Ich teile Deine Bedenken.
Europäische Banken kaufen PIIGS-Staatsanleihen, weil dies ein äußerst lukrativer und praktisch risikofreier Carrytrade ist. Sie leihen sich bei der EZB zu Mickerzinsen Geld und kaufen davon z. B. portugiesische oder italienische Staatsanleihen, die 2012 bis über 7 % (Portugal: über 10 %) Rendite brachten. Wenn man für diese Staatsanleihenkäufe kein Eigenkapital benötigt, dann ist das eine Lizenz zum Gelddrucken.
Wärst Du, Stöffen, eine Bank, könntest Dir ebenfalls von der EZB 10 Mio. zu 0,25 % Zins über drei Jahre leihen. Davon kaufst Du dann z. B. in drei Jahren fällig werdende italienische Staatsanleihen mit sagen wird 3,5 % Rendite. Eigenkapital brauchst Du als Bank ja keines. Anschließend hinterlegst Du die Staatsanleihen zur Sicherheit bei der EZB. In diesen drei Jahren verdienst Du netto 3,25 Prozent Zinsen (3,5 % - 0,25 %) auf die 10 Mio., obwohl Du das Geld überhaupt nicht besitzt. Ingesamt erhältst Du in den drei Jahren rund 120.000 Euro Zinsen. Und wenn die italienischen Staatsanleihen in drei Jahren endfällig werden, zahlst Du davon einfach den EZB-Kredit zurück.
Der Deal ist sogar "skalierbar". Stell Dir vor, Du könntest Dir 100 Mio. für lau bei der EZB leihen. Da EK nicht nötig ist, gilt: Je mehr Du Dir leihen kannst, desto besser. Bei 100 Mio. EZB-Kredit erhieltest Du sogar 1,2 Mio. Euro Zinsen. Du könntest Deinen Job kündigen und hättest ausgesorgt.
Leider bist Du keine Bank. Obige Privilegien erhalten ausschließlich Banken, keine Privatpersonen. Den Banken wird bei diesen Staatsanleihen-Carrytrades somit buchstäblich Geld in den Hintern geblasen. Das Geld stammt übrigens von den europäischen Sparern, die wegen Draghis Nullzinspolitik keine Zinsen mehr auf ihre Sparguthaben erhalten).
Gleichzeitig werden bei diesen Deals die PIIGS saniert, weil seitens der Banken eine Pseudo-Nachfrage nach PIIGS-Staatsanleihen erzeugt wird.
Der Irrtum in dem von Dir genannten Kommentar besteht mMn daran, dass davon ausgegangen wird, dieses Geld, das in die PIIGS-Anleihen fließt, stünde ohnehin als "Liquidität" zur Verfügung. Diese Liquidität ist aber lediglich eine Option. Zu "Geld" wird sie erst, wenn die Banken die EZB-Kredite auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Dies tun sie aber nur wegen der obigen hoch lukrativen Carrytrades, die null Risiko haben.
Verlangte die EZB von den Banken eine EK-Beteiligung, würden sicherlich weniger Kredite für obige Staatsanleihen-Carrytrades (CT) nachgefragt, denn EK ist bei PIIGS-Banken knapp. Dennoch würden die CT eingeschränkt weiter laufen. An einer solchen Einschränkung hat Draghi freilich überhaupt kein Interesse. Denn die PIIGS-Banken führen ja sozusagen stellvertretend für die EZB, der Staatsfinanzierung gemäß Maastricht verboten ist, die Staatsanleihenaufkäufe durch.
Würden die Banken die EZB-Kredite auch in Anspruch nehmen, wenn obiger CT durch EK-Hinterlegung unattraktiver würde? Sicherlich, aber eingeschränkter. Würden sich die Banken infolgedessen verstärkt ihrem traditionellen Kerngeschäft, der Kreditvergabe an Firmen, zuwenden? Diese Kernthese des von Dir genannten Artikels bezweifle ich.
