Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für eine viel engere Zusammenarbeit in der Euro-Zone ausgesprochen. Dies sei nötig, um Geburtsfehler des Euro zu beseitigen, sagte sie auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Ihre Rede war mit Spannung erwartet worden. "Die Verschuldung ist die größte Gefahr für den Wohlstand auf unserem Kontinent", sagte Merkel. Die "Lehre" aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise laute, dass Schulden abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden müssten.
Merkel bezeichnete dies als entscheidende Voraussetzung dafür, damit Investoren wieder Vertrauen in den Euro fassten. Zwar habe die EU bereits im vergangenen Jahr Erhebliches geleistet. "Aber wir geben Anlässe zu Spekulation. Die Anlässe liegen in der hohen Verschuldung einiger Länder." Zugleich sei das Vertrauen gesunken, dass diese EU-Staaten die Wirtschaftskraft hätten, die Schulden zurück zu zahlen.
"Der Schutz des Euro ist verbunden mit neuen Wegen, die wir gehen müssen", sagte sie. Nötig sei eine engere politische Zusammenarbeit, um etwa ein Auseinanderklaffen der Sozialsysteme zu verhindern. "Wir sind entschlossen, dass wir ein Zeichen setzen wollen, in der Eurozone auch in Bereichen wie der Wettbewerbsfähigkeit uns enger politisch zu koordinieren."
Wer bestimmt die Pensionsgrenzen?
Merkel die Europäer dazu auf, sich für eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik einzusetzen. Eine "koordinierte politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit" in der Eurozone sei notwendig, unter anderem auch im Bereich der Sozialsysteme, sagte Merkel. "Wir dürfen uns in der augenblicklichen Situation nicht ausruhen", fügte die Kanzlerin hinzu.
Als Beispiele für eine nötige engere Koordinierung nannte sie das Pensionsalter sowie die Bildungs- und Forschungspolitik. Auch der Anteil investiver Ausgaben in den Haushalten müsse angeglichen werden. Maßstab müsse dabei immer der Beste in der EU und die internationale Wettbewerb sein.
Den in der Schuldenkrise bedrängten Euro-Staaten Griechenland, Irland und Portugal bekundete Merkel ihre Solidarität. Gleichzeitig forderte sie die Regierungen dieser Länder aber auch dazu auf, ihrerseits Solidarität zu zeigen, indem sie ihre Schulden abgebauten und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbesserten. "Wir werden diesen Euro verteidigen, das ist überhaupt keine Frage", betonte Merkel. Das deutsche Beispiel zeige aber, dass Schuldenabbau und Wachstum kein Widerspruch seien.
"Wir brauchen mehr Regulierung"
Europa leiste mit dieser Konsolidierungspolitik seinen Beitrag zur Überwindung der weltweiten Finanzkrise. Aber auch die internationale Gemeinschaft müsse stärker zusammenarbeiten. "Wir brauchen noch mehr Regulierung." Es fehle etwa eine international koordinierte Antwort darauf, was passiere, wenn eine große internationale Bank zusammenbreche.
Nötig sei zudem, wirtschaftliche Ungleichgewichte abzubauen oder aber Währungen die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit von Staaten widerspiegeln zu lassen. Zugleich sei ein Kampf gegen Rohstoffspekulation nötig, betonte Merkel. Die Welt brauche mehr Transparenz und freien Zugang zu Rohstoffen. Drittes Element sei ein freier Welthandel. Deutschland, Großbritannien, die Türkei und Indien hätten deshalb eine Initiative gestartet, um doch noch einen Durchbruch bei den Verhandlungen für das Doha-Freihandelsabkommen zu erreichen.
Geithner drückt die Sparbremse
Die Staatsschulden hatten sich zuvor bereits als das diesjährige Top-Thema in Davos erwiesen. Dabei geht es weiterhin auch um die Zukunft des Euro, für den am Vortag der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy auch im Namen Deutschlands eine Überlebensgarantie abgegeben hatte.
Den bislang eindringlichsten Appell zum Schuldenabbau überbrachte Großbritanniens Premierminister David Cameron in Davos. Dagegen hält der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner einen zu schnellen und zu harten Schuldenabbau für gefährlich. In dem Schweizer Wintersport diskutieren die rund 2500 Spitzenvertreter aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft noch bis Sonntag.
Cameron: "Die Aufgabe ist immens"
Cameron, dessen Regierung gerade einen harten Plan zum Schuldenabbau vorgelegt hat, appellierte dafür, seinem Land in dieser Frage zu folgen. "Unser oberstes Ziel ist es, das Gespenst riesiger Staatsschulden umzubringen", sagte Cameron.
Für Großbritannien jedenfalls gebe es dazu keine andere Wahl, wenn das Land aus der Rezession herauskommen wolle. "Das Ausmaß dieser Aufgabe ist immens, aber wir müssen wagemutig sein, um diese Wirtschaft der Zukunft aufzubauen", sagte der Regierungschef.
Zudem sei es in der EU Zeit für eine "harte, durchschaubare Annäherung, um den gemeinsamen Markt zu stärken". Dazu sein ein Richtungswechsel nötig. Diese neue Richtung laufe auf eine Wirtschaft zu, die sich nicht auf Konsum und Schulden, sondern auf Sparen und Investitionen gründe. Dazu müssten Europas Banken reformiert und gestärkt werden, sagte Cameron.
Die Europäer halten zusammen
Grundsätzlich trauen die USA der EU eine erfolgreiche Bewältigung der Schuldenkrise zu. "Sie (die Europäer) haben deutlich gemacht, dass sie es zusammenhalten", sagte Geithner, der seitens der Politik der einzige Regierungsvertreter der USA in Davos ist. Wichtig sei, dass Europa einen Rahmen einsetze, der zeige, dass "sie hinter ihren Ländern stehen".
Geithner kritisierte aber auch den Umgang mit der Schuldenkrise in Europa. Das Schuldenproblem der Eurozone besonders um Griechenland habe im vergangenen Jahr zeitweise auch den Aufschwung in den USA "in einem kritischen Zeitpunkt sehr destabilisiert", sagte der Minister. So seien die Kurse kurzfristig um bis zu 15 Prozent gefallen.
Geithner sprach sich gegen einen radikalen Schuldenabbau durch Einsparungen aus, wie in Großbritanniens vollziehen will. Dies könne die Erholung der Wirtschaft negativ beeinflussen und kein "verantwortungsbewusster Weg". Die Regierung werde das nicht zulassen, meinte er auch unter Hinweis auf die noch hohe Arbeitslosigkeit in den USA.
Ackermann: "Das stimmt mich zuversichtlich"
In der Diskussion über eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms bekommt die Bundeskanzlerin ungeahnte Schützenhilfe. Am Rande des Weltwirtschaftsforums sagte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, im Moment gebe es keine Notwendigkeit für zusätzliche Maßnahmen.
"Eine Menge ist schon getan worden, und wir sehen Fortschritte", betonte der Schweizer. Im Moment sei es deshalb richtig, am Beschlossenen festzuhalten. Die Regierungen in Griechenland, Portugal und Spanien seien auf dem richtigen Wege. "Das stimmt mich zuversichtlich", sagte Ackermann.
Quelle: AFP/DJ/dpa/rts