Die Zinsen am langen Ende, die in erster Linie der Markt bestimmt und die die Fed nur indirekt über QE beinflussen kann, sind im Mai sehr wohl deutlich gestiegen.
Der Autor von "Die Presse" reduziert den Blick auf der "kurze Ende" der Zinskurve, das die Fed in der Tat zu 100 % kontrolliert.
Als Fed-Vertreter im Mai als Versuchsballon von einer QE-Reduzierung ("Tapering") sprachen, hat der US-Bondmarkt nicht ohne Grund deutlich Federn gelassen. "Bond-König" Bill Gross legte mit -2,2 % in seinem "Total Return Fund" die schlechteste Mai-Performance aller Zeiten hin.
Ursache ist, dass seit 2008/2009 sämtliche Assets - und gerade auch US-Staatsanleihen - im Geldregen der Fed deutlich gestiegen sind. Es kam zu dem manipulationsbedingten Paradoxon, dass Staatsanleihen und Aktien im Tandem stiegen, obwohl beide Assetklassen sich normalerweise spiegelbildlich entwickelt. Cheap money lifts all boats.
So entstand Aufwärtsmomentum, dass gehebelte Hedgefonds inkl. "Investoren" wie Buffett prozyklisch ritten. Da ist es nur logisch, dass die Aussicht auf weniger Manna von Magier 2.0 (Bernanke) zu Positionsauflösungen führt. Die letzten beißen die Hunde.
Die US-Wirtschaftsschreiberlinge (siehe Artikel unten) sind zurzeit emsig bemüht, die von der Fed gepushten Aktienanstiege der letzten 4,5 Jahre als "organische Wirtschaftserholung" zu verkaufen, obwohl USA längst in einer zweiten Großen Depression versunken wäre, wenn Geithner und Lew nicht eine langfristig ruinöse Neuverschuldungs-Sause von jährlich bis 10 % angeschoben hätten, die von der Fed via QE querfinanziert wurde.
Ungeachtet dessen, dass US-Aktien nahe ATHs notieren, hat sich die reale Lage in USA (und der Restwelt) in den letzten Monaten deutlich eingetrübt. Viele US-Wirtschaftsindikatoren (z. B. CFNAI auf -0,53, Einkaufsmanager-Indizes unter 50 usw.) deuten sogar auf einen Rückfall in eine Rezession hin - und dies, obwohl QE zurzeit noch auf Hochtouren läuft.
Zum Spin-Theater gehört freilich, die Realität außerhalb der gepushten Aktienhöchststände geflissentlich zu ignorieren.
Im Marketwatch-Artikel unten weist der Autor - ziemlich frech - darauf hin, dass Zinsanstiege am langen Ende "typisch" seien für Phasen beginnender organischer Erholung. Das stimmt zwar theoretisch (zumindest in früheren Erholungsphasen wie ab 1995 oder ab 2004 war es so). Aktuell kann davon in USA aber keine Rede sein: Die US-Zinsen am langen Ende steigen nicht, weil sich die Wirtschaftslage (ex Aktienkurse) verbessert, sondern weil die Aussicht auf Stützungskäufe der Fed gesunken ist.
Die große Frage bleibt: Wird die Fed den graduellen Exit wirklich durchziehen, obwohl sich die (US-)Wirtschaftslage zurzeit eher verschlechtert? In mehreren Postings der letzten Woche hatte ich darauf hingewiesen, dass die Fed bewusst die Euphorie zu bremsen versucht, um einen Boom-Bust-Zyklus am Aktienmarkt ("kollabierende Kirchturmcharts) zu verhindern. Und um die Illusion zu nähren, sie würde noch irgendeine Form von Feinsteuerung betreiben, während sie in Wahrheit nur noch "im Groben" Massen von Geld druckt.
Die Spinstory von der "organischen Erholung", die einen graduellen Fed-Ausstieg rechtfertigen soll, ist jedoch an den Haaren herbeigezogen. Einige hier im Thread wie Gegenpol sind (m. E. zu Recht) der Ansicht, dass die Fed QE schon deshalb quasi "endlos" weiter betreiben muss, weil sonst niemand die gigantische US-Neuverschuldung aufkaufen könnte. QE müsse sogar noch gesteigert werden, weil planwirtschaftliche Effekte aus der Staats-Druckerpressen-Finanzierung mit der Zeit verpuffen.
Das Ganze dürfte vorerst auf ein "Muddle-Through" hinauslaufen. Solange der Aktienmarkt sich oben hält, werden die Fed und die US-Wirtschaftspresse auch weiterhin scheinheilig das Lied vom QE-Wunder-Aufschwung singen. Die Fed treibt das Theater sogar auf die Spitze, indem sie die Behauptung wagt, "wegen" der Wirtschaftserholung leicht auf die Bremse treten zu wollen.
Es ist aber bereits absehbar, dass - sobald die Börsen spürbar den Rückwärtsgang einlegen und erste Stimme vor "neuem Abschwung" warnen - die Fed erneut das Pedal bis zum Blech runtertreten wird - und vielleicht sogar durch das verrostete Bodenblech bis in den Motorraum hinein. Das Spiel wird sich fortsetzen, bis die lausige GM (Government Motors)-Staatskarosse endgültig an die Wand gefahren ist. Am Tag X werden US-Staatsanleihen und der US-Dollar im Mises-Kollaps versinken. (Vorher kollabieren allerdings schon der Yen und der Euro.)
Die mit dem aktuellen Hype korrespondierende Chartentwicklung wird vorerst vermutlich weiterhin ein langsames Hochkriechen der US-Aktien sein - doch es bleibt ein Zitterakt auf dünnem Grat, den JEDERZEIT ein Crash schlimmer als 2008 aus seinen Nassträumen reißen kann.
www.marketwatch.com/story/...r-money-when-bond-yields-rise-2013-06-07
Spin-Story:
Income-seeking investors in particular should get cozy with the yield curve — a measure of the relationship between short-term interest rates, over which the Fed has leverage, and long-term rates — which the Fed can influence but, importantly, does not control.
Some confusion can be forgiven. The slow-growth economy suggests that short-term yields could be low for the foreseeable future [d.h. im Klartext: Die US-Erholung "stinkt" auch weiterhin, A.L.]. Meanwhile, long rates have been ranging higher in anticipation that economic health could be better than expected. [Das vor allem ist der Spin-Teil der Story. Zinsen am langen Ende sinken nicht wegen "Wirtschaftserholung" (= Normalszenario), sondern weil eine QE-Rückführung dem Pusher-Markt in allen Assets den "Treibstoff" zu nehmen droht.]
The crucial part to know is that low short-term rates coupled with rising long-term rates creates what’s called a “steep” yield curve. [Eine steile Zinskurve gilt normalerweise als Indiz für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung.] And a steepening curve is toxic for rate-sensitive longer-term bonds and bond proxies including high-yielding utilities and telecommunications stocks, real estate investment trusts and master limited partnerships — lately the all-star team for many investors and investment advisers....
Man solle also, so der Marketwatch-Guru, sein Aktienportfolio umschichten in weniger defensive Aktien, die sich normalerweise in einem "echten" Aufschwung besonders gut entwickeln. LOL.
Na ja, Short-Empfehlung wegen unsäglichem Hype in Verbindung mit einer Aussicht auf Geld(drogen)entzug wird man bei Marketwatch wohl niemals zu lesen bekommen...