Das Grundproblem bleibt doch, dass die PIIGS-Ökonomien kaum wachsen (egal wie hoch oder tief ihre gepushten Bondkurse stehen). Folglich sind Bankkredite an dortige Privatunternehmen kein aussichtsreiches Geschäft. Entsprechend vorsichtig waren, sind und bleiben die PIIGS-Banken bei der Kreditvergabe an heimische Unternehmen. Wenn die Firmen zu wenig Renditeaussichten haben, drohen die Kredite massenhaft faul zu werden. Schon jetzt sitzen PIIGS-Banken auf Unmengen wackeliger Forderungen. Mehr davon ist das letzte, was sich brauchen können. Eher brauchen sie zur Genesung eine Bilanzschrumpfung, also Deleveraging. Und genau das will ihnen die EZB ja auch anbieten, indem sie gemäß den jetzt erwogenen Plänen bündelweise verbriefte (faule) Forderungen der PIIGS-Banken aufkauft - als Ersatz für die ihr verbotenen Staatsanleihenaufkäufe.
Damit wird die EZB zur europäischen "bad bank".
Hinzu kommt, dass die Unternehmen in den PIIGS diese Bankkredite auch kaum nachfragen. Denn die Tatsache, dass die Rendite-Chancen in den PIIGS schlecht sind, hemmt auch die Unternehmen. Die Unternehmer wollen nicht investieren, und die Banken wollen keine Unternehmenskredite vergeben. Damit würde die von der EZB als Option bereitgestellte Liquidität auch gar nicht erst zu Geld (wie jetzt bei den PIIGS-CT).
Diese Problematik ist nur begrenzt an Eigenkapital-Hinterlegungspflichten gekoppelt. Vermutlich würden die Banken den Firmen nicht mal dann Kredite gewähren, wenn dafür - wie beim PIIGS-CT - kein Eigenkapital mehr vorgehalten werden müsste. Und Firmenchefs wollen in der aktuellen Gemengelage auch nicht in ihren eigenen Ruin investieren.
Der entscheidende Hemmschuh bleibt, dass es in den von Massenarbeitslosigkeit gebeutelten PIIGS kaum Wachstum gibt. Dieses Wachstum lässt sich auch nicht mit "mehr Liquidität" künstlich erzeugen. Die von der Fed bei ihrem QE-Gepumpe erwarteten Skalierungseffekte haben sich bis heute nicht eingestellt. In Europa ist die Ausgangslage eher noch schlechter, weil es hier zig Staaten, Wirtschaftsregierungen, verfilzte Bürokratie mit Brüssel-Wasserkopf und zig "Unzuständigkeiten" gibt. Hinzu kommt der einschränkende Maastricht-Rechtsrahmen, der ein Gepumpe nach US-Vorbild per se erschwert.
Der ökonomische Stillstand in den PIIGS samt Massen-Arbeitslosigkeit ist letztlich eine Spätfolge der Euro-Kreditsause, der man nur mit langsamen Deleveraging Herr werden kann. Das braucht viel Zeit und Geduld. Mit gewälttätiger Pumperei kann man die Genesung nicht erzwingen.
FAZIT: Die Liquidität, die jetzt in die PIIGS-Anleihen fließt, wird von den Banken nur konditional zu diesem Zweck gezogen. Bei EK-Hinterlegungspflicht würden diese CT-"Deals" sicherlich zurückgehen. Doch damit würden andere "Investments" außerhalb des PIIGS-CT nicht automatisch attraktiv. Sie bleiben stark riskobehaftet, und Skalierungseffekte (Kredite schafft Nachfrage, Nachfrage schafft Wachstum) sind eine Hoffnung, die sich nicht mal in USA, wo die Möglichkeiten (keine Maastricht-Einschränkungen) günstiger sind, erfüllt hat. Im zerstrittenen Europa wird das dann erst recht nichts. Egal welche Stoßgebete Draghi und Lagarde noch ablassen. Folglich würde das Liquiditätsangebot der EZB nicht zu Geld, weil die Banken die EZB-Kredite für die Firmenkreditvergabe nur sehr eingeschränkt ziehen würden.