher satirisch als analytische Glanzleistun, interessanter Lesestoff:
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Von Olaf Storbeck
Wie konnte es passieren, dass ausgerechent vom Markt für minderwertige Hypotheken-Darlehen eine globale Finanzkrise ausgehen könnte? Eine IWF-Studie und zeichnet schonungslos nach, welche Exzesse in die Misere führten. Eine faszinierende Reise zum „Ground Zero“ der Misere.
Und was genau war bis ins Frühjahr 2007 auf dem Markt für minderwertige Immobilien-Kredite eigentlich los? Foto: dpa
DÜSSELDORF. Subprime-Kredite? Bis vor ziemlich genau elf Monaten hat sich kaum jemand für das Geschäft mit Darlehen an Amerikaner mit fragwürdiger Bonität interessiert. Bis im März 2007 der in diesem Segment aktive US-Finanzdienstleister New Century Financial in Schieflage geriet – und eine Finanzkrise in Gang kam, deren Ausmaß bis heute niemand abschätzen kann.
Wie konnte es passieren, dass ausgerechnet die Hypotheken-Darlehen an US-Bürger mit geringem Einkommen, schlechter Bonität und zweifelhafter Kredithistorie das Epizentrum einer globalen Krise bilden? Und was genau war bis ins Frühjahr 2007 auf dem Markt für minderwertige Immobilien-Kredite eigentlich los?
Ein Forscherteam des Internationalen Währungsfonds (IWF) geht diesen Fragen in einer letzte Woche erschienenen Studie auf den Grund. Die Arbeit von Giovanni Dell’Ariccia, Denzi Igan und Luc Laeven ist eine faszinierende Reise zum „Ground Zero“ der Krise – und zeichnet schonungslos nach, welche Exzesse in die Misere führten.
Dafür werteten die Forscher Daten von amerikanischen Hypothekenbanken aus. Seit Mitte der siebziger Jahre sind diese gesetzlich verpflichtet, Statistiken über beantragte und genehmigte Kredite zu veröffentlichen. Für die Jahre 2000 bis 2006 liegen den Wissenschaftlern detaillierte Informationen über 50 Millionen Kreditanträge vor – mit genauen Informationen zur Immobilie und zum Antragsteller .
Schon die nackten Zahlen zu Struktur und Entwicklung des Subprime-Marktes sind beeindruckend: Zwischen 2000 und 2006 hat sich das Volumen der jährlich neu vergebenen Kredite auf 600 Milliarden Doller verdreifacht. Der Anteil dieser riskanten Darlehen kletterte von neun auf 20 Prozent aller neuen Hypotheken – und das, obwohl in der gleichen Zeit auch das Volumen der „besseren“ Kredite („Prime“- Darlehen) deutlich stieg. „Im vergangen Jahrzehnt“, so die Forscher, „haben sich die Subprime-Kredite von einer kleinen Nische in ein bedeutendes Segment des Hypothekenmarktes entwickelt.“ Den Gesamt-Bestand aller ausstehenden Subprime-Kredite schätzen sie auf eindrucksvolle 1,3 Billionen Dollar.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: Warum der Boom fundamental nicht gerechtfertigt war
Hinter diesem Boom steckt keine fundamental gerechtfertigte Entwicklung, sondern ein explosives Gemisch aus Gier, billigem Geld und neuen Finanzprodukten, zeigen die Forscher. All dies habe dazu geführt, dass der Markt für minderwertige Immobilienkredite außer Kontrolle geriet.
Kern des Problems: Banken habe eine Neigung, ihre Kreditvergabe von Marktentwicklungen abhängig zu machen, nicht nur von Kreditwürdigkeit des Schuldners. Dies, so beklagte der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan bereits 2001, führe dazu, dass Banken gerade dann am bereitwilligsten Kredite vergeben, wenn eine Blase ihren Höhepunkt hat – ein Phänomen, auf das die Mehrzahl der faulen Kredite zurückzuführen sei.
Die Forscher finden auf dem Subprime-Markt eine Reihe von Indizien, die diese Hypothese bestätigen: „Die Gläubiger“, so das Fazit, „sind übermäßige Risiken eingegangen. Die Anforderungen an die Bonität der Schuldner sind stärker zurückgegangen, als aufgrund ökonomischer Fundamentaldaten gerechtfertigt gewesen wäre.“
Denn im Segment für minderwertige Hypotheken-Darlehen war ein perverser Mechanismus am Werk: Je mehr Anträge auf Subprime-Kredite gestellt wurden, desto geringer war die Ablehnungsquote. Bei „Prime“-Krediten an Kunden mit guter Bonität war genau das Gegenteil der Fall – dort stieg die Ablehnungsquote, weil sich die Banken die besten Schuldner heraussuchten. Und in Regionen, in denen besonders viele Anbieter von Subprime-Darlehen präsent waren, wurden besonders viele dieser Kredite vergeben – ebenso wie in Gegenden, wo die Grundstücks- und Hauspreise überdurchschnittlich stark stiegen.
Die Forscher ziehen den Schluss: „Die Gläubiger von Subprime-Krediten haben zu einem gewissen Grad darauf gewettet, dass der Immobilienboom weitergeht.“ Denn solange das der Fall ist, spielt die Bonität eines Schuldners kaum eine Rolle. Gerät er in Zahlungsschwierigkeiten, kann er problemlos seine Immobilie mit Gewinn verkaufen oder einfach nur höher beleihen – und damit den Kredit zurück bezahlen.
Auch die lange historisch niedrigen US-Leitzinsen seien für die Krise mitverantwortlich. Denn während die Banken bei höherwertigen Hypotheken ihre Standards schnell anzogen, war dies bei Subprime-Darlehen erst viel später der Fall. „Dies spricht dafür, dass die Geldpolitik die Risikobereitschaft der Gläubiger im Subprime-Segment ungünstig beeinflusst hat.“
Zudem hätten Finanzprodukte, durch die Banken ihre Risiken an andere Akteure weiterreichen konnten, die Blase genährt. Dort, wo die Geldhäuser einen größeren Teil ihrer Kredite an Dritte abgeben konnten, verfielen die Anforderungen an Subprime-Kunden besonders stark. Mit anderen Worten: Wer wusste, dass er Kreditausfälle nicht selbst würde tragen müssen, weil er den Kredit bis dahin längst weiter verkauft haben würde, hatte kein Interesse mehr an Bonität. Ein großer Teil der verbrieften Subprime-Kredite landete in Europa.