Wenn man Cramers Prognose-Historie verfolgt, stellt man fest, dass er öfter falsch lag als richtig. Richtig lag er als Bulle nur im generellen Sinne, da ihm die seit 1982 währende Kreditexpansion in die Hände arbeitet.
Cramer hat am Freitag - mit der üblichen Bullen-Häme - empfohlen, Shorts einzudecken (unten), weil über das WE eine Einigung im Haushaltsstreit "droht" - mit fettem Up-Gap am Montag.
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realmoney.thestreet.com/articles/10/04/...had-better-cover-now
Jim Cramer
Oct 04, 2013 | 10:45 AM EDT
So you can see how the shorts are very afraid of a deal in Washington. You can tell that, among some Republicans, there is a move afoot to stop the absurdity of defunding the law-of-the-land healthcare plan, and to take the debt ceiling "catastrophe" off the table, and just to deal with the budget. Of course, that would trigger short-covering, because a grand bargain that actually solves a lot of our nation's problems would be a true short-buster...
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Diese Gefahr ist zwar im Prinzip vorhanden. Allerdings strebt der US-Kongress eine "Doppel-Einigung" an, bei der gleichzeitig der neue Haushalt UND die Aufstockung der Schuldengrenze vereinbart werden sollen. Da werden die Reps mMn nicht so schnell klein beigeben, wie Cramer dies gern hätte.
Wegen der Patt-Situation in der US-Regierung (= "Gridlock": Mehrheit der Reps im Repräsentantenhaus, aber Mehrheit der Dems im Senat) bietet die erforderliche Doppel-Einigung den Reps eine gute Gelegenheit zu stänkern. Die bei ihnen so unbeliebte Health Care Reform ("Obamacare") wurde in den ersten zwei Jahren nach Obamas Amtsantritt verabschiedet, als in beiden Kammern noch die Dems die Mehrheit hatten. Das änderte sich bei der Zwischenwahl in 2010 - en.wikipedia.org/wiki/United_States_elections,_2010 - als die Reps die Mehrheit im "House" zurück gewannen und obiger Gridlock entstand. Ursache: Über Obamas Bankenpolitik verärgerte Dem-Wähler, die vergebens auf "hope" und neue Jobs gewartet hatten, wählten 2010 aus Protest die Reps - ohne zu bedenken, dass sie damit "mit Beelzebub den Teufel austrieben".
Seitdem ist die US-Regierung kaum noch beschlussfähig. Die Lage ist ähnlich wie die, als würde in D. die CDU regieren, während im Bundesrat die SPD die Mehrheit hat.
Diesen Trumpf werden sich die Reps nicht ohne Zugeständnisse nehmen lassen. Zumindest dürften sie Obama noch ein Weilchen "quälen" wollen. Daher die so zähen (und teils "kindisch" wirkenden) Verhandlungen.
Bis wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen?
Für die Aufstockung der Schuldengrenze ist der 17. Okt. die Deadline. Am 18. Okt. ist in USA Optionsverfall. Spätestens bis dahin wäre im Prinzip mit einer Einigung - samt dem daraus resultierenden saftigen Shortsqueeze - zu rechnen.
Obama hat allerdings bereits signalisiert, dass Staatsangestellte, die sich seit 1. Okt. in unbezahltem Zwangsurlaub befinden, mit einer Nachzahlung ihrer Gehälter rechnen können. Dies soll sie offenbar vor Frust bewahren, falls sich die Verhandlungen länger als erwartet hinziehen. D.h. Obama baut bereits für eine längere Schließung vor.
Beim letzten Government-Shutdown in 1995/1996 (Clinton-Ära) lief die Schließung über insgesamt 28 Tage, allerdings in zwei Schüben von erst 5 und dann 19 Tagen ( from November 14 through November 19, 1995 and from December 16, 1995 to January 6, 1996, for a total of 28 days - en.wikipedia.org/wiki/...ederal_government_shutdown_of_1995–96 ).
Auch damals ging es u. a. um Krankenversicherung (Medicare, public health). Die Mechanismen waren die gleichen wie heute:
"When Clinton refused to cut the budget in the way Republicans wanted, Gingrich [heute Boehner] threatened to refuse to raise the debt limit, which would have caused the United States Treasury to suspend funding other portions of the government to avoid putting the country in default." (aus letztem Link oben).
Da Obamacare ein noch viel schwieriger zu schluckender Brocken für die Reps ist als Medicare/public health in 1995, rechne ich damit, dass sich die Einigung ähnlich lange hinzieht wie damals, als die Schließung ingesamt 28 Tage andauerte.
Aktuell sind erst 6 Tage Schließung (Stand von heute, Sonntag) "durch". Es ist daher gut vorstellbar, dass Cramer mit seinem obigen Hinweis auf eine Einigung noch an diesem WE viel zu früh liegt (Permabulle halt...). Hinzu kommt Cramers Historie an Fehlprognosen.
Ich halte es - im Gegensatz zu Cramer - für wahrscheinlicher, dass der Shutdown noch mindestens die ganze nächste Woche anhalten wird. Die Schließung könnte sich sogar wie 1995 über insgesamt 28 Tage und evtl. noch länger hinziehen. Das hätte dann auch realwirtschaftliche Folgen.
Short zu bleiben ist somit einerseits riskant, weil jederzeit eine Einigung "droht", andererseits aber auch potenziell lukrativ, falls sich die Verhandlungen zäh in die Länge ziehen.
Charttechnisch hat es in 2013 bislang noch nicht mal eine kleinere Korrektur um -10 % gegeben, obwohl diese längst "fällig" wäre. Schon beim läppischen US-Regierungsstreit im Spätsommer 2011 korrigierte der SP500 um -22 %.Eine Korrektur würde auch saisonal gut in das langjährige Muster (Korrektur bzw. Crash im Oktober) passen. Wenn der Abverkauf erst mal mit großem Volumen einsetzt (Anlass dafür kann auch eine Lappalie sein...), droht forcierte Rückabwicklung wegen der rekordhohen Margin-Spekulationen (# 050).
"Angst haben" müssen, anders als Cramer glaubt, somit nicht nur die Bären. Je länger sich die Einigung hinzieht, desto größer wird auch die Verunsicherung der Bullen bzw. der Börsen im Allgemeinen, denen Unwägbarkeiten nicht behagen.
Die bislang ungebrochene bullische Euphorie, die fundamental kaum unterlegt ist, reihenweise "Fahnenstangen"-Charts, die an der Nasdaq teils an die 2000-Hysterie erinnern, sowie das langjährige "große Bild" in den US-Indizes (link in # 052) drohen Cramer mMn Lügen zu strafen. Es wäre nicht das erste Mal